Süddeutsche Zeitung

Debatte über Folter:Dirty Harry im Weißen Haus

Weil Folterverhöre die USA auf die Spur zu Bin Laden brachten, lebt eine unselige Debatte neu auf: Führen Methoden wie das Waterboarding doch zum Ziel? Präsident Barack Obama bleibt zu dem heiklen Thema erstaunlich schweigsam und gibt so den Hardlinern erneut Gelegenheit, über die Effektivität von Folter zu diskutieren - nicht über ihre Moral.

Andrian Kreye

Das entscheidende Argument gegen die Folter, das sich nicht auf moralische Werte stützt, war bisher so einfach wie wirksam - Folter funktioniert nicht. Aussagen, die unter extremen physischen und psychischen Qualen abgegeben werden, bestehen zu einem Großteil nur aus Dingen, von denen der Gefolterte glaubt, dass sein Folterer sie hören will. Geheimdienstexperten aus kriegführenden Nationen wie den USA und Israel haben die Wertlosigkeit von Folterverhören immer wieder aufs Neue bestätigt. Diese Gewissheit scheint es nun nicht mehr zu geben. Allem Anschein nach führten Folterverhöre auf die entscheidende Spur zu Osama bin Laden.

Die Fakten dahinter sind noch umstritten. Angeblich waren es die Verhöre mit Khalid Scheich Mohammed, der die Ausführung der Anschläge des 11. September 2001 geplant hatte, sowie seinem Nachfolger Abu Faraj al-Libi, die auf die Spur des Kuriers von Osama bin Laden und letztlich nach Abbottabad führten. Mohammed wurde im Jahr 2003 ganze 183 Mal einem Waterboarding unterzogen.

Auch al-Libi hatte man so behandelt. Beide in CIA-Gefängnissen in Polen und Rumänien. Die Methode, einem Häftling ein Tuch über das Gesicht zu legen und ihn dann so lange mit Wasser zu überschütten, bis er glaubt zu ertrinken, wurde während der spanischen Inquisition entwickelt. Sie gilt als sogenannte weiße Folter, weil sie keine körperlichen Schäden verursacht. Wobei die psychischen Auswirkungen immens sind.

Als die ersten Berichte in Umlauf kamen, dass Waterboarding zum bisher größten Erfolg im Krieg gegen den Terror führte, dauerte es nicht lange, bis die einstigen Apologeten der Folter sich zu Wort meldeten. Im Wall Street Journal schrieb der Juraprofessor an der University of California in Berkeley John Yoo: "Präsident Bush baute die Vernehmungs- und Überwachungsprogramme auf, welche zu den Informationen führten, die den Erfolg dieser Woche brachten. Nicht sein Nachfolger."

Rhetorischer Hakenschlag

Und in einem rhetorischen Hakenschlag geißelt er Obama sogar noch moralisch: "Wie die Operation am Sonntag zeigte, will Obama Al-Qaida-Führer lieber töten, als sich mit den schwierigen Fragen auseinanderzusetzen, die ihre Inhaftierung mit sich brächte ...Er sollte die strafrechtlichen Ermittlungen gegen CIA-Agenten beenden und das Verhörprogramm wieder aufnehmen, das uns zu Bin Laden führte."

Nun war John Yoo 2001 bis 2003 im amerikanischen Justizministerium der Beamte, der die berüchtigten Memoranden zu "erweiterten Verhörmethoden" verfasste, die de facto eine juristische Billigung der Folter konstruierten. Auch Bushs einstiger Vize Dick Cheney meldete sich, er forderte unverhohlen, die Regierung müsse ihren Geheimdiensten "sämtliche Werkzeuge" zur Verfügung stellen, mit denen sie ihre Arbeit verrichten könnten.

Bushs Verteidigungsminister Donald Rumsfeld gab bekannt, dass drei Individuen von der CIA durch Waterboarding zur Herausgabe von Informationen gebracht worden seien, die bei der Suche nach Bin Laden essentiell gewesen seien. Der Subtext ist deutlich - wer foltert, gewinnt. Obamas Erfolg ist nichts als das Erbe all jener Programme und Methoden, für die Medien, Öffentlichkeit und die Rechtswissenschaften die Regierung um George W. Bush verteufelten. Wie man nun sieht, zu Unrecht.

Dabei ist es keineswegs bewiesen, dass Khalid Scheich Mohammed die entscheidenden Informationen wirklich beim Waterboarding preisgab. Mehrere Berichte gehen davon aus, dass er Bin Ladens Kurier mit dem nom de guerre Abu Ahmed al-Kuwaiti erst später bei ganz regulären Verhören in Guantanamo Bay identifizierte.

CIA-Chef Leon Panetta gab in einem Interview mit dem NBC-Nachrichtensprecher Brian Williams zwar zu, dass die CIA Waterboarding angewendet hatte. Ob die Methode allerdings zum Erfolg geführt hat, sei nicht nachzuweisen.

Die Gegenstimmen ließen nicht lange auf sich warten. Die New York Times erinnerte daran, was für großen weltpolitischen Schaden Bushs Folterprogramme angerichtet hatten. Der Direktor der Forschungsabteilung am Brookings Center in Doha, Shadi Hamid schrieb: "Die wahre Prüfung für eine Haltung gegen Folter ist es, sie abzulehnen, auch wenn sie funktioniert."

So argumentierte auch Matthew Alexander, ein ehemaliger Verhörspezialist der US Air Force, der auf der Webseite der Zeitschrift Foreign Policy festhielt, dass wir "über die Moral der Folter sprechen sollten, nicht über ihre Effektivität. Wenn die US-Infanterie im Kampf in die Enge getrieben wird, setzt sie ja auch keine chemischen Waffen ein, obwohl die sehr effektiv sind."

Bushs Vermächtnis, Obamas Erfolg

Präsident Obama blieb bisher erstaunlich schweigsam zum Thema. Es ist keine Frage, dass sein spektakulärer Coup ein Vermächtnis seines Vorgängers George W. Bush ist. Er ist aber vor allem das Ergebnis jahrelanger, mühseliger Geheimdienstarbeit. Es führt allerdings von vornherein auf eine falsche Spur, sich mit solchen Detailfragen zu beschäftigen. Dann landet man bald wieder bei den juristischen Winkelzügen der Bush-Regierung - wo die Folter denn nun beginnt und welche Methoden legitim sind.

Es kann keine Debatte über die Folter geben. Ihre Verteidigung läuft immer darauf hinaus, dass man Propaganda für eine schleichende Auflösung demokratischer Grundsätze und Werte betreibt. Doch die Versuchung ist groß. Jeder Staatschef, der mit Folter zum Ziel kommt oder für die gezielte Tötung eines Feindes gefeiert wird, muss den Dirty Harry in sich in den Griff bekommen. Das ist nun auch Barack Obamas Aufgabe. Ein deutliches Wort wäre ein Anfang.

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Quelle:
SZ vom 07.05.2011
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