De Maizière: Rede zur Bundeswehrreform in Berlin:"Gravierende Mängel bei der Bundeswehr"

Harsche Kritik vom Verteidigungsminister vor Generälen: In Berlin rechtfertigt Thomas de Maizière mit einer schonungslosen Analyse seine Umbaupläne für die Streitkräfte. In der Bundeswehr gebe es zurzeit zu viele Stäbe, unklare Zuständigkeiten, zu viel Aufsicht für zu wenig Arbeit. Der Minister will im Zuge seiner Bundeswehrreform die Truppe um etwa ein Fünftel schrumpfen und die Führungsstrukturen deutlich straffen.

Zu Beginn vergangener Woche muss Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) in einer Sitzung des Fraktionsvorstands der Union einen "denkwürdigen Auftritt" hingelegt haben, so berichten es jedenfalls Teilnehmer. De Maizière habe eine "schonungslose Analyse" des Zustands der Bundeswehr abgegeben, heißt es. Ein Zitat machte die Runde: "Die Bundeswehr ist gegenwärtig nicht zu führen - auch nicht von mir", soll de Maizière gesagt haben, jener Minister, der in Berlin als Angela Merkels "bester Mann" gilt.

German Defence Minister de Maiziere presents his reform plans of German armed forces officers in Berlin

"Diese Lage erfordert Veränderung und zwar von allen": Bei seiner Rede in Berlin in der Julius-Leber-Kaserne spricht Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) deutliche Worte.

(Foto: REUTERS)

Es ist dies ein Grund, warum der Auftritt des Ministers an diesem Mittwoch mit besonderer Spannung erwartet worden war: Thomas de Maizière stellt vor Spitzenmilitärs und geladenen Gästen in der Julius-Leber-Kaserne in Berlin Eckpunkte des zweiten Teils der Bundeswehrreform vor. Zuvor hat er das Konzept dem Bundeskabinett präsentiert, die Ministerrunde habe die Pläne gebilligt, berichten Nachrichtenagenturen.

Die Rede des Verteidigungsministers wird auch im Fernsehen übertragen. Mit der Öffentlichkeit sollen also die Soldaten und die Mitarbeiter im Verteidigungsministerium informiert werden. Der Minister macht zu Beginn seiner Rede keinen Hehl aus seiner Einschätzung, die bereits vergangene Woche öffentlich geworden war: "Die Organisationen und Strukturen der Bundeswehr sind für ihren künftigen Auftrag unzureichend", sagt de Maizière vor den Gästen in der Kaserne. Im Publikum verschränken manche die Arme.

De Maizière tastet sich langsam an die Vorstellung seiner Umbaupläne heran, er würdigt die bisherige Arbeit der Bundeswehr. Dann aber spart er vor den hochrangigen Generälen nicht mit Kritik an der aktuellen Lage: "Wir haben zu viele Stäbe und zu viele Generalsterne, unklare Zuständigkeiten, Parallelstrukturen, zu viel Aufsicht für zu wenig Arbeit."

Verantwortung werde zu oft geteilt, zwischen den Hierarchien verschoben oder verweigert. "Wir haben zu viele Vorschriften und zu wenig Entscheidungen ohne Vorschrift." Dies gelte sowohl für das Ministerium wie auch für die zivile Verwaltung. De Maizière sprach von "gravierenden Mängeln" bei der Bundeswehr. Die Reformen in den vergangenen Jahren seien nicht ausreichend gewesen. "Diese Lage erfordert Veränderung und zwar von allen", sagte de Maizière.

Die Pläne sehen eine deutliche Verkleinerung der Streitkräfte vor: Geplant ist unter anderem, den Umfang der Truppe von derzeit 220.000 auf 170.000 zu reduzieren, was im Groben der Zahl entspricht, die de Maizières Vorgänger Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) angepeilt hatte. Anders als Guttenberg rechnet de Maizière aber nur mit etwa 5000 Freiwilligen. Von den 76.000 zivilen Stellen sollen nur 55.000 übrig bleiben.

Guttenberg erwähnt er nur kurz

Die Sparvorgaben für das Ressort bleiben bei 8,3 Milliarden Euro bis 2015. Allerdings konnte sich de Maizière offenbar mit Finanzminister Schäuble (CDU) auf eine Lockerung einigen - zumindest deutete dies der Minister in seiner Rede an. So soll der Verteidigungshaushalt weitgehend von den Versorgungslasten, die durch den Personalabbau entstehen, entlastet werden. "Belastungen des Verteidigungshaushalts durch die notwendige Neuausrichtung, insbesondere den Personalabbau, sollen vermieden werden", sagte de Maiziere.

Bezüglich der Standortschließungen soll erst im Oktober entschieden werden. Die Reform soll in sechs bis acht Jahren umgesetzt werden, der Großteil aber schon in den kommenden zwei Jahren.

Die Bundeswehrreform war vor einem Jahr von Guttenberg eingeleitet worden. In seiner Rede ging de Maizière nur kurz auf seinen Vorgänger ein, der wegen einer Affäre um Plagiate in seiner Doktorarbeit zurückgetreten war. Guttenberg habe die schon in der Koalitionsvereinbarung angelegte Neuausrichtung der Bundeswehr "entschlossen aufgegriffen und vorangetrieben", lobte er. "Das bleibt sein Verdienst".

Militäreinsätze nicht nur für deutsche Interessen

Neben den Eckplänen zur Reform ging de Maizière auch auf den künftigen sicherheitspolitischen Auftrag der Bundeswehr ein: Demnach müsse sich Deutschland militärisch stärker als bisher seiner internationalen Verantwortung stellen. "Wenn Wohlstand Verantwortung erfordert, dann gilt das auch für die deutsche Sicherheitspolitik", sagte der CDU-Politiker.

Die Vereinten Nationen würden Deutschland in Zukunft verstärkt um den Einsatz von Soldaten bitten, auch wenn keine unmittelbaren Interessen Deutschlands erkennbar seien. Für andere demokratische Staaten sei dies längst als Teil internationaler Verantwortung selbstverständlich. "Ich werbe dafür, dass wir auch unter diesem Gesichtspunkt die Anfragen nach Einsätzen bewerten", betonte de Maizière.

De Maizieres Reformpläne: Lob von der SPD

Positiv über die Reformpläne des CDU-Politikers hatte sich am Vormittag der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold geäußert: Er sehe in der Reform die Chance auf einen "Grundkonsens" zwischen den großen Parteien. "Dort, wo er (de Maizière) richtige Schritte geht, werden wir das nicht im parteipolitischen Kleinklein zerhacken", sagte er im ZDF. "De Maizière ist tatsächlich ein Minister, der zuerst einmal nachdenkt und dann redet, und das ist die richtige Reihenfolge", lobte Arnold. Der Minister bewege sich "in wichtigen Teilen auch auf sozialdemokratische Vorstellungen" zu.

Arnold kritisierte die Regierung allerdings als "uninspiriert" bei der Anwerbung von Soldaten und Freiwilligen für soziale Dienste. "Eigentlich wird die richtig gute gesellschaftliche Idee durch schlechtes Management von Anfang an kaputtgemacht", sagte er. Notwendig seien ideelle und materielle Anreize, etwa Bonuspunkte für die Studienplatzvergabe. In den Ländern gebe es dazu viele Vorschläge, doch die Bundesregierung spreche nicht mit ihnen. "Sie legt ein bisschen mehr Geld drauf, sowohl im Sozialen Jahr als auch bei der Bundeswehr, und wundert sich dann, dass sich keine jungen Menschen bewerben."

Auch der Grünen-Experte Omid Nouripour forderte die Regierung in der Neuen Osnabrücker Zeitung auf, die Attraktivität des freiwilligen Dienstes etwa durch Karrierechancen zu steigern.

Die FDP-Verteidigungspolitikerin Elke Hoff sagte: "Die Schieflage beim freiwilligen Wehrdienst hat in erster Linie der frühere Verteidigungsminister zu Guttenberg zu verantworten." Er habe die Wehrpflicht Anfang des Jahres und damit lange vor der gesetzlichen Regelung im Hauruck-Verfahren ausgesetzt.

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