Debatte um Militärintervention in Syrien:Russland und USA sperren sich gegen Hollandes Vorstoß

Das blutige Massaker in der syrischen Stadt Haula hat im Ausland harsche Reaktionen provoziert. Der französische Präsident Hollande denkt nun sogar über ein militärisches Eingreifen nach - wenn die UN mitziehen. Man dürfe Machthaber Assad "nicht weiter sein eigenes Volk massakrieren lassen". Russland und die USA lehnen militärische Maßnahmen strikt ab.

Nach dem Massaker im syrischen Haula schließt der französische Präsident François Hollande eine Militärintervention in Syrien nicht aus. Ähnlich wie im Falle Libyens im Jahr 2011 sei ein solches Vorgehen aber nur mit einem Mandat der Vereinten Nationen möglich, sagte er am Abend dem Fernsehsender France 2. "Es ist an mir und anderen, die Russen und Chinesen zu überzeugen", fügte er hinzu.

Beim Besuch des russischen Präsidenten Wladimir Putin am Freitag in Paris werde er mit ihm über die Notwendigkeit sprechen, die Strafmaßnahmen gegen Syrien nochmals deutlich zu verschärfen. Man dürfe Syriens Präsident Baschar al-Assad "nicht weiter sein eigenes Volk massakrieren lassen".

Frankreichs Außenminister Laurent Fabius hatte zuvor gesagt, Frankreich setze sich dafür ein, dass der Internationale Strafgerichtshof eingeschaltet wird. "Baschar al-Assad ist der Mörder seines Volkes", sagte Fabius.

Das Weiße Haus lehnte eine Militärintervention zum jetzigen Zeitpunkt ab. "Wir glauben, dass dies nur zu einem noch größeren Chaos, zu einem noch größeren Blutbad führen würde", sagte am Dienstag der Sprecher des US-Präsidenten Barack Obama, Jay Carney.

Gleichwohl bereite die Regierung in Washington gemeinsam mit ihren Verbündeten weitere Schritte gegen das syrische Regime vor. Um welche Art von Maßnahmen es sich dabei handeln könnte, wurde nicht gesagt. Die koordinierte Ausweisung syrischer Diplomaten durch die USA und mehrere europäische Länder sei ein Zeichen der "absoluten Empörung" der internationalen Gemeinschaft gewesen, sagte Carney.

Neue Maßnahmen wären voreilig

Russland lehnt eine Militärintervention, wie sie Hollande ins Spiel gebracht hat, strikt ab. Vize-Außenminister Gennadi Gatilow wandte sich sogar gegen eine neue Debatte im Weltsicherheitsrat. Die jüngste UN-Resolution nach dem Massaker in Haula sei als Signal stark genug und eine "ausreichende Antwort auf die jüngsten Entwicklungen" gewesen, sagte Gatilow der Agentur Interfax. "Deshalb meinen wir, dass eine Erörterung irgendwelcher neuer Maßnahmen im Sicherheitsrat zur Beeinflussung der Situation voreilig wäre", sagte Gatilow.

Ferhad Ahma vom Syrischen Nationalrat kritisierte die Haltung Moskaus und forderte die internationale Gemeinschaft auf, mehr Druck auf das Assad-Regime auszuüben. Der Sicherheitsrat müsse eine bindende Resolution verabschieden, die auch einen Militäreinsatz nicht ausschließe, forderte der in Deutschland lebende Ahma. Dabei müsse auch Russland Verantwortung übernehmen.

Ganze Familien wurden hingerichtet

Nach dem Massaker im syrischen Haula, bei dem mehr als hundert Menschen starben, haben Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien, die Niederlande, Belgien und Spanien sowie die USA, Australien und Kanada syrische Diplomaten ausgewiesen. Am Mittwoch forderte auch die Türkei die diplomatischen Vertreter Syriens auf, bis Freitag das Land zu verlassen. Die Ausweisung eines Botschafters gehört im diplomatischen Umgang zu den härtesten Strafmaßnahmen, über die ein Land verfügt.

Die Europäische Union kündigte in Brüssel weiteren diplomatischen Druck an. Ein Sprecher der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton sagte jedoch: "Alles muss auf Entscheidungen des UN-Sicherheitsrats beruhen." Die EU hat bereits 16 Sanktionsbeschlüsse gegen das Assad-Regime verhängt. Dazu gehören Einreiseverbote, das Einfrieren von Vermögenswerten, ein Ölembargo sowie Ausfuhrverbote für zahlreiche Güter.

Der UN-Menschenrechtsrat beraumte derweil eine weitere Sondersitzung an. Sie wird auf Antrag der Türkei und Katars sowie der USA und der Europäischen Union am Freitag in Genf stattfinden.

Das Massaker von Haula war die schlimmste Gräueltat in Syrien seit dem Ausbruch der Proteste gegen das Assad-Regime vor fast 15 Monaten. Bei dem Angriff waren am Freitag mehr als 100 Zivilisten niedergemetzelt worden, etwa ein Drittel davon Kinder. Die meisten Opfer wurden aus der Nähe erschossen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung von UN-Experten.

"Es sieht so aus, als ob ganze Familien in ihren Häusern erschossen wurden", sagte in Genf Rupert Colville, Sprecher des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte. "Fast die Hälfte der uns bekannten Opfer sind Kinder, das ist unverzeihlich."

Nach einem Treffen des UN-Sondergesandten Kofi Annan mit Assad am Dienstag sagte ein Sprecher, der frühere UN-Generalsekretär habe darauf hingewiesen, dass der von ihm formulierte Sechs-Punkte-Plan nur funktionieren könne, wenn ernsthafte Schritte unternommen würden, die Gewalt zu beenden und Gefangene freizulassen. Annan betonte, sein Sechs-Punkte Plan für Frieden in Syrien sei bislang nicht umgesetzt worden. Nach einem vielversprechenden Start im April sei die Waffenruhe in sich zusammengebrochen.

Mehr als eine halbe Million Syrer flüchten

Ungeachtet diplomatischer Zwangsmaßnahmen werden in Syrien weiter Menschen getötet. Aktivisten berichteten am Mittwoch von einem Massaker in der Provinz Deir as-Saur. Sie veröffentlichten ein Video, das die Leichen von 13 Männern zeigt. Ihre Hände waren hinter dem Rücken zusammengebunden. In Berichten aus Oppositionskreisen hieß es, bei den Toten handele es sich um Deserteure in Zivil, die von Regierungstruppen erschossen worden seien. Andere Berichte lassen vermuten, die Mordopfer seien Arbeiter der Ölgesellschaft Al-Furat, die von den Regierungstruppen getötet worden seien, weil sie sich einem Streik angeschlossen hätten.

Am Dienstag hatte es weitere Tote gegeben. Deren Zahl schwankt - je nach Quelle: Zwischen 33 und 72 Menschen sollen getötet worden sein, berichten Oppositionelle. Mehr als eine halbe Million Syrer sind laut Angaben der UN derzeit auf der Flucht. Seit Beginn des Aufstands vor etwa 15 Monaten kamen mehr als 10.000 Menschen ums Leben.

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