Süddeutsche Zeitung

Debatte um Gorleben:Gabriel: CDU ist mit Atomendlager gescheitert

Unter Helmut Kohl wurden offenbar kritische Bewertungen zu Gorleben entschärft, um keine Zweifel am Endlager aufkommen zu lassen. Das ruft den Umweltminister auf den Plan.

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) sieht das Endlagerkonzept der Unions-Parteien als endgültig gescheitert an. "Die schwarz-gelbe Regierung Kohl hat sich bei ihrer Entscheidung für Gorleben als Atom-Endlager über massive fachliche Bedenken hinweggesetzt", sagte Gabriel.

In den letzten Wochen waren immer mehr Details über eine politische Einflussnahmen bei der Auswahl des Standorts Gorleben bekanntgeworden.

So soll die frühere Bundesregierung unter Kanzler Helmut Kohl (CDU) den Salzstock Gorleben in den 80er Jahren gegen fachliche Bedenken als Endlagerstandort für Atommüll durchgesetzt haben, so ein Zeitungsbericht.

Wie die Frankfurter Rundschau unter Berufung auf Dokumente der damals zuständigen Fachbehörde schreibt, mussten die Experten ihre Bewertung des Salzstocks offenbar auf Druck des Bundeskabinetts umschreiben. Die Fachleute der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) hätten sich dafür ausgesprochen, auch andere Standorte neben Gorleben zu erkunden.

"Die Akten belegen, dass die Experten in der zuständigen Fachbehörde schon 1983 auf hohe Risiken in Gorleben hingewiesen und die Erkundung anderer Standorte empfohlen haben", sagte Gabriel. Es sei verantwortungslos, dass Union und FDP sich auch heute noch einem international längst üblichen Standortvergleich verweigerten.

Die damalige Entscheidung für den Standort Gorleben sei von Beginn an "weniger fachlich, sondern vielmehr politisch motiviert" gewesen, sagte Gabriel. Für die christliberale Koalition sei Gorleben eine "unrühmliche Aneinanderreihung von Versagen, Vertuschen und Verschweigen".

Auch sei schwarz-gelb dafür verantwortlich, dass in den Jahren 1989 bis 1996 Verträge mit den Grundstückeigentümern in Gorleben abgeschlossen wurden, die bis 2015 befristet sind. "Deshalb könnte Gorleben, wenn überhaupt, nur nach langwierigen Enteignungsverfahren genutzt werden", sagte Gabriel. Erst am Wochenende war bekannt geworden, dass zahlreiche Verträge mit Grundbesitzern Ende 2015 auslaufen. Danach fehlen dem Bund die Salzrechte, die für eine Erkundung nach 2015 nötig sind.

Die Union wies die Kritik zurück. "Alle bisher gewonnenen fachlich-wissenschaftlichen Erkenntnisse haben die Eignung von Gorleben gezeigt", sagte Unions-Fraktionsvize Katherina Reiche. Auch Maria Flachsbarth, Unions-Berichterstatterin für die Endlagerung, forderte einen raschen Wiedereinstieg in die Erkundung von Gorleben. "Erst dann können wir wissen, ob Gorleben geeignet ist", sagte sie. "Wir schließen auch nicht aus, dass Gorleben nicht kommt."

Ein Sprecher des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) in Salzgitter, des Betreibers des Bergwerks in Gorleben, bestätigte, dass diese Dokumente vorliegen. Die Anti-Atom-Initiative Lüchow-Dannenberg habe Akteneinsicht beim BfS beantragt und diese auch erhalten.

Bisher gilt Gorleben im niedersächsischen Wendland als mögliches Endlager für hoch radioaktiven Atommüll aus deutschen Atomkraftwerken. Andere Standorte wurden bis heute nicht erkundet.

Neuer Gorleben-Treck

Die Bauern aus dem Kreis Lüchwo-Dannenberg rüsten unterdessen auch 30 Jahre nach ihrem legendären Gorleben-Treck wieder zu einer Großdemonstration.

300 Bauern mit Treckern zogen 1979 von Gorleben nach Hannover, wo sie 100.000 AKW-Gegner empfingen. Die bis dahin größte deutsche Anti-AKW-Demo brachte das in Gorleben geplante "Nukleare Entsorgungszentrum" zu Fall.

Diesmal brechen die wendländischen Bauern nach Berlin auf. Vor der Bundestagswahl wollen sie mit AKW-Gegnern aus ganz Deutschland für den Ausstieg und gegen ein atomares Endlager Gorleben demonstrieren.

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