Debatte um Euro-Rettung:Von D-Mark-Chauvinisten und Dummschwätzern

Regierung und Opposition zoffen sich im Bundestag erbittert über den Euro-Rettungsschirm EFSF. Dabei haben zumindest zwei der drei Oppositionsparteien gar nichts gegen den Stabilitätsmechanismus. Es geht vor allem darum, recht zu behalten.

Thorsten Denkler, Berlin

Frank Schäffler jedenfalls wird sich von Wolfgang Schäuble nicht mehr überzeugen lassen. Während der Finanzminister vorne am Rednerpult im Bundestag detailliert erklärt, warum der Euro-Rettungsschirm EFSF gebraucht und vor allem aufgestockt werden muss, tippt der Euro-Rebell der FDP auf seinem Smartphone herum.

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Düstere Aussichten: Angela Merkel musste von ihrem anfänglichen "Kein Cent für Griechenland!" abrücken.

(Foto: Getty Images)

Er klatscht nicht mit an den wenigen Stellen, in denen Schäuble aus Sicht der Regierungskoalitionäre etwas Applauswürdiges sagt. Er klatscht auch nicht, als Schäuble seine Rede beendet. Schäffler gehört zum harten Kern der Rettungsskeptiker. Ginge es nach ihm, dann wäre Bundeskanzlerin Angela Merkel lieber bei ihrem anfänglichen "Kein Cent für Griechenland!" geblieben.

Von seiner Sorte gibt es noch ein paar mehr in den Reihen der Koalition. Dazu zählt etwa der sonst als absolut Merkel-treu bekannte CDU-Mann Wolfgang Bosbach.

Es sind zu wenig, um das Gesetz wirklich zu gefährden. Aber genug, um die Kanzlerin mächtig zu ärgern. Sollte sie bei der Schlussabstimmung Ende September die Kanzlermehrheit verfehlen, wäre zwar nicht der Euro in Gefahr, aber Merkel eine neue Debatte um ihre Regierungsfähigkeit sicher.

An diesem Donnerstag ist das neue EFSF-Gesetz, um das es hier geht, in den Bundestag eingebracht worden. Damit wird der Euro-Rettungsschirm auf 440 Milliarden Euro Gesamtkreditsumme erweitert. Deutschland haftet mit 211 Milliarde Euro. Da will sich keiner ausmalen, was passiert, wenn diese gewaltige Summe fällig wird, sollten Griechenland oder andere Schuldenstaaten im Euro-Raum tatsächlich zahlungsunfähig werden.

"Hilfe zur Selbsthilfe"

Schäuble versucht den Druck aus der Debatte zu nehmen und redet die Dimensionen des neuen Gesetzes klein. "Wir passen unsere nationale Gesetzgebung an die Änderungen des Rahmenvertrages zum EFSF an", sagt er, als wäre das ein völlig normaler Vorgang. Dabei gehe es vor allem um "Hilfe zur Selbsthilfe".

Das scheint alles so undramatisch zu sein, dass Außenminister Guido Westerwelle auf der Regierungsbank seinem neuen Chef Philipp Rösler und Kanzlerin Angela Merkel eine Karikatur zuschiebt, die ihn offenbar amüsiert hat.

Für Kritiker wie Schäffler findet Schäuble noch ein paar markige Sätze, die sie wohl beruhigen sollen. Die Griechen hätten zwar "Anspruch auf Solidarität" und "Deutschland wird sie nicht verweigern". Doch wenn Griechenland und andere Länder, die den EFSF nutzen, sich nicht an die Regeln halten, dann werde auch kein Geld fließen. "Die Lösung ihrer Strukturprobleme können wir ihnen nicht ersparen", mahnt Schäuble. Schäffler tippt immer noch auf seinem Telefon herum.

Klaus Ernst tobt

SPD-Chef Sigmar Gabriel hält sich mit den Kritikern aus der Koalition gar nicht auf. Er legt seinen Finger in ganz andere Wunden. Merkel, die erst gar kein Geld geben wollte, FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle, der noch als Wirtschaftsminister gesagt habe, "wir haben nicht die Absicht, Griechenland einen Cent zu geben". Und letztlich auch Schäuble, der es mal für "falsch verstandene Solidarität" hielt, Griechenland unter die Arme zu greifen. Alles vergessen, moniert Gabriel.

Die Zurückhaltung, die SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier in der Generaldebatte zum Bundeshaushalt am Mittwoch noch an den Tag gelegt hatte: Gabriel pfeift drauf. Er werfe Merkel und Schäuble gar nicht vor, dass sie Positionen ändern mussten. Er werfe ihnen aber vor, dass sie mit "kurzfristigen und dummen Parolen ihre Leute auf die Bäume gebracht" hätten und sie jetzt nicht mehr herunterbekämen.

Und jetzt versuchten sie zu vertuschen, dass es sich bei den Rettungsschirmen nicht um eine Vergemeinschaftung von Schulden handele. "Sagen Sie mal, für wie dumm halten Sie eigentlich Ihre eigenen Abgeordneten?", fragt Gabriel.

Die 120 Milliarden Euro, mit denen die Europäische Zentralbank (EZB) Staatsanleihen von überschuldeten Staaten gekauft habe, seien "die ersten Merkel-Bonds", sagt Gabriel in Anlehnung an die Euro-Bonds, die Euro-Anleihen also, die Union und FDP so strikt ablehnen. Merkel-Bonds, da muss auch die Kanzlerin kurz grinsen, gibt sich dann aber wieder ihrem iPad hin.

"Sie sind längst auf dem Weg in die Vergemeinschaftung von Schulden!", erinnert Gabriel die Kanzlerin. Nur findet Gabriel das gar nicht falsch. Jetzt endlich gehe die Regierung "die ersten richtigen Schritte auf dem Weg in dieser Eurokrise".

Rainer Brüderle, der FDP-Fraktionschef, kann da kaum an sich halten. Es sei doch die SPD gewesen, die sich bei der ersten Entscheidung über den Euro-Rettungsschirm im Frühjahr "kraftvoll" enthalten habe, stichelt er. Und wettert gegen die "Münchhausentheorie" der linken Parteien, noch mehr Staatsausgaben und noch mehr Schulden würden helfen. Nicht "allein Konjunkturprogramme" hätten Deutschland aus der Krise geholfen, wie Gabriel behaupte, sondern "der Fleiß der Leute".

Von wegen Prinzipientreue

Dann sagt er etwas, weswegen der Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin ihn und die FDP wenig später zu "D-Mark-Chauvinisten" erklärt. Brüderle nämlich setzt Griechenland in ungewohnter Schärfe die Daumenschrauben an: Wenn Griechenland seine Staatsausgaben nicht in den Griff bekomme, dann müsse es eben andere Wege gehen. Brüderle bemüht die Fußballsprache: "Wer sich nicht an die Regeln hält, wird notfalls vom Platz gestellt." Da gelte es seinen Prinzipien treu zu bleiben.

Mit anderen Worten: Griechenland muss raus aus dem Euro, wenn es die Kriterien der EFSF-Kredite nicht erfüllen kann. "Irgendwann ist auch die Stunde die Wahrheit. Entweder sie machen mit oder sie machen nicht mit." Da horcht auch Schäffler mal auf.

Trittin schaut entnervt an die Decke. Von wegen Prinzipientreue. Als der Grünen-Fraktionschef ans Pult tritt, muss er dazu etwas sagen. "Wer hat denn die EZB genötigt, für die Schulden anderer aufzukommen?", fragt er. Dafür trage diese Regierung, diese Bundeskanzlerin "und niemand anderes" die Verantwortung. Dabei hat auch Trittin gar nichts dagegen. Auch die Grünen werden wohl dem EFSF im Prinzip zustimmen.

Nur die Linken wollen mal wieder mit Nein stimmen. Weil, wie Linken-Chef Klaus Ernst tobt, mit dem EFSF weder der Euro noch die Europäer gerettet würden. "Einzig die Banken und die Hedgefonds werden gerettet!" Dabei lägen die Ursachen für die Krise bei genau diesen "Zockerbuden". Da habe diese Regierung aber "nichts getan".

Und so finden sich Schäffler und Bosbach auf einer Seite mit der Linken wieder.

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