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Debatte um Bundeswehreinsatz in Mali:Westerwelles rote Linie

Wie weit geht die Solidarität mit dem Verbündeten? Die Bundesregierung überlegt, wie sie Frankreich beim Militäreinsatz in Mali unterstützen kann. Außenminister Westerwelle will um keinen Preis Kampftruppen schicken - doch deutsche Soldaten könnten in anderer Funktion in Westafrika stationiert werden.

Von Oliver Klasen

Die Worte des Außenministers klangen definitiv: "Ein Einsatz deutscher Kampftruppen steht nicht zur Debatte", sagte Guido Westerwelle noch am Sonntag zu einem möglichen Einsatz der Bundeswehr in Mali. Frankreichs Präsident François Hollande hat seine Truppen dorthin entsandt, um der Regierung in Bamako im Kampf gegen die immer weiter vordringenden Islamisten zu helfen.

Seit Tagen kämpfen die Franzosen an der Seite malischer Regierungstruppen, ihre Kampfjets bombardieren Ziele im Norden des Landes - dort, wo die Aufständischen die Kontrolle übernommen haben. Bewohner der Stadt Gao sprechen von mehr als 60 getöteten Rebellen. Frankreichs Außenminister Laurent Fabius bewertet den Einsatz bereits jetzt als Erfolg, nach Angaben eines malischen Militärsprechers sind alle wichtigen strategischen Städte im Norden wieder in der Hand der Regierungstruppen.

Westerwelle, das wird aus seinen Äußerungen deutlich, lässt sich von solchen Erfolgsmeldungen nicht zu definitiven Zusagen hinreißen. Er möchte eine rote Linie einziehen: Deutsche Soldaten, die aktiv in Mali kämpfen, kann er sich unter gar keinen Umständen vorstellen.

Allerdings schließt das andere Formen der Unterstützung des Verbündeten nicht aus. Außenamts-Sprecher Andreas Peschke deutet am Montagmittag an, in welche Richtung die Debatte sich entwickeln könnte: Für die Bundesregierung sei klar, dass Deutschland Frankreich "in dieser schwierigen Situation" nicht allein lasse. Eine logistische Unterstützung des französischen Militäreinsatzes sei vorstellbar.

Die könnte zum Beispiel im Rahmen einer EU-Mission zur Ausbildung malischer Streitkräfte geschehen. Das Einsatzkonzept dafür hatte die EU schon im Dezember - lange vor dem Vorstoß der Islamisten - verabschiedet. Demnach sollen bis zu europäische 200 Militärausbilder und weiteres Personal für Unterstützung und Sicherheit in das afrikanische Land geschickt werden.

Was eine deutsche Beteiligung angeht, konkretisierte Westerwelle am Montag seine Vorstellungen: "Wir haben in der Bundesregierung verabredet, dass wir jetzt in Gespräche mit Frankreich eintreten, inwieweit wir das Engagement Frankreichs unterstützen können, zum Beispiel politisch, zum Beispiel logistisch oder auch humanitär oder im medizinischen Bereich", sagte der Außenminister. Die Europäer könnten kein Interesse haben, dass südlich des Mittelmeeres, "also gewissermaßen vor unserer Haustür", ein Rückzugsort für Terroristen entstehe.

Westerwelle differenziert

Die Mali-Frage könnte für die Bundesregierung schneller auf der Tagesordung stehen, als ihr lieb ist. Die Debatte über einen eventuellen Bundeswehr-Einsatz wird sich nach anfänglicher Zurückhaltung am Wochenende bereits jetzt geführt, immer mehr Außen- und Sicherheitspolitiker melden sich zu Wort.

Die rote Linie, die Westerwelle eingezogen hat, sind allerdings nur wenige zu überschreiten bereit. Andreas Schockenhoff, der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CSU, möchte einen Militäreinsatz aber zumindest zur Diskussion stellen. "Wir sollten nicht von vornherein einschränken, was wir nicht machen", sagte der CDU-Politiker den Nachrichtenagenturen dpa und AFP. In Mali müsse frühzeitig verhindert werden, dass eine "dauerhafte Gefahrenquelle für Europa" entstehe.

Auch Verteidigungsminister Thomas de Maizière äußert sich ähnlich. Zwar sei noch nichts konkret entscheiden, erste Planungen für ein Engagement der Bundeswehr gebe es aber bereits, sagte de Maizière im Deutschlandfunk.

Bevor deutsche Ausbilder in das afrikanische Krisenland geschickt werden könnten, benötige man einen politischen Konsens über das Engagement der internationalen Gemeinschaft in Mali. "Bei der Ausbildung solcher Sicherheitskräfte kann die Europäische Union und können auch deutsche Kräfte helfen. Das muss jetzt weiter geplant werden."

Die Gefahr einer Verwicklung solcher Ausbilder in bewaffnete Einsätze sieht der Minister nicht: "Diese vielen Warnungen immer, man könnte hineinschlittern, die kann ich schon bald nicht mehr hören." Das zivilmilitärische Konzept sehe vor, dass deutsche Truppen sich nicht an der bewaffneten Rückeroberung des Nordens beteiligen.

Probleme sieht der Verteidigungsminister allerdings bei der Frage der logistischen Unterstützung für Frankreich. Zahlreiche Transportkapazitäten in Afghanistan, im Kosovo und im Grundbetrieb zu Hause seien gebunden, sagte de Maizière. "Frankreich hat entsprechende Kräfte vor Ort, wir nicht. Es wäre also etwas aufwändig."

Die SPD erwartet von der Regierung zunächst mehr Informationen, bevor sie bereit ist, über einen möglichen Einsatz in Mali konkret zu debattieren. "Westerwelle muss konkreter werden und klar sagen, was die Absicht eines solchen Einsatzes wäre", sagte Rolf Mützenich, der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion zu Süddeutsche.de.

Die Zustimmung zu einer solchen Mission werde die SPD davon abhängig machen, wie das Mandat genau ausgestaltet sei und wie die Beteiligung der anderen EU-Länder aussehe. Wichtig sei insbesondere, dass ein möglicher Truppeneinsatz in einen politisch-zivilen Prozess in Mali eingebunden werde.

Einig ist sich die Opposition mit dem Außenminister darüber, dass ein Kampfeinsatz kategorisch ausgeschlossen wird. "Niemand wird deutsche Kampftruppen nach Mali entsenden wollen - Sozialdemokraten wollen dies selbstverständlich auch nicht", sagte etwa SPD-Verteidigungspolitiker Rainer Arnold dem Tagesspiegel.

Kerstin Müller, die außenpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, hat allerdings Zweifel, ob sich eine Ausbildungsmission, wie sie die EU plant, "sauber "von dem derzeitigen heißen Konflikt trennen lässt". Möglicherweise könne ein EU-Einsatz erst kommen, wenn ein Friedensplan für das Land vorliegt. Hollandes Einschreiten sieht sie als "Notoperation", weil kein anderes Land in der Lage war, derart schnell zu reagieren. Akut könne man Frankreich logistische Unterstützung nicht verwehren, aber es sei wichtig, in einen Dialog mit den aufständischen Gruppen im Norden zu treten und mehr Druck auf die Regierung in Mali auszuüben, um politische Reformen durchzusetzen.

Etwas deutlicher als Müller wird ihr Parteikollege Jürgen Trittin: Er warf Westerwelle auf Spiegel Online vor, immer nur zu sagen, "was alles nicht geht". Die Bundesregierung sei jetzt gefragt, zusammen mit den internationalen Partnern zu einer multilateralen Strategie zurückzufinden. "Deutschland sollte Anfragen seiner Partner oder der EU für Unterstützung - zum Beispiel im Bereich der Logistik oder bei der Ausbildung - konstruktiv prüfen", verlangte der Grünen-Fraktionschef.

Abgeordneten bleibt oft nur das Absegnen

Grundsätzlich können Einsätze der Bundeswehr im Ausland nur im Rahmen eines kollektiven Sicherheitssystems wie der Nato oder der Vereinten Nationen stattfinden. Zudem stehen sie unter dem sogenannten Parlamentsvorbehalt. Das bedeutet, der Bundestag muss einer Entsendung im Einzelfall zustimmen.

Allerdings werden Abgeordnete oft vor vollendete Tatsachen gestellt, weil Stärke, Auftrag und Modalitäten des Einsatzes längst feststehen, wenn im Parlament debattiert wird. Das war 1999 im Kosovo-Krieg so, als die USA und die Nato fest entschlossen waren, den serbischen Machthaber Slobodan Milosevic anzugreifen. Auch auf die Details des Afghanistan-Einsatzes hatten die Parlamentarier kaum Einfluss. Der damalige Bundeskanzler Schröder verband die Zustimmung zu dieser Mission 2001 sogar mit der Vertrauensfrage, was die Fraktionen von SPD und Grünen zusätzlich unter Zustimmungszwang setzte.

Doch wie eine Mission in Mali aussehen könnte, weiß noch nicht einmal die Bundesregierung. Am Montagabend will sich der Weltsicherheitsrat in New York auf Antrag Frankreichs in einer Sondersitzung mit der Lage in dem westafrikanischen Krisenland befassen. Auch das Parlament in Paris soll am Abend informiert werden. Bis sich Deutschland erklären muss, bleibt offenbar doch noch ein bisschen Zeit:

Die EU hält - trotz des militärischen Eingreifens Frankreichs - an ihren bisherigen Plänen fest. Demnach soll es eine 200 Mann starke Ausbildungsmission zur Unterstützung der malischen Streitkräfte geben. Der Einsatz könne wahrscheinlich "in der zweiten Februarhälfte oder Anfang März" beginnen, heißt es nach Angaben der Nachrichtenagentur dpa im Umfeld der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton.

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