Ein Verbotsverfahren gegen die AfD bleibt im Bundestag umstritten. Bei einer emotionalen Plenardebatte zeigte sich, dass die Meinungsverschiedenheiten mitunter quer durch die einzelnen Parteien gehen. Der CDU-Abgeordnete Marco Wanderwitz betonte, der deutsche Staat könne die AfD nicht länger ertragen, „ohne langfristig irreparablen Schaden an seiner Substanz zu nehmen“. Sein Parteikollege Philipp Amthor warnte hingegen vor der Gefahr, dass sich die AfD bei einem Scheitern des Verfahrens „ein demokratisches Gütesiegel anheftet, das ihr nicht zusteht“.
Wanderwitz ist der Initiator eines fraktionsübergreifenden Gruppenantrags, dem sich mehr als 120 Parlamentarier angeschlossen haben. Sie wollen erreichen, dass der Bundestag beim Bundesverfassungsgericht ein Parteienverbot beantragt. Kritiker halten ein derartiges Vorgehen wenige Wochen vor der Neuwahl des Bundestags allerdings für überstürzt.

Migration:Merkel distanziert sich vom Verhalten ihrer Partei
Altkanzlerin Angela Merkel kritisiert, dass CDU-Chef Friedrich Merz „sehenden Auges erstmalig bei einer Abstimmung im Deutschen Bundestag eine Mehrheit mit den Stimmen der AfD“ ermöglicht hat.
Deshalb gibt es einen weiteren Antrag, der von zahlreichen Grünen-Abgeordneten getragen wird. Darin ist zunächst ein Gutachten vorgesehen, um eine mögliche Verfassungswidrigkeit der AfD zu prüfen. Renate Künast erklärte als Wortführerin der Antragsteller, selbst wenn der Verfassungsschutz die Partei als extremistisch einstufe, erfülle das noch nicht das Kriterium der Verfassungswidrigkeit, das für ein Antragsverfahren benötigt werde.
Noch skeptischer zeigte sich FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle. Er sagte, schon jetzt gebe es bei vielen Menschen eine Entfremdung zu den Institutionen der liberalen Demokratie. Diese Entwicklung würde durch ein Verbotsverfahren nicht beendet, sondern noch verstärkt.
Der AfD-Parlamentarier Peter Boehringer bezeichnete die Forderung nach einem Verbot seiner Partei naturgemäß als absurd: „Selbstverständlich liegt der AfD in ihrer gesamten Breite nichts ferner als die Verletzung des Demokratieprinzips.“
Ob über die Anträge noch vor der Bundestagswahl am 23. Februar entschieden wird, ist offen. Sie wurden zu einer besonderen Zeit beraten. Am Mittwoch hatte der Bundestag einen von Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz vorgelegten Fünf-Punkte-Plan für eine schärfere Migrationspolitik knapp mit Stimmen von CDU/CSU, AfD, FDP und Fraktionslosen beschlossen. Erstmals beschaffte die AfD dabei im Plenum eine Mehrheit. Am Freitag, gut drei Wochen vor der Bundestagswahl, stimmt das Parlament über einen Gesetzentwurf der Union ab, der konkrete Regelungen zur Eindämmung der Migration enthält. AfD, FDP und BSW signalisierten ihre Zustimmung.
CDU-Politiker Wanderwitz kritisierte die Abstimmung. „Ich bin nicht glücklich mit dem, was gestern passiert ist, um nicht zu sagen, sehr unglücklich“, sagte er RTL/ntv. Im Gespräch mit dem Deutschlandfunk verteidigte Wanderwitz die Debatte über ein Verbot der AfD noch vor der Bundestagswahl im Februar. „Wenn uns das Verbotsverfahren nicht auf Sicht gelingt, dann können wir im Grunde die weiße Fahne hissen.“ Ihm falle „nicht sonderlich viel mehr ein, was man tun kann“.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser von der SPD mahnte zur Zurückhaltung. „Im Moment, vor einer Bundestagswahl, ist es wichtig, zu sagen, was will diese Partei eigentlich“, sagte sie. Bislang sei die AfD lediglich ein rechtsextremer Verdachtsfall – es gebe noch keine Einstufung als gesichert rechtsextrem durch den Verfassungsschutz. Wanderwitz kritisierte, dass der Verfassungsschutz vor der vorgezogenen Bundestagswahl kein aktuelles Gutachten mit einer Einschätzung zu der Partei mehr vorlegen werde. „Wir halten die Rechtsauffassung, dass man so kurz vor einer Wahl nichts sagen darf, dezidiert für falsch“, betonte er.