Süddeutsche Zeitung

Debatte der Republikaner:Aufstand der Anti-Trumps

CNN stiftet die Kandidaten in der TV-Debatte zu Streitereien an, dabei überzeugt Carly Fiorina mit ernster Sachlichkeit. Donald Trump ist blank - doch stört das die Wähler?

Von Johannes Kuhn, San Francisco

Hinter dem Podium thront die Air Force One, in der einst Ronald Reagan durch die Welt flog. Auf der Bühne wälzen sich die Kandidaten der Republikaner und werfen Schlamm aufeinander. Natürlich nur im übertragenen Sinne, doch die ersten Minuten der CNN-Debatte sind ein fröhliches Chaos.

Rand Paul: "Mr. Trump hat etwas Angeberhaftes, das unterhaltsam ist."

Donald Trump: "Ich habe noch nie etwas über das Aussehen von Rand Paul gesagt, obwohl es da einiges an Stoff gäbe." Und: "Praktisch alles, was ich angepackt habe, war erfolgreich."

Scott Walker: "Nur weil Donald Trump etwas sagt, heißt das nicht, dass es wahr ist."

John Kasich: "Wenn ich das hier zuhause anschauen würde, ich würde abschalten."

Die CNN-Zuschauer werden in diesen drei Stunden und 15 Minuten wahrscheinlich häufiger damit liebäugeln, abzuschalten. Elf Kandidaten debattieren, streiten und werfen häufig allzu wilde Behauptungen in den Raum. Und das Moderatoren-Team um Jake Tapper? Ordnet die Debatte nicht anhand von Fakten, sondern genießt es, die Kandidaten gegeneinander auszuspielen, um leicht verdauliche TV-Clips für später zu erzeugen. Wenn es einen Verlierer dieser Debatte gibt, dann ist es CNN.

Offensichtliche Schwächen bei Publikumsliebling Trump

Und doch lassen sich aus der Diskussion natürlich Schlüsse ziehen, gibt es Momente der Sachlichkeit. Genau in diesen wird die Schwäche von Donald Trump offensichtlich, der immer noch die Umfragen anführt.

Ob Außenpolitik oder konkrete Fragen zu seiner geplanten Abschiebung von Millionen Latinos: Wenn es um echte Vorschläge geht, hat er wenig zu sagen, auch wenn ihn seine schlechte Vorbereitung auf den Abend offenbar wenig kümmert.

"Ich werde mehr darüber wissen", verspricht er einmal für den Fall, dass er ins Weiße Haus einzieht. Ansonsten flüchtet er sich in Grimassen und das Versprechen, für alles Lösungen zu finden. Eigentlich müsste ihm dieser Auftritt in Umfragen schaden, doch die Wahrheit ist: Im Spätsommer 2015 weiß niemand, ob den konservativen Wählern das nicht einfach egal ist.

Starker Auftritt der einzigen Kandidatin

Der Gegenpol zu Trump ist Carly Fiorina. Die ehemalige Chefin von Hewlett-Packard wirkt konzentriert und - ja, das ist keine Selbstverständlichkeit an diesem Abend - auch über Details im Bilde. Innenpolitisch liegt sie auf der derzeit gängigen Linie der Kandidaten (Anti-Obamacare, Anti-Steuern, Anti-Abtreibung, Anti-Atomabkommen mit Iran), in der Außenpolitik gibt sie sich als Neokonservative - zur Abschreckung Russlands würde sie wieder Truppen in Deutschland stationieren.

Und auch mit Trump geht sie souverän um. Der hatte ihr Gesicht für unwählbar erklärt. "Ich glaube, dass alle Frauen in diesem Land sehr genau gehört haben, was Mr. Trump gesagt hat", entgegnet sie darauf angesprochen und erhält lauten Applaus. Der Immobilien-Unternehmer windet sich mit dem lahmen Kompliment heraus, sie habe ein "schönes Gesicht" und sei "eine schöne Frau". Dafür gibt es weder Lacher noch Applaus.

Jeb Bush wirkt an diesem Abend angriffslustiger als sonst, legt sich mit Trump an, wenn auch nicht immer erfolgreich. Er verteidigt die Präsidentschaft seines Bruders ("Er hat dafür gesorgt, dass Amerika sicher ist") und seine relativ liberale Haltung zur Einwanderung. Er gibt sogar zu, vor 40 Jahren Marihuana geraucht zu haben. Und doch wirkt er weiterhin nicht wie jemand, der vor kurzem noch als Favorit gegolten hatte.

Dynamischer wirkt ein anderer Kandidat aus Florida: Marco Rubio. Der junge Senator profiliert sich als Politiker der nächsten Generation und untermauert seine Ambitionen mit Detailkenntnissen in der Außenpolitik. Dass er damit auftrumpfen kann, sagt viel über das Niveau der häufig oberflächlichen Debatte, in der sich viele Kandidaten allzu oft auf beliebte Feindbilder wie Washington, Barack Obama und Hillary Clinton zurückziehen - und sich nur in Nuancen ihrer ultrakonservativen Politikvorschläge unterscheiden.

Der Konformismus im Extremen ist zwar typisch für den Vorwahlkampf, hat aber weiter eine irritierende Note. Nur Chris Christie hält Klimawandel für ein Problem, die beiden Ärzte Rand Paul und Ben Carson können sich nicht einmal dazu durchringen, Impfungen vollends zu befürworten.

Alle Kandidaten träumen von einem Amerika, das nicht mehr existiert

Und über jedem Satz schwebt der Traum eines Amerikas, in dem die Entwicklungen der Obama-Ära rückgängig gemacht werden können, von der Gesundheitsreform über Amerikas machtpolitische Enthaltsamkeit bis zur gleichgeschlechtlichen Ehe.

In Reagans Präsidenten-Bibliothek, nicht weit von der CNN-Bühne entfernt, befindet sich ein Nachbau des Oval Office. Die Einrichtung stammt noch aus der Reagan-Ära. Es ist ein Ort für Nostalgiker. Diesen Anschein hinterlässt im Spätsommer 2015 auch das Feld der Republikaner.

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