De Maizière und das Drohnen-Debakel:Mehr als ein Minister

De Maizière und das Drohnen-Debakel: Minister wie Thomas de Maizière sind für Regierungschefin Angela Merkel eine Art Vertrauenskapital.

Minister wie Thomas de Maizière sind für Regierungschefin Angela Merkel eine Art Vertrauenskapital. 

(Foto: AFP)

Thomas de Maizière ist eine Art Vertrauenskapital für die Regierung Merkel. Zwar lässt sich das Aus der Drohne "Euro Hawk" noch nicht auf den Fall des Verteidigungsministers reduzieren. Trotzdem muss er das Debakel nun vor dem Parlament lückenlos aufklären können. Er hat sich dafür mehr als zwei Wochen Zeit genommen. Militärisch gesagt: Der Schuss muss sitzen.

Ein Kommentar von Nico Fried, Berlin

Es sind noch wenige Monate bis zur Wahl, da steht einer der wichtigsten Minister der amtierenden Regierung unter großem Druck. Dabei geht es nicht um persönliche Schuld, sondern um politische Verantwortung. Vieles spricht dafür, dass der bürokratische Apparat nicht funktioniert hat, dass geschlampt und verheimlicht wurde.

Der Minister muss im Bundestag Rede und Antwort stehen, selbst der Koalitionspartner geht auf Distanz. So war das 2002, als das NPD-Verbotsverfahren an der Entdeckung früherer V-Männer gescheitert war und die politische Existenz von Innenminister Otto Schily in Gefahr geriet.

Wohl wahr: Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich. Aber es gibt Parallelen zwischen dem, was Angela Merkel derzeit wegen des Drohnen-Debakels mit ihrem Verteidigungsminister Thomas de Maizière erlebt, und dem, was ihr Vorgänger Gerhard Schröder vor elf Jahren mit Otto Schily durchmachte.

Die größte Gemeinsamkeit neben dem delikaten Zeitpunkt liegt darin, dass damals wie heute der Verlust des Ministers geeignet (gewesen) wäre, eine ganze Regierung ins Wanken zu bringen. In der Politik ist jeder ersetzbar, sagt man, aber das stimmt nur mit dem Zusatz: wenn auch nicht immer gleichwertig. Schon gar nicht kurz vor einer Wahl.

Otto Schily hat als Innenminister sieben Jahre lang mit harter Hand ein Themenfeld gesichert, auf dem die rot-grüne Koalition besonders anfällig erschien: die Sicherheitspolitik. Thomas de Maizière füllt im Kabinett Merkel eine Lücke, die man bei einer selbsternannten Regierung bürgerlicher Tugendhaftigkeit hingegen erst mal nicht vermutet hätte: In einer ruppigen, sich häufig blockierenden Koalition von bescheidenem öffentlichen Ansehen steht de Maizière als einer der ganz wenigen für Solidität.

Schon mit seiner Berufung zum Nachfolger des leichtfüßigen Karl-Theodor zu Guttenberg wollte Merkel diesen Eindruck herausstreichen. Leute wie de Maizière sind mehr als nur Minister. Sie sind eine Art Vertrauenskapital einer ganzen Regierung - und umso wertvoller, je weniger es von ihnen gibt.

Wer Gründlichkeit propagiert, muss auch lückenlos aufklären

Festzuhalten ist: Das Aus für die Drohne Euro Hawk lässt sich noch nicht auf einen Fall de Maizière reduzieren, sondern ist zunächst eine Blamage für das Verteidigungsministerium als Institution und dessen Beschaffungswesen. Der Vorlauf für Euro Hawk umfasst gut zehn Jahre, und das Drohnenprojekt war trotz frühzeitig bekannter Probleme bislang politisch zählebiger als alle Minister von CDU und SPD, die damit befasst waren. Der genaue Schaden lässt sich noch nicht beziffern, aber dass er Hunderte Millionen erreichen wird, steht außer Zweifel.

Hunderte Millionen Euro. Wie viel ist das eigentlich? Politik und Öffentlichkeit sind mit großen Summen ein wenig leichtfertig geworden, seit sich in der Finanz- und der Euro-Krise Bürgschaften und Kredite in Milliarden, mehrere Milliarden und schließlich zig Milliarden inflationierten. Aber bei Hunderten Millionen Euro darf man schon annehmen, dass das Konto für Risikokapital, das für die Entwicklung eines militärischen Instruments gewährt werden kann, deutlich überzogen wurde.

Und in der Bundeswehr muss man nicht weit gehen, um die Dimension des Schadens in ein Verhältnis zu setzen: zu den Beschränkungen der Truppe im Auslandseinsatz zum Beispiel, oder den Härten, die manchem Soldaten die Bundeswehrreform abverlangt.

De Maizière ist nicht verantwortlich für die Idee, Aufklärungsdrohnen anzuschaffen; er ist nicht verantwortlich für den Vertrag, der 2007 abgeschlossen wurde sowie dessen bizarre Geheimhaltungsklauseln.

Auf einen Fall de Maizière verengt sich das gescheiterte Projekt aber, wenn es für das Ziehen der Reißleine, dessen sich der Minister nun rühmt, schon viel früher in seiner Amtszeit ernsthafte Gründe gegeben hätte; wenn sich der Vorwurf der Opposition bewahrheiten sollte, dass an dem Projekt wider besseres Wissen festgehalten und der Bundestag unvollständig informiert wurde; wenn nicht, wie der Minister behauptet, jetzt größerer finanzieller Schaden verhindert, sondern schon zu lange zu viel finanzieller Schaden in Kauf genommen wurde.

Thomas de Maizière hat sich nun mehr als zwei Wochen Zeit genommen, bevor er dem Parlament Rechenschaft ablegen will. Wer Gründlichkeit vor Schnelligkeit propagiert, muss dann aber auch lückenlos aufklären können. Militärisch gesagt: Der Schuss muss sitzen.

Schily, das politische Urvieh, hat sich seinerzeit aus der Affäre gezogen, indem er in einer legendären Pressekonferenz drei hohe Beamte öffentlich bloßstellte und die Verantwortung ansonsten auf vielen Schultern verteilte, außer auf seinen. Es spricht für de Maizière, dass man sich so einen Auftritt bei ihm schwer vorstellen kann.

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