Süddeutsche Zeitung

De Maizière und die Euro-Hawk-Affäre:Von Merkels Liebling zum Problemfall

Verteidigungsminister de Maizière galt lange als verlässliche Größe in der schwarz-gelben Koalition. Manche sahen in ihm gar den nächsten Kanzler. Doch das gescheiterte Drohnenprojekt "Euro Hawk" setzt ihm zu. Eine Chronologie der Ereignisse seit dem Bekanntwerden der Affäre.

Mehr als zwei Monate ist es jetzt her, dass Verteidigungsminister Thomas de Maizière das Scheitern des Euro-Hawk-Projektes eingestehen musste. Seitdem steckt er in der bisher größten Krise seiner politischen Laufbahn. Eine Chronologie der Ereignisse.

Dienstag, 14. Mai 2013

Die Affäre nimmt ihren Anfang. Die breite Öffentlichkeit erfährt erstmals, dass es mit dem Bundeswehr-Drohenprojekt Euro Hawk ein massives Problem gibt. Das Verteidigungsministerium kündigt an, aus dem Projekt auszusteigen und die eigentlich geplanten fünf Drohnen nicht anzuschaffen. Es verabschiedet sich damit von einem Projekt, das erst in einem kürzlich erschienenen Bericht als "strukturrelevantes Hauptwaffensystem der Streitkräfte" bezeichnet worden war. Der Grund für das Aus: Es gebe Schwierigkeiten bei der Zulassung für den europäischen Luftraum. Mehr als 500 Millionen Euro hat das Projekt bis dahin gekostet. Selbst unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die entwickelte Aufklärungstechnik wohl in einem anderen Fluggerät verwendet werden kann, spricht die Opposition von mehr als 300 Millionen Euro, die umsonst ausgegeben wurden.

Mittwoch, 15. Mai

Bei einer Sitzung des Verteidigungsausschusses am Mittwoch ist de Maizière selbst nicht anwesend. Vertreter seines Ministeriums und der Bundeswehr müssen sich allerdings von den Abgeordneten deutliche Kritik gefallen lassen. Die Grünen kritisieren, dass die Probleme beim Euro-Hawk im Ministerium intern schon lange bekannt waren: "Nach jetzigem Stand ist mindestens zwei Jahre weitergearbeitet worden, obwohl klar war, dass dieses System nicht mehr kommen wird", sagt der Grünen-Verteidigungspolitiker Omid Nouripour. Die Linke fordert sogar de Maizières Rücktritt.

Donnerstag, 16. Mai

Im Bundestag gibt de Maizière eine Regierungserklärung ab. Doch statt über Erfolge bei der Neuausrichtung der Bundeswehr berichten zu können, muss er sich wegen des Euro-Hawk-Debakels unangenehmen Fragen der Opposition stellen. Auf das gescheiterte Drohnenprojekt geht der Minister in seiner Rede nur kurz ein: "Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende", sagt de Maizière. Man werde das Vorgehen beim Euro-Hawk-Projekt genau dokumentieren.

Samstag, 18. Mai

Es werden weitere Details zur Affäre bekannt: Schon seit 2004 soll die Bundeswehr gewusst haben, dass die Zulassung für die Drohne gefährdet ist, weil das System nicht über einen Schutz verfügt, der Kollissionen mit anderen Flugkörpern verhindert. Trotzdem wurde 2007 der Liefervertrag für Euro Hawk unterschrieben

Dienstag, 21.Mai

Ulrich Kirsch, der Vorsitzende des Bundeswehrverbands, schaltet sich in die Debatte ein: "Euro Hawk ist eine Geschichte von Versäumnissen, Unerklärlichkeiten und unerhörten Vorgängen". Kirsch fordert "schnellstmögliche Aufklärung" vom Minister. "Hilfreich" bei der Aufklärung könne ein Untersuchungsausschuss sein, sagte Kirsch.

Dienstag, 28. Mai

De Maizière legt den Bundestagsfraktionen eine umfangreiche Materialsammlung zum Euro-Hawk-Projekt vor. Das älteste Dokument auf der Daten-CD stammt aus dem April 2004, also noch aus der Zeit der rot-grünen Regierung, die das Projekt Euro Hawk in die Wege geleitet hatte.

Mittwoch, 5. Juni

Nachdem er drei Wochen geschwiegen hat, tritt de Maizière vor den Verteidigungsausschuss. Er gibt dort an, von Zulassungsproblemen beim Euro Hawk habe er erst bei einer allgemeinen Besprechung am 1. März 2012 gehört. Sie seien ihm aber als "lösbar" dargestellt worden. Über die Entscheidung zum Ausstieg sei er am 13. Mai in Kenntnis gesetzt worden. Getroffen hätten die Entscheidung die beiden Staatssekretäre Stéphane Beemelmans und Rüdiger Wolf. Er habe sie nur noch gebilligt. Anschließend stellt sich der Minister den Fragen der Journalisten in der Bundespressekonferenz. Auch dort erweckt er den Eindruck, er selbst habe vom Ernst der Lage bis zum 13. Mai nichts gewusst.

Donnerstag, 6. Juni

Der Donaukurier berichtet, bei einem Redaktionsbesuch de Maizières am 7. Mai 2013 - also einer Woche vor der Entscheidung im Verteidigungsministerium - habe de Maizière bereits über das mögliche Aus des Euro Hawk gesprochen. Auf die Frage, ob und wie geplant fünf Euro-Hawk-Exemplare beschafft würden, sagte er: "Im Moment sieht es nicht so aus." Das Ministerium betont, dies widerspreche nicht den bisherigen Aussagen des Ministers. Schließlich habe es keine "an ihn gerichtete Vorlage" gegeben. Die Aussage beruhe auf "Hintergrundinformationen", wie er sie am 1. März 2012 "sowie auch später erhalten hat".

Freitag, 7. Juni

Der Minister erklärt, er habe "durchaus etwas von Problemen beim Euro Hawk gewusst". Entscheidend sei, "ob es unlösbare Probleme waren". Dies wird vom Ministerium nun zum zentralen Punkt erklärt.

Samstag, 8. Juni

Das Ministerium erklärt, es habe "Informationen aus Anlass verschiedener Gespräche, beispielsweise mit der Industrie, gegeben". Sie seien aber "allgemein gehalten" gewesen. Entscheidungen in einem Ministerium würden nicht "auf der Grundlage von Flurfunk, Randgesprächen oder Zurufen" getroffen, ebenso wenig "auf der Grundlage von Hintergrundpapieren".

Montag, 10. Juni

De Maizière berichtet im Verteidigungsausschuss von der Gesprächsvorlage für den Besuch von Vertretern der EADS-Tochter Cassidian, die für die Aufklärungselektronik beim Euro Hawk zuständig ist. Er wolle nun zunächst prüfen lassen, ob er sie dem Ausschuss zur Verfügung stellen könne.

Mittwoch, 12. Juni

Die SZ berichtet über den Inhalt der Gesprächsvorlage, die de Maizière am 10. Dezember 2012 persönlich abgezeichnet hat. Demnach musste dem Minister bereits damals klar sein, dass die Fachleute in seinem Haus und der zuständigen Behörde sich wegen der Zulassungsprobleme intensiv mit der Möglichkeit beschäftigten, die geplanten Drohnen durch Flugzeuge zu ersetzen. Aus "heutiger Sicht", heißt es, sei "die Beauftragung einer Euro-Hawk-Serie mit einem hohen finanziellen und in Teilen technischen Risiko verbunden". Zur Musterzulassung heißt es: "Die vorliegende Dokumentation lässt eine solche Zulassung nach den derzeit gültigen Normen nicht zu." Es werde daher "ein alternatives Zulassungsverfahren untersucht". Als die neuen Informationen bekannt werden, verweist das Ministerium abermals darauf, die Probleme seien damals "immer noch als lösbar anzusehen" gewesen.

Mittwoch 25. Juni

Langsam wird es unangenehm für de Maizière: Der Verteidigungsausschuss konstituiert sich als Untersuchungsausschuss, um die Vorgänge beim Euro Hawk zu untersuchen. Zunächst werden nur Zeitplan und Zeugenliste beschlossen. Viel Zeit bleibt nicht, bis September soll die Untersuchung abgeschlossen sein.

Freitag, 5. Juli

Nicht nur beim Euro Hawk gibt es massive Probleme: Wie der Spiegel vorab berichtet, wird auch das Kampfflugzeug Eurofighter erheblich teurer als bisher veranschlagt.

Freitag, 12. Juli

Ein der SZ vorliegendes internes Dokument aus dem Verteidigungsministerium legt nahe, dass de Maizière früher Kenntnis vom Ausmaß der Probleme hatte, als von ihm zugegeben. Die Vorlage stammt von Januar 2013 - damals gab es offenbar innerhalb von Ministerium und Bundeswehr Diskussionen über den Zeitpunkt eines möglichen Ausstiegs aus dem Euro-Hawk-Projekt. Detlef Selhausen, der zuständige Abteilungsleiter hat auf dem Papier vermerkt: "Der Minister erwartet bekanntermaßen zum 31. März 2013 (Eingang bei ihm) eine Entscheidungsvorlage mit klarer Aussage zur Zulassungsfähigkeit". Ein Widerspruch zu dem bisher von de Maiziére erweckten Eindruck, er habe beim Euro-Hawk-Ausstieg nur eine Entscheidung seiner Staatssekretäre gebilligt. Aus Ministeriumskreisen verlautet allerdings eine für die Minister entlastende Deutung des Dokuments: Demnach sei es im Haus ein durchaus gängiges Mittel, auf einen vermeintliche Anordnung des Minister zu verweisen, um intern Druck auszubauen, selbst wenn sich der Minister nie in diesem Sinn geäußert habe.

Freitag, 19. Juli

Und noch ein neues Dokument, das die Glaubwürdigkeit des Ministers in Zweifel zieht: Diesmal geht es um ein Papier, das zur Vorbereitung auf ein Gespräch de Maizières mit Koalitionspolitikern gedacht war. Darin heißt es, die Zulassung der Drohne gestalte sich "als extrem schwierig und riskobehaftet". Datiert ist es auf den 6. März 2013, de Maizière hat am 12. März abgezeichnet. Das Problem: Das widerspricht seiner Aussage, wonach er vor dem Stopp des Euro-Hawk-Projektes am 13. Mai nur ein einziges Mal von Zulassungsproblemen gehört haben will, nämlich bei einer Besprechung im März 2012.

Sonntag, 21. Juli

Einem Bericht der Bild am Sonntag zufolge, plant das Verteidigungsministerium, die Aufklärungsdrohne an die US-Weltraumbehörde Nasa oder die US-Luftwaffe zu verkaufen. Mit einem hohen Verkaufserlös werde allerdings nicht gerechnet.

Montag, 22. Juli

Der Untersuchungsausschuss zu Euro Hawk beginnt. Als erste Zeugen werden gehört: die beiden ehemaligen Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) und Franz Josef Jung (CDU) sowie der ehemalige Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan. De Maizières Vorgänger widersprechen dem amtierenden Minister: Beide sagen, sie seien von ihren Mitarbeitern regelmäßig über den Stand von Rüstungsprojekten informiert worden.

Mittwoch, 24. Juli

Eine Prüferin des Bundesrechnungshofes spricht im Untersuchungsausschuss von schweren Versäumnissen im Verteidigungsministerium. Man habe "die Probleme erkannt, aber die Tragweite der Risiken zu gering eingeschätzt". Bereits 2009 hätte das Ministerium das Milliardenprojekt wegen damals schon bekannter Zulassungsprobleme neu bewerten und einen Abbruch erwägen müssen. Die Leitung des Ministeriums sei über Jahre nicht über den Verlauf des Projekts im Bilde gewesen. Es gebe bei Projekten solcher Bedeutung "auch eine Holschuld, dass man sich in regelmäßigen Abständen informieren lässt".

Dienstag, 30. Juli

De Maizières Staatssekretäre Stéphane Beemelmans und Rüdiger Wolf übernehmen die Verantwortung für das Scheitern des Projektes und entlasten den Minister.

Mittwoch, 31. Juli

Jetzt muss der Verteidigungsminister selbst sich vor dem Untersuchungsausschuss rechtfertigen. Die Frage: Was wusste Thomas de Maizière wann über die Probleme beim Drohnenprojekt?

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