Debatte in den USA:Polit-Spiel um TTIP

TTIP USA

Zweifel bei Gewerkschaftern, aber das politische Washington ist für TTIP.

(Foto: Pete Marovich/Bloomberg)

Die USA finden schrankenlosen Handel mit der EU toll? Nicht unbedingt, auch in Amerika gibt es eine Protestbewegung. Aber die Nähe der US-Politik zur eigenen Industrie macht einen großen Unterschied.

Von Johannes Kuhn, San Francisco

Nicht Welten, sondern Worte trennen die beiden Seiten: Wer in den USA das Transatlantische Freihandelsabkommen unterstützt, spricht von TTIP. Wer es ablehnt, redet meist von Tafta.

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"Hoffnung oder Hysterie: Was bedeutet das Freihandelsabkommen TTIP für uns?" Diese Frage hat unsere Leser in der sechsten Abstimmungsrunde des Projekts Die Recherche am meisten interessiert. Dieser Beitrag ist Teil eines Dossiers, das sie beantworten soll. Alles zur TTIP-Recherche finden Sie hier, alles zum Projekt hier.

Beide Abkürzungen meinen dasselbe, doch natürlich geht es um die Deutungshoheit: Tafta, das erinnert nicht nur zufällig an Nafta, jenes Nordamerikanische Freihandelsabkommen zwischen den USA, Mexiko und Kanada aus dem Jahr 1994.

Nafta ist das große uneingelöste Globalisierungsversprechen an die Amerikaner: Uneingeschränkter Handel mit den Nachbarn brachte den US-Bürgern entgegen den Beteuerungen ihrer Regierung nicht besonders viele Vorteile. Im Gegenteil: 700 000 Jobs, meist in der Industrie, gingen einer Studie des Economic Policy Institutes zufolge verloren. Unternehmen wiederum profitierten von neuen Zulieferer-Ketten und konnten mit der Drohung, nach Süden abzuwandern, die Löhne drücken.

Was, wenn es um Arbeitnehmerrechte ginge?

Seitdem sind viele Amerikaner misstrauisch, wenn sie von neuen Handelserleichterungen hören. "Das Beispiel zeigt: Wenn privater Profit ins Zentrum politischer Entscheidungen rückt, kommt am Ende nichts Gutes dabei raus", sagt Celeste Drake vom Gewerkschaftsdachverband AFL-CIO, der 11,6 Millionen Mitglieder vertritt. Und im Moment passiere womöglich genau das wieder in den Tafta/TTIP-Verhandlungen, sagt Drake.

Dabei fürchten US-Kritiker weniger den Verlust von Arbeitsplätzen, zu ähnlich sind sich Vereinigte Staaten und Europäische Union. "Theoretisch könnten amerikanische Arbeitnehmer sogar davon profitieren, wenn man sich in dem Abkommen an den europäischen Schutzgesetzen orientiert", sagt Drake. Doch in der Praxis seien die US-Verhandler vor allem an Deregulierung interessiert und würden die Interessen der Unternehmer vertreten.

"Der gesamte Prozess läuft falsch", sagt Gynnie Robnett, Sprecherin der Coalition for Sensible Safeguards, einem Verbraucherschutz-Bündnis, "Großunternehmen und Handelskammer haben maßgeblich den Rahmen dessen festgelegt, was überhaupt diskutiert wird." Die Vereinigung aus Verbrauchergruppen, Umweltschützern, Gewerkschaften und Religionsgruppen fordert bereits seit längerem größere Transparenz und mehr Mitspracherechte.

Ängste ähneln denen in Europa

Dabei bezweifeln die Gegner vor allem, dass das Abkommen der Allgemeinheit nutzen würde: "In vielen Bereichen funktionieren Einzelabmachungen, wie das bilaterale Flugsicherheits-Abkommen zeigt", sagt Robnett. Auf seiner Webseite listet das Bündnis auf, welchen "Bedrohungen" Tafta durch die Hintertür Einlass gewähren würde.

Sie befürchten neben einer Rücknahme der Wall-Street-Reformen, die Banken strenger reguliert, auch die Aushebelung von Gesetzen zur Lebensmittel- und Medikamentensicherheit und die "Invasion" der digitalen Privatsphäre. Das Szenario ähnelt dem, das europäische TTIP-Kritiker zeichnen - nur dass in diesem Fall viele Standards des alten Kontinents als mangelhaft dargestellt werden.

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