Debatte über Stammzellengesetz:Lockern, verschärfen oder beibehalten?

Der Bundestag debattiert am Donnerstag über eine Lockerung des Stammzellengesetzes. Befürworter und Gegner stehen sich unversöhnlich gegenüber. Ein Überblick über die vier Gesetzesentwürfe.

Das Parlament diskutiert über das Stammzellgesetz: Dabei könnte die Stichtagsregelung kippen. Bisher darf in Deutschland - anders als in vielen anderen Staaten - nur mit aus dem Ausland importierten menschlichen embryonalen Stammzellen geforscht werden, die vor dem 1. Januar 2002 gewonnen worden sind. Der Gesetzgeber will so Anreize zur Herstellung oder Vernichtung weiterer Embryonen verhindern.

Debatte über Stammzellengesetz: Die Mikroskop-Aufnahme der Universität in Seoul zeigt geklonte Embryonen im achtzelligen Stadion.

Die Mikroskop-Aufnahme der Universität in Seoul zeigt geklonte Embryonen im achtzelligen Stadion.

(Foto: Foto: AP)

Auslöser des Auflebens der hitzigen Stammzelldebatte sind die Forderungen der Deutschen Forschungsgemeinschaft, die Auflagen zu lockern und auch Arbeiten mit neueren Stammzellenlinien zu ermöglichen. Gegner und Befürworter stehen sich unversöhnlich gegenüber.

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft klagt, dass die Arbeit an den Zellen, aus der einst einmal Therapien für Krankheiten wie Parkinson entwickelt werden könnte, inzwischen unmöglich sei. Lebensschützer führen dagegen die Erfolge bei der Reprogrammierung menschlicher Hautzellen an. Dieses Verfahren werde die ethisch umstrittenen embryonalen Stammzellen bald überflüssig machen.

Die Abstimmung dürfte spannend werden. Zwar sind die Argumente die gleichen wie bei der Abstimmung 2002, doch die Mehrheiten im Parlament haben sich verschoben. Nirgendwo ist dieser Schwenk so deutlich wie in der Union. Stimmten 2002 noch zwei Drittel der Abgeordneten von CDU/CSU für ein striktes Importverbot, ist die Partei in dieser Frage heute tief gespalten.

Wie schon 2002 stehen am Donnerstag gleich mehrere Gesetzesentwürfe zur Abstimmung. Etwa 200 Abgeordnete sind noch unentschlossen. Um sie werden alle Gruppen in der Debatte am Donnerstag werben.

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Lockern, verschärfen oder beibehalten?

1. Entwurf: Alles beim Alten

Eine nicht geringe Zahl von Abgeordneten hält die jetzige Gesetzeslage für ausreichend. Sie fürchten, dass einer Verschiebung des Stichtages weitere Verschiebungen folgen werden und dass das Gesetz damit letztlich ausgehöhlt wird. Ihr Antrag, das Gesetz unangetastet zu lassen, gewann immerhin 149 Unterzeichner.

So hat sich zum Beispiel der bayerische Landtagspräsident Alois Glück (CSU) gegen eine Verschiebung des Stichtags ausgesprochen. Die Einigung auf den Stichtag 2002, für die er damals plädiert hatte, sei eine "besondere und einmalige Ausnahmeregelung" gewesen, schreibt Glück in einem Positionspapier. Eine neue Stichtagsregelung beseitige diesen einmaligen Ausnahmecharakter und führe letztlich zu einer "fortlaufenden Anpassung", warnte Glück.

Auch Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) ist gegen eine Verschiebung des Stichtags. Sie sagte: "Wir dürfen die Augen nicht davor verschließen, dass Stammzellen nur gewonnen werden können, wenn dazu ein menschlicher Embryo getötet wird."

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Fraktion, Volker Beck, sagte, bei einer Verschiebung des Stichtages wären "alle Dämme gebrochen." Er warnte davor, dass der Stichtag dann bei entsprechendem Bedarf der Forschung immer wieder weiter verschoben werden könnte.

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Lockern, verschärfen oder beibehalten?

2. Entwurf: Stichtag verlegen

Mit 185 Unterschriften konnte dabei ein Entwurf, der eine behutsame Lockerung des Gesetzes vertritt, bislang die meisten Unterstützer werben. Der Gesetzesentwurf, der von den Agbeordneten René Röspel (SPD) und Ilse Aigner (CSU) initiiert wurde, sieht eine Verschiebung des Stichtags für den Import von embryonalen Stammzellen auf den 1. Mai 2007 vor. Dadurch statt bisher rund 40 etwa 500 Stammzellenlinien für die Forschung in Deutschland zur Verfügung, sagt Röspel.

Kanzlerin Angela Merkel tritt entschieden für die Verschiebung des Stichtags ein und konnte auf dem CDU-Parteitag im Dezember 2007 eine Mehrheit der Delegierten für ihre Position gewinnen. Auch Forschungsministerin Annette Schavan (CDU) - wie auch alle anderen Bundesminister - unterstützt diesen Entwzurf, denn er bedeute "weder eine Liberalisierung noch einen Dammbruch".

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Lockern, verschärfen oder beibehalten?

3. Entwurf: Freiheit der Forschung

Ein vor allem von der FDP unterstützter Entwurf möchte den Stichtag ganz abschaffen und die Forschung weitgehend freigeben. Andreas Pinkwart, FDP-Parteivize und nordrhein-westfälische Forschungsminister, sagte: Je älter Stammzelllinien seien, desto weniger brauchbar seien sie für die Forschung. "Deshalb würde eine bloße Verschiebung des Stichtags lediglich kurzfristig die Forschungsbedingungen in Deutschland verbessern."

Cornelia Pieper, stellvertretende Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Bildung und Forschung und ebenfalls von der FDP, sagte: "Das kategorische Verbot durch einen Stichtag ist kontraproduktiv, es vereitelt jegliche Chance auf deutsche Spitzenforschung."

Dieser Extremposition wird allerdings keine Chancen bei der Abstimmung haben.

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Lockern, verschärfen oder beibehalten?

4. Entwurf: Aussteigen

Einer der Mahner, die bei der Debatte übriggeblieben sind, ist der CDU-Abgeordnete Hubert Hüppe. Er hat einen Gesetzesentwurf eingebracht, der angesichts der Erfolge der Forschung an Hautzellen einen Ausstieg aus der embryonalen Stammzellforschung fordert. Die Tötung menschlicher Embryonen verstoße gegen die Menschenwürde, argumentieren sie.

Dieser restriktiven Haltung schloss sich 2002 zunächst noch die relative Mehrheit der Abgeordneten an. Der Gesetzesentwurf unterlag erst im zweiten Wahlgang dem jetzt gültigen Kompromissvorschlag. Heute aber werden Hüppes Entwurf kaum Chancen zugerechnet. Extrempositionen finden im Parlament keine Mehrheiten mehr.

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