Süddeutsche Zeitung

Debatte über Behinderung der Ermittlungen:Trumps Einflussnahme auf Comey: Korrupt oder naiv?

Lesezeit: 2 min

Von Johannes Kuhn

Hat Donald Trump versucht, die Justiz zu behindern und sich damit strafbar gemacht? James Comey wollte am Donnerstag auf diese Frage keine direkte Antwort geben. Als ehemaliger Ermittler beschränkt er sich auf das Sammeln von Fakten und Beweisen. In der Senatsanhörung erklärte der ehemalige FBI-Chef nur, er hoffe, dass Sonderermittler Robert Mueller "darauf hinarbeiten wird", die Motive des Präsidenten zu klären.

Mit der ausführlichen Aussage zu seinen Gesprächen mit dem US-Präsidenten hat Comey allerdings Details vorgelegt, die Juristen bewerten können. Vor allem das persönliche Treffen am 14. Februar steht im Mittelpunkt, als Trump seine Berater aus dem Raum schickte und laut Comey erklärt haben soll: "Ich hoffe, dass Sie es ermöglichen können, die Sache sein zu lassen und Flynn [der ehemalige Sicherheitsberater; Anm. d. Red.] laufen zu lassen."

Neil MacBride, ehemaliger Abteilungsleiter im Justizministerium und Bundesstaatsanwalt in der Obama-Ära, formuliert die zentrale Frage in Politico: "Mueller muss entscheiden, ob das nur ein Außenseiter-Präsident war, der naiverweise geltende Washingtoner Regeln gebrochen hat - oder ob die drei Unterhaltungen 'in korrupter Absicht' stattfanden, um Comey dazu zu bringen, die Flynn-Ermittlungen einzustellen."

Naivität könnte bei Trump durchaus im Spiel gewesen sein, so Julie O'Sullivan, ehemalige Bundesanwältin und heute Professorin an der Georgetown University. Allerdings habe der US-Präsident sowohl seinen Stellvertreter als auch den Justizminister vor dem Gespräch mit Comey aus dem Raum gebeten: "Das weist auf ein schlechtes Gewissen hin", so O'Sullivan zum Christian Science Monitor, "als plante er etwas zu tun, von dem andere Leute nichts wissen sollten."

Zudem, so ergänzt der Jura-Professor Jens Ohlin von der Cornell University, ergebe sich aus der späteren Entlassung Comeys und Trumps TV-Aussage, ihn wegen der Russland-Ermittlungen gefeuert zu haben, ein "aussagekräftiges" Gesamtbild. Nick Akerman, einst Staatsanwalt in der Watergate-Affäre, äußerte sich im Sender MSNBC noch deutlicher: "Du hast hier korrupte Absicht bis in den A... hinauf."

"Ich hoffe" als Drohung?

Mehrere Rechtsexperten weisen in einer Twitter-Debatte darauf hin, dass Gerichte allein die Verwendung von "Ich hoffe" im Gespräch mit Ermittlern oder Justizvertretern bereits häufiger als Behinderung der Justiz interpretierten - wenn die Aussage in einem entsprechenden Kontext getroffen wurde.

War also Trumps "Hoffnung", dass Comey Flynn laufen lässt, eine verklausulierte Drohung? Der ehemalige FBI-Chef erklärte am Donnerstag selbst, er habe Trumps Worte als eine Art "Anweisung" interpretiert. Die breiter gefasste Frage, ob der US-Präsident ihn jemals gebeten habe, die FBI-Ermittlungen zum russischen Einfluss auf die Wahlen 2016 einzustellen, beantwortete er mit den Worten: "Nach meinem Verständnis nicht."*

Verkompliziert wird die Lage durch die Stellungnahme von Trumps Anwalt Marc Kasowitz: Der Präsident habe "niemals, direkt oder sinngemäß, Mr. Comey angewiesen oder ihm vorgeschlagen, dass er gegen irgendjemanden nicht ermitteln soll - inklusive des Vorschlags, dass Mr. Comey 'Mr. Flynn laufen lässt'", erklärte er nach der Senatsanhörung. Dies lässt sich als direkter Zweifel an Comeys Wiedergabe des Gesprächs interpretieren - oder aber nur als Dementi einer "korrupten Absicht", die für den Tatbestand der Justizbehinderung zentral wäre.

Keine Bewegung bei den Republikanern

Bislang wurde noch nie ein US-Präsident angeklagt, während er das Amt innehatte. Ein politisches Amtshebungsverfahren wäre nur mit Zustimmung vieler Republikaner im Kongress möglich. Aus den Reihen der Abgeordneten und Senatoren gab es am Donnerstag aber keinerlei Signale, dass die Konservativen öffentlich vom Präsidenten abrücken könnten.

Ein Kongressabgeordneter bezeichnete Trumps versuchte Hilfe für Flynn als "normale menschliche Reaktion", andere schwiegen einfach oder schlossen sich dem Narrativ von Repräsentantenhaussprecher Paul Ryan an: Trump sei als Newcomer noch nicht mit allen Regeln des politischen Betriebes vertraut und lerne noch.

Was habe man auch anderes erwartet, so der offizielle Tenor aus den Reihen der Republikaner - wer einen Geschäftsmann wähle, bekomme eben keinen ausgereiften Politiker.

*Absatz am 9. Juni geändert, da es sich bei den Aussagen nicht um einen Widerspruch handelte.

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