Debatte um Nachtflugverbot am Flughafen BER:Platzecks plötzliches Ruhebedürfnis

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Berliner spotteten erst über ihren "Pannenflughafen", jetzt über den "Provinzflughafen". Denn neuerdings unterstützt BER-Aufsichtsratschef Platzeck ein Volksbegehren gegen nächtlichen Fluglärm. Was für diesen Meinungswechsel verantwortlich geht.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Nach dem "Pannenflughafen" soll jetzt also der "Provinzflughafen" in Berlin kommen oder besser noch: der "Halbtagsflughafen". So spotteten die Menschen in der Hauptstadtregion am Mittwoch, und manche schüttelten den Kopf über Matthias Platzeck (SPD). Brandenburgs Ministerpräsident, seit Kurzem Aufsichtsratschef der Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg, hat angekündigt, mit seiner rot-roten Koalition ein Volksbegehren zu unterstützen, das sich gegen nächtlichen Fluglärm am Hauptstadtflughafen richtet. Nach geltender Rechtslage darf dort von Mitternacht bis fünf Uhr nicht geflogen werden. In Randzeiten zwischen 22 und 24 Uhr sowie zwischen fünf und sechs Uhr ist dies nur in Ausnahmefällen erlaubt. Bürgerinitiativen aber wollen die Ruhezeit ausweiten, von 22 Uhr bis sechs Uhr morgens.

Ministerpräsident Platzeck hat in den vergangenen Monaten immer wieder Verständnis für Lärmsorgen der Bürger signalisiert. Schließlich trifft der Krach in erster Linie Brandenburger. Vor allem im Südosten Berlins ist der Volkszorn groß. Dort fühlen viele sich wegen der nachträglich geänderten Flugrouten betrogen. Ein Volksbegehren wurde auf den Weg gebracht, das Thema ist hier hoch aufgeladen, die Kampagne soll auch finanziell potente Unterstützer gefunden haben. Und 2014 wird in Brandenburg gewählt.

Dennoch gab Platzeck sich unbeirrt, bis zuletzt. Wie Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) galt für ihn: Wirtschaftlichkeit geht vor Lärmschutz. Der neue Flughafen müsse international konkurrenzfähig sein und auch nach 22 Uhr oder früh morgens ansteuerbar. Zudem drohten Airlines ihre in Berlin stationierten Maschinen abzuziehen, wenn dort nicht mindestens drei bis vier Umläufe am Tag zu schaffen seien. Das Volksbegehren wollte Platzeck zwar "ernsthaft" prüfen, ihm aber nicht zustimmen. Jetzt hat er eine Kehrtwende gemacht.

"Ein Volksentscheid mit einer vorangegangenen monatelangen Kampagne würde die erkennbare Spaltung des Landes vertiefen. Ich will diese Zuspitzung vermeiden und den Zielkonflikt entschärfen", erklärte Platzeck am Mittwoch in einer Videobotschaft. Er werde "Verhandlungen mit dem Land Berlin" aufnehmen, um dort für die Anliegen des Volksbegehrens zu werben. Ziel sei, "für mehr Nachtruhe im Umfeld des BER zu sorgen". Die Formulierung ist bewusst vage gehalten. Ein striktes Nachtflugverbot zwischen 22 und sechs Uhr, wie Anwohner es wünschen, ist nicht durchsetzbar. Es wird auch im Volksbegehren nicht konkret gefordert. Dem Vernehmen nach hofft Platzeck nun, das Thema nach und nach wegverhandeln und aus dem Wahlkampf fernhalten zu können.

Nachtflugverbot, nein danke

Bei den Gesellschaftern des Flughafens stößt sein Manöver auf wenig Zustimmung. Die Reglung der Flugzeiten sei "ausgewogen und sinnvoll", hieß es im Bundesverkehrsministerium. Sie sei im Planfeststellungsbeschluss festgelegt und 2011 letztinstanzlich bestätigt worden. "Daran muss man nicht rütteln", sagte ein Flughafensprecher. Sinnvoll sei nur, durch kluge Bahnnutzung und leisere Jets den Lärm zu reduzieren.

Striktes Nachtflugverbot, nein danke - das war auch aus Berlin zu hören. "Ich halte diese Entscheidung in Brandenburg für wirklich falsch", sagte Wowereit dem Berliner Rundfunk 91.4. Platzeck habe "einen schwierigen Koalitionspartner". Die in Potsdam mitregierende Linkspartei fordert schon länger ein striktes Nachtflugverbot. Dass Platzeck dem nun nachgeben wolle, so Wowereit, drohe den BER zum "Provinzflughafen" zu machen und sei "fatal".

© SZ vom 21.02.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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