Südafrika:Der Nobelpreisträger in Mandelas Schatten

Südafrika: Die gleiche Ehrung für zwei sehr verschiedene Politiker: Frederik Willem de Klerk (rechts) und Nelson Mandela 1993 bei der Verleihung des Friedensnobelpreises in Oslo.

Die gleiche Ehrung für zwei sehr verschiedene Politiker: Frederik Willem de Klerk (rechts) und Nelson Mandela 1993 bei der Verleihung des Friedensnobelpreises in Oslo.

(Foto: Jon Eeg/AP)

Zum Tod des früheren Präsidenten Frederik Willem de Klerk, der die Apartheid abschaffte und doch vielen suspekt geblieben ist.

Von Arne Perras

Nelson Mandela war der ewig Lächelnde, er hatte dieses gewinnende Wesen, das auch auf den Fotos zur Vergabe des Friedensnobelpreises im Jahr 1993 zu sehen war. Neben ihm stand damals jener Mann, der zusammen mit Mandela ausgezeichnet worden war, aber doch nicht wirklich strahlte, als er mit der Urkunde vor die Kameras trat. In diesem feierlichen Moment wirkte er fast hölzern: Frederik Willem de Klerk, letzter Präsident des Apartheid-Regimes in Südafrika.

Gemeinsam wurden die beiden Männer für "ihren Versöhnungswillen, ihren großen Mut und ihre persönliche Integrität geehrt": Eigenschaften, die maßgeblich dabei geholfen hatten, dass der Staat Südafrika, entgegen vieler schlimmen Erwartungen, nicht in die Katastrophe und einen langen Bürgerkrieg abglitt. Trotz einiger Unruhen und Anschläge schaffte das Land den Übergang vom menschenverachtenden Apartheid-Regime zu einem demokratischen System.

Später, in schon hohem Alter, sollte de Klerk allerdings noch Bemerkungen machen, die daran zweifeln ließen, ob er wirklich verstanden hatte, was die Apartheid für Millionen Familien bedeutete. Wie zerstörerisch sie für die große Mehrheit der Südafrikaner doch war.

Sicher ist, dass de Klerk als Staatspräsident von 1989 an einen Reformweg einschlug, der in den Reihen der herrschenden Weißen auf viele Widerstände stieß. De Klerk, der wie Mandela Jura studiert hatte, war aber offenbar überzeugt, dass die Verhältnisse den Weg diktierten und es gar keine Alternative zum Wandel gab, sollte das Land nicht in eine Katastrophe driften.

Er hob das Verbot des ANC und anderer Oppositionsparteien auf

Die langjährigen Sanktionen schädigten die Wirtschaft des Landes, der African National Congress (ANC) verschärfte im Untergrund seinen Kampf und Widerstand. Und bedeutsam wurde auch, dass gerade die Mauer in Berlin gefallen war; das ideologische Gebäude des Kalten Krieges brach damit zusammen, sodass es für Südafrika nicht mehr möglich war, den Kampf gegen den schwarzen Untergrund als Abwehr des Kommunismus zu rechtfertigen.

De Klerk las die Zeichen der Zeit und zog daraus seine Schlüsse. Der Staat konnte, so wie er war, nicht weitermachen. Er sah dies, obgleich - oder gerade weil - er selbst in diesem rassistischen System aufgestiegen war. In den Achtzigerjahren wechselte er von einem Ministerposten zum nächsten, kletterte die Karriereleiter bis ganz oben, 1989 wurde er Staatschef. De Klerk war damit nicht nur Profiteur der Apartheid, er verwaltete und gestaltete das System jahrelang maßgeblich mit.

Dazu passt, dass niemand damit rechnete, was de Klerk in seiner denkwürdigen Rede am 2. Februar 1990 ankündigte: Er ließ das Verbot des ANC und anderer Oppositionsparteien aufheben und ebnete so den Weg für das Ende der Apartheid. Seine Worte provozierten wütende Reaktionen unter weißen Abgeordneten, manche schmähten ihn als "Verräter". Doch de Klerk hielt Kurs.

Nelson Mandela kam wenige Tage später aus dem Gefängnis frei, 27 Jahre lang hatte ihn das Regime eingekerkert. Es gab Verhandlungen, die überschattet waren von Unruhen und Anschlägen; Kämpfe zwischen Zulus von der Inkatha Freedom Party und Anhängern des ANC schürten Angst vor einem Flächenbrand. Doch es gelang, die Gewalt rechtzeitig einzudämmen.

1992 ließ de Klerk ein Referendum abhalten, an dem nur Weiße teilnehmen durften. Sie stimmten mehrheitlich dafür, den eingeschlagenen Reformkurs fortzusetzen, was den Weg ebnete für die ersten freien Wahlen des Landes. Dabei triumphierte erwartungsgemäß der ANC, Mandela wurde erster Präsident im freien Südafrika, de Klerk einer seiner Vize. Danach verlor er allerdings recht rasch an Einfluss.

Viele Schwarze sahen in ihm einen Vertreter der Unterdrücker

1997 kündigte de Klerk seinen Rückzug aus der Politik an, was die Diskussionen um ihn, seine Rolle und auch seinen Blick auf das frühere Regime allerdings nicht beendete. Er selbst löste mit ambivalenten Aussagen immer wieder Debatten darüber aus. Zwar hatte de Klerk durch sein Auftreten vor der sogenannten Wahrheitskommission, die Südafrikas Vergangenheit aufarbeiten sollte, die politische Verantwortung für Menschrechtsverletzungen während der Apartheid übernommen. Er entschuldigte sich dafür. Gleichzeitig aber pochte er darauf, dass er selbst niemals gezielte Tötungen, Vergewaltigungen oder Überfälle durch den Sicherheitsapparat angeordnet habe. Er sprach nur vage davon, dass die Apartheidregierungen eben zu "unkonventionellen" Aktionen gegriffen hätten.

Was de Klerk wirklich wusste, blieb immer etwas unklar. Dass er mit Mandela den Nobelpreis erhielt, fanden längst nicht alle Schwarzen in Südafrika gut. Sie sahen Mandela als ihren Helden, de Klerk betrachteten sie als einen aus dem Lager der Unterdrücker. Erst vor wenigen Monaten wurden erneut Stimmen laut, die forderten, dass man doch etwas tiefer schürfen müsse, um zu klären, ob sich nicht auch de Klerk noch einmal der Justiz stellen müsse.

Im vergangenen Jahr machte de Klerk noch eine Bemerkung, aus der man erneut die ganze Widersprüchlichkeit seines Lebens herauslesen konnte. Seine Reformpolitik hatte er einmal damit begründet, dass die Apartheid moralisch nicht mehr zu vertreten gewesen sei, aber das ganze Ausmaß des Systems und was es in der schwarzen Bevölkerung anrichtete, schien er bis zuletzt verdrängt oder nicht richtig erfasst zu haben. 2020 zweifelte er also an, dass es sich bei der Apartheid um "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" gehandelt habe. Es hagelte Kritik, de Klerk entschuldigte sich eilig, sollten seine Bemerkungen "Verwirrung, Wut und Schmerz" ausgelöst haben.

Am Donnerstag starb de Klerk nach einem längeren Krebsleiden in seinem Haus in Kapstadt. Er wurde 85 Jahre alt.

Zur SZ-Startseite
Südafrikas ehemaliger Präsident de Klerk ist tot

MeinungSüdafrika
:Die Apartheid lebt

Frederik Willem de Klerk hat Südafrika den Übergang in ein demokratisches Heute ermöglicht. Ein Friedensengel? Nein, geläutert war er bis zu seinem Tod nicht - und das Land leidet weiter.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: