Süddeutsche Zeitung

Debatte um Kampfdrohnen:Die wichtigen Fragen bleiben offen

Bewaffnete Drohnen für die Truppe? Irgendwie ja, aber nur unter bestimmten Umständen. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hat mit ihrer Drohnen-Position ein taktisches Meisterstück vollbracht. Nur den Soldaten fehlt weiterhin Gewissheit, was sie im Ernstfall erwartet.

Ein Kommentar von Christoph Hickmann, Berlin

Ursula von der Leyen beweist in diesen Tagen wieder einmal, dass sie etwas von politischer Taktik versteht. Ihre lang erwartete Position zur Kampfdrohnenfrage ist so meisterhaft austariert, dass sich Befürworter wie Gegner gleichzeitig bestätigt fühlen könnten.

Von der Leyen will keine bewaffnungsfähigen Drohnen kaufen, sondern bei Bedarf leasen - also dann, wenn ein Einsatz ansteht. Deshalb darf die SPD behaupten, sie habe sich durchgesetzt, schließlich werden auch künftig keine solchen Geräte bei der Luftwaffe herumstehen. Zugleich signalisiert von der Leyen der Truppe: Wenn es ernst wird, bekommt ihr die Drohnen.

Ähnlich verhält es sich mit ihrer Antwort auf die Frage, ob die unbemannten Flieger denn nun bewaffnet sein sollen oder nicht: Darüber entscheide das Parlament, wenn es über das Mandat eines künftigen Einsatzes abstimme. Man kann das so interpretieren, dass von der Leyen den Weg für Kampfdrohnen freimacht. Man kann es allerdings auch so sehen, dass es damit in dieser Legislaturperiode eigentlich keinen Einsatz bewaffneter Drohnen geben kann, weil es dafür angesichts der ablehnenden Haltung der SPD kaum eine Mehrheit im Bundestag geben wird. Grüne und Linke sind ohnehin dagegen.

So durchdacht die Einlassungen der Ministerin allerdings in parteipolitischer Hinsicht sind, so problematisch wird es, wenn man sie mit der Realität abgleicht. An drei Punkten wird das besonders deutlich.

Die Ministerin geht hinter dem Parlament in Deckung

Der erste betrifft ihre Aussage, das Parlament entscheide über die Bewaffnung - schließlich habe es mit den Mandaten schon immer darüber entschieden, ob es zulässig sein soll, Truppen am Boden etwa durch Feuer aus der Luft zu unterstützen.

Das mag formal richtig sein, doch die Formulierung der Mandate und der sogenannten rules of engagement, der Einsatzregeln, war immer erst einmal Sache der Regierung (auch wenn die Mandate stets so formuliert waren, dass sie eine Mehrheit im Bundestag bekamen). Wenn von der Leyen nun die Legislative für zuständig erklärt, versteckt sie sich hinter dem Parlament.

Das ist auch in anderer Hinsicht irritierend. Der Bundestag hat eine Kommission eingesetzt, die sich mit der Zukunft des deutschen Parlamentsvorbehalts beschäftigt - vor allem mit der Frage, wie die Bundeswehr in Bündnissen agieren kann, ohne dass der Parlamentsvorbehalt zum Hemmschuh für mehr Kooperation wird. Und gleichzeitig soll das Parlament über Detailfragen militärischer Einsätze entscheiden? Das passt nicht zusammen.

Die entscheidenden Fragen hat von der Leyen offen gelassen

Zweiter problematischer Punkt: das Leasing selbst. Von der Leyen sagt, es gebe derzeit keinen Einsatz, für den man Kampfdrohnen brauche. Das stimmt, doch es liegt in der Natur solcher Missionen, dass sie oft plötzlich notwendig werden. Wird dann punktgenau das gewünschte Gerät zur Verfügung stehen? Mitsamt Logistik, Technikern sowie vielleicht den passenden Waffen? Und kann man eine Rakete leasen? Sie soll ja abgeschossen werden.

Drittens, ganz grundsätzlich: Was passiert eigentlich, wenn man unbewaffnete Drohnen in einen Einsatz schickt? Dann müsste man, wenn es für die Bundeswehr am Boden ernst wird, wieder die Luftunterstützung der Verbündeten anfordern - so wie von 2007 bis 2010, als die Bundeswehr zwar Tornado-Kampfflugzeuge in Afghanistan hatte, die aber nicht feuern, sondern nur aufklären durften. Dieses Beispiel führt von der Leyen nun an: Schon damals habe das Parlament die Nichtbewaffnung verfügt. Aber wie passt der damalige Einsatz mit ihrer heutigen Linie zusammen, die Bundeswehr solle mehr Verantwortung übernehmen?

Von der Leyen hat mit ihrer Antwort auf die Drohnen-Frage Zeit gewonnen, womöglich sogar viel Zeit. Doch die entscheidenden Fragen sind noch immer offen.

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SZ vom 03.07.2014/ipfa
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