Süddeutsche Zeitung

Mindestlohn spaltet Union und Liberale:FDP warnt vor "arbeitsmarktpolitischem Beton"

"Flexibilität nicht mit Niedrigstlöhnen verwechseln": Die Regierungskoalition ringt um eine Position zum Thema Mindestlöhne. Während Bundesarbeitsministerin von der Leyen viel Lob für eine Lohnuntergrenze findet, heißt es in der FDP, die Partei könne sich nicht auf das Abenteuer eines gesetzlichen Mindestlohnes einlassen.

Dürfen Arbeitnehmer nach Belieben ausgenutzt werden? Die Regierung ist uneins: Die von der CDU-Spitze geplanten verbindlichen Lohnuntergrenzen bleiben innerhalb der Union heftig umstritten und sorgen auch beim Koalitionspartner FDP für Missstimmung.

Dabei will die CDU auf ihrem Bundesparteitag Mitte November in Leipzig eine Lohnuntergrenze für tariflich nicht geregelte Branchen beschließen. Immerhin hatte sich Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) vorgenommen, ein Mindestlohngesetz noch in dieser Wahlperiode durchzusetzen.

Nach dem Parteitag will sie Gespräche mit FDP und CSU sowie den Tarifpartnern aufnehmen. Sie wolle den gesetzlichen Rahmen für eine Kommission abstecken, "die dann die richtige Lohnhöhe eigenständig finden muss", sagte sie der Bild am Sonntag. Es gehe darum, Auswüchse nach unten zu verhindern.

"Ein Geschäftsmodell, das darauf beruht, dass ein Arbeitgeber einen Minimallohn zahlt und der Rest vom Staat aufgestockt wird, kann ich nicht akzeptieren", sagte die stellvertretende Parteivorsitzende.

Genereller Widerspruch kam vom Koalitionspartner FDP. Generalsekretär Christian Lindner warnte vor "arbeitsmarktpolitischem Beton" und erinnerte in der Bild am Sonntag daran, dass Union und FDP den flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn im Koalitionsvertrag abgelehnt hätten.

Dabei bleibe es. Parteivize Sabine Leutheusser-Schnarrenberger warnte auf einem Landeskongress der jungen Liberalen im fränkischen Baiersdorf: "Die FDP kann sich auf das Abenteuer eines gesetzlichen Mindestlohnes nicht einlassen."

CDU-Vize Volker Bouffier (CDU) sagte dem Nachrichtenmagazin Spiegel zu den Mindestlohnplänen seiner Partei: "Das erschließt sich mir weder unter ökonomischen noch unter sozialen Gesichtspunkten."

"Undifferenzierter Mindeslohn ist falsch"

Er fügte hinzu: "Man muss ja kein großer Ökonom sein, um zu erkennen, dass Löhne, die in Frankfurt am Main oder Wiesbaden gezahlt werden, nicht unbedingt in die Uckermark passen."

Eine klare Ablehnung kam auch von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich. "Einen undifferenzierten flächendeckenden Mindestlohn halte ich für falsch", sagte der CSU-Politiker der Zeitschrift Super Illu.

Die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) würde die Tariffindung einer Kommission übertragen, wie von Leyen vorgesehen. Der IG-BCE-Vorsitzende Michael Vassiliadis sagte der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung: "Ich halte den Vorschlag für vernünftig, keinen einheitlichen Mindestlohn mit einem Fixbetrag festzulegen, der in allen Branchen gilt."

Der Vorsitzende der IG BAU, Klaus Wiesehügel, wertete die CDU-Pläne im Spiegel als "Wahlkampfmanöver". Nach Ansicht von Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt bergen einheitliche Mindestlöhne die Gefahr einer höheren Jugendarbeitslosigkeit, wie er der Zeitung Die Welt sagte.

Es meldeten sich allerdings auch Stimmen aus der Union für eine Mindestlohnregelung zu Wort. Niedersachsens Regierungschef David McAllister sagte dem Spiegel: "Als Ministerpräsident und Landesvorsitzender der CDU Niedersachsens bin ich nicht mehr bereit, bestimmte Verwerfungen im Niedriglohnbereich zu akzeptieren."

Sein Amtskollege aus Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff, sprach sich in dem Magazin dafür aus, mit den Lohnuntergrenzen gleich auch die Differenzierung zwischen Ost und West zu kippen. Der Vorsitzende der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft, Karl-Josef Laumann (CDU), mahnte in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung: Eine christliche Volkspartei könne sich "nicht damit profilieren, einen Stundenlohn von 4,50 Euro als angemessen zu bezeichnen". Er räumte ein, seine Partei habe "eine Weile gebraucht", um sich zu dieser Position durchzuringen. Auch FDP-Landespolitiker plädierten für eine Kursänderung.

So erinnerte der schleswig-holsteinische Sozialminister Heiner Garg (FDP) in der Zeitung Sonntag Aktuell an Wettbewerbsverzerrungen, die durch die dauerhafte Subventionierung von Niedriglöhnen entstehen. Der Vize-Vorsitzende der Südwest-FDP, Hartfrid Wolff, nannte im selben Blatt den Mindestlohn "ordnungspolitisch gut vertretbar".

Allerdings müsse, wenn notwendig, die Regelung regionale Unterschiede berücksichtigen. SPD und Linke trauen dem CDU-Vorstoß nicht. Linke-Chef Klaus Ernst forderte statt flexiblen Lohnuntergrenzen einen bundesweiten Mindestlohn in Höhe von zehn Euro pro Stunde.

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