Gesetz soll am 18. Oktober verabschiedet werden:CDU und CSU steuern beim Betreuungsgeld auf Kompromiss zu

Die einen wollen es unbedingt, die anderen auf gar keinen Fall. Das Betreuungsgeld ist eines der umstrittensten Projekte der schwarz-gelben Koalition. Nun macht CSU-Chef Seehofer zum ersten Mal Zugeständnisse. Und auch die Führung der Unionsfraktion will den parteiinternen Kritikern entgegenkommen.

Robert Roßmann, Berlin

In den Streit um das Betreuungsgeld kommt nach monatelangem Stillstand Bewegung. An diesem Freitag findet im Bundestag die Anhörung zu dem Gesetzentwurf statt. Außerdem zeichnet sich ein Kompromiss in der unionsinternen Auseinandersetzung ab. CSU-Chef Horst Seehofer machte am Donnerstag zum ersten Mal Zugeständnisse. Gleichzeitig scheint die Spitze der Unionsfraktion den parteiinternen Kritikern des Betreuungsgeldes mit einer besseren Anrechnung von Kindererziehungszeiten bei der Rente entgegenkommen zu wollen. Auf dieser Grundlage könnte - nach jahrelangen Debatten - das Betreuungsgeld am 18. Oktober vom Bundestag beschlossen werden.

Zeitung: Betreuungsgeld kommt am 6. Juni ins Kabinett

Es ist eine schwarz-gelbe Großbaustelle, das umstrittene Betreuungsgeld. Nun scheinen CDU und CSU zu einem Kompromiss bereit zu sein. 

(Foto: dapd)

Union und FDP hatten sich auf Wunsch der CSU bereits im Koalitionsvertrag 2009 darauf verständigt, für Eltern, die ihr Kind nicht in eine staatlich geförderte Krippe geben, im Jahr 2013 ein Betreuungsgeld einzuführen. Im November vergangenen Jahres vereinbarte der Koalitionsausschuss dann auch Details: Die neue Leistung soll zunächst nur 100 Euro monatlich betragen und lediglich den Eltern einjähriger Kinder zugutekommen. Von 2014 an sollen dann 150 Euro für ein und zwei Jahre alte Kinder gezahlt werden. Seit der Sitzung des Koalitionsausschusses dringt die CSU auf eine bedingungslose Umsetzung des Beschlusses. Die Christsozialen hoffen, mit dem Betreuungsgeld bei der für sie schicksalhaften bayerischen Landtagswahl 2013 reüssieren zu können.

Ende März teilten dann jedoch 23 CDU-Bundestagsabgeordnete ihrem Fraktionschef Volker Kauder mit, dass sie dem Betreuungsgeld in dieser Form nicht zustimmen werden. Damit hätte die Koalition im Bundestag dafür keine Mehrheit mehr. Auch die "Gruppe der Frauen" in der Unionsfraktion lehnt die neue Familienleistung vehement ab. Die FDP hat ebenfalls erhebliche Vorbehalte.

Die koalitionsinternen Kritiker sowie alle Oppositionsfraktionen befürchten durch das Betreuungsgeld Fehlanreize. Eltern in prekären oder bildungsfernen Verhältnissen könnten sich wegen der Geld-Leistung dafür entscheiden, ihr Kind nicht in eine Krippe zu geben - obwohl gerade diese Kinder vom Besuch einer solchen Einrichtung besonders profitieren würden. Außerdem beklagen die Kritiker die Kosten von mindestens 1,2 Milliarden Euro jährlich. Das Geld sollte ihrer Ansicht nach besser für den Krippenausbau genutzt werden.

Seehofer sagte nun während seines Israel-Besuchs, wenn bei der Anhörung zum Betreuungsgeld "Vorschläge kommen, die die Praxistauglichkeit erhöhen, werden wir darüber reden". Dies könne etwa für den Vorschlag gelten, die Auszahlung der neuen Leistung an regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen der Kinder beim Arzt zu koppeln. "Das wäre ein Punkt, womit man sich anfreunden könnte", sagte Seehofer. Die für den Gesetzentwurf zuständige Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) hatte eine solche Verknüpfung bereits im Frühjahr vorgeschlagen.

"Entgeltpunkte" für die Erziehung

Durch die Pflicht zur Vorsorge wäre zumindest sichergestellt, dass alle Kinder - und nicht nur die in Krippen - regelmäßig kontrolliert werden. Die CSU hatte dies bisher vehement abgelehnt. Zum einen sah sie dadurch die Mehrheit der Eltern ungerechtfertigt unter einen Generalverdacht gestellt. Zum anderen befürchtete die CSU, dass das Gesetz durch eine solche Regelung im Bundesrat zustimmungspflichtig werden könnte - denn bei der Vorsorge sind Landesbehörden involviert. Im Bundesrat haben Union und FDP aber keine Mehrheit, die Opposition könnte das Gesetz also stoppen. Auf Druck der CSU musste Schröder deshalb im Mai die Koppelung an die Vorsorgeuntersuchungen aus ihrem Gesetzentwurf streichen.

Nun haben die Christsozialen ihre Auffassung überraschend geändert. Seehofer sagte, "nach allen bisherigen Prüfungen" würde durch eine Koppelung "die Zustimmungspflicht nicht ausgelöst". Sicherheitshalber will er aber von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) noch bestätigt bekommen, dass dem tatsächlich so ist.

Die unionsinternen Kritiker sollen anscheinend auch mit einem zweiten Entgegenkommen besänftigt werden. Offenbar will die Führung der Unionsfraktion Väter und Mütter, die Kinder erzogen haben, in der Rentenversicherung besserstellen. Dies betrifft vor allem Frauen. Dabei geht es um die Altersversorgung von Eltern, deren Kinder vor 1992 geboren wurden. Diese Eltern sind bisher deutlich schlechtergestellt als die von jüngeren Kindern. Von dem höheren Rentenanspruch würden anders als beim Betreuungsgeld auch diejenigen profitieren, die ihr Kind in eine Krippe geben. Außerdem würde dies auch die derzeit heftig diskutierte Altersarmut künftiger Rentner reduzieren.

Bisher werden Eltern in der Rentenversicherung unterschiedlich viele "Entgeltpunkte" für die Erziehung angerechnet. Für Kinder, die nach dem 1. Januar 1992 geboren sind, gibt es drei Punkte - für alle älteren Kinder nur einen Punkt. Die monatliche Rente für die Erziehung eines vor 1992 geborenen Kindes würde bei einer Angleichung an die Regelungen für jüngere Kinder um etwa 50 Euro steigen.

Die CDU hatte schon auf ihrem Bundesparteitag 2003 entsprechende Änderungen beschlossen, bisher waren sie jedoch nicht durchgesetzt worden. Acht Jahre später, auf dem CDU-Parteitag im November 2011, brachte die Frauen-Union das Thema erneut auf die Agenda. Die Delegierten beauftragten daraufhin die Bundestagsfraktion, "die Anerkennung von Erziehungsleistungen in der Rente auf der Grundlage des Beschlusses vom Parteitag 2003 weiter zu verbessern". Dies will Kauder jetzt offenbar tun. Auch Horst Seehofer signalisierte am Donnerstag seine Unterstützung.

Die Zustimmung zum Betreuungsgeld würde den Unionsfrauen also mit der Koppelung an die Vorsorge-Untersuchungen und dem höheren Rentenanspruch versüßt. Bereits Anfang Juli hatte das Familienministerium den Ländern zusätzlich 580 Millionen Euro für den Krippenausbau zur Verfügung gestellt. In der Spitze der Unionsfraktion geht man deshalb davon aus, dass das Betreuungsgeld in der Sitzungswoche Mitte Oktober mit ausreichender Mehrheit beschlossen wird.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: