David McAllister im Gespräch:"Kontrollen vom Stall bis zum Teller"

Beschlossene Sache: Nach dem Versagen in Hannover werden die Kontrolle der Futtermittelbetriebe künftig in Berlin koordiniert. Niedersachsens Ministerpräsident McAllister im SZ-Gespräch über seine erste Bewährungsprobe.

Bund und Länder haben sich nach dem Dioxin-Skandal in einem Aktionsplan auf schärfere Kontrollen von Futtermitteln verständigt. Der Skandal ist für David McAllister die erste große Bewährungsprobe: Seit sechs Monaten regiert er Niedersachsen. Der Dioxinskandal trifft das Land hart, die Opposition wirft ihm Versagen vor.

Dioxin-Skandal - David McAllister

Mehr Kontrollen und mehr Kontrolleure, die die Futtermittelbetriebe überwachen, das fordert Niedersachsens CDU-Chef David McAllister.

(Foto: dpa)

Süddeutsche Zeitung: Herr Ministerpräsident, Niedersachsen ist Deutschlands größtes Agrar-Land. Wie dramatisch ist der Dioxin-Skandal für Sie?

David McAllister: Wir nehmen die Vorgänge außerordentlich ernst. Millionen von Verbrauchern sind verunsichert. Tausende von landwirtschaftlichen Betrieben geraten unverschuldet in finanzielle Not.

SZ: Die Bürger verlieren Vertrauen.

McAllister: Im Mittelpunkt unserer Bemühungen steht deshalb der Schutz der Verbraucher. Wir müssen sicherstellen, dass keine belasteten Lebensmittel auf den Markt gelangen. Wir brauchen rückhaltlose Aufklärung. Es ist wichtig, dass wir alle genau hinsehen und erkennen, dass nicht die Landwirtschaft generell unser Problem ist. Es geht um einige wenige, die sich unverantwortlich, skrupellos und kriminell verhalten haben. Alle sind stinksauer. Zu Recht.

SZ: Auf wen? Auf die kriminellen Panscher oder auf jene, die nicht genug kontrolliert haben?

McAllister: Auf die Kriminellen natürlich. Die muss der Staat mit aller Konsequenz verfolgen. Meines Erachtens sind hohe Strafen angemessen - auch als abschreckendes Signal. Die schwarzen Schafe müssen auch für die Zukunft aus dem Verkehr gezogen werden.

SZ: Die Bürger befürchten, dass die Kontrollen zu lasch sind.

McAllister: Die Aufdeckung des Falles beim Futtermittelwerk in Damme konnte nur deshalb erfolgen, weil die Kontrollen stringent durchgeführt wurden und weil auf die Ergebnisse zügig reagiert wurde. Die Staatsanwaltschaft wurde unverzüglich eingeschaltet und hat noch am Sonnabend Unterlagen beschlagnahmt. Zudem wurden vorsorglich die betroffenen Betriebe sofort gesperrt.

SZ: Also reichen die Kontrollen aus?

McAllister: Wir brauchen jetzt eine genaue Analyse und müssen die Kontrollmechanismen noch weiter verbessern.

SZ: Was heißt das?

McAllister: Wir brauchen eine lückenlose Kette vom Stall bis zum Teller. Die muss transparent und verlässlich sein. Die Zuständigkeit in der Lebensmittelüberwachung ist im Grundgesetz eindeutig geklärt. Jede Ebene muss ihre Verantwortung voll wahrnehmen. Es könnte aber sinnvoll sein, die Ergebnisse in Berlin zu bündeln und dort eine zentrale Anlaufstelle zu schaffen. Wir müssen zudem die bestehenden Netzwerke verbessern. So erwägt mein neuer Landwirtschaftsminister Gert Lindemann, ein neues Bündelungsreferat für Verbraucherschutz in seinem Haus zu schaffen.

SZ: Stellen Sie mehr Kontrolleure ein?

McAllister: Ich schließe nicht aus, dass zusätzliches Personal gebraucht wird. Offenbar haben die Futtermittelkontrolleure derzeit ein sehr breites Aufgabenfeld. Es stellt sich die Frage nach einer Aufgabenreduzierung, damit sie sich aufs Kerngeschäft konzentrieren können: die Futtermittelkontrolle.

SZ: Die Bundesverbraucherministerin hat ein Konzept vorgelegt.

McAllister: Der Zehn-Punkte-Plan von Frau Aigner geht in die richtige Richtung - ein Teil ist deckungsgleich mit Vorschlägen aus Niedersachsen.

SZ: Hier in Hannover vermisst die Opposition ein Krisen-Management.

McAllister: Niedersachsen hat von Anfang an schnell gehandelt und bereits vor Weihnachten die ersten Betriebe gesperrt. Im Landesamt für Verbraucherschutz wurde eine Urlaubssperre verhängt. Dort wird in Schichtarbeit auf Hochtouren an der Aufklärung gearbeitet, auch an Wochenenden.

SZ: Aber wo ist die Linie, die der Ministerpräsident vorgibt?

McAllister: Meine Linie ist klar: Niedersachsen handelt, Niedersachsen klärt auf, Niedersachsen macht Lösungsvorschläge.

"Die Menschen haben Anspruch darauf, keine Gifte zu sich nehmen"

SZ: In dieser Krise hatten Sie über Wochen keinen Chef im Agrar-Ressort.

McAllister: Astrid Grotelüschen ist kurz vor Weihnachten von ihrem Amt zurückgetreten. Ich habe Gert Lindemann als Nachfolger benannt. Er ist der Beste für dieses Amt. Die verfassungsrechtliche Situation ist so, dass ein Minister erst vom Landtag gewählt werden muss. Das erfolgt heute. Gert Lindemann ist schon jetzt in alle politischen Abläufe eingebunden. Direkt nach seiner Wahl hält dieser sehr kundige Mann eine Regierungserklärung zur aktuellen Agrarpolitik.

SZ: Frau Grotelüschen ist nach Vorwürfen wegen der Zustände in Geflügelmastbetrieben zurückgetreten. Können Sie verstehen, dass die Massentierhaltung so umstritten ist?

McAllister: Grundlage unserer Landwirtschaft sind bäuerliche Betriebe. Der Strukturwandel hat in Teilen zu einer industriellen Landwirtschaft geführt. Er stößt aber zum Teil an Grenzen. Wir erleben lebhafte Debatten über die Genehmigung von Stallbauten für Großprojekte.

SZ: Und der Tierschutz?

McAllister: Größe allein sagt nichts über die Qualität des Tierschutzes aus. Wir müssen vielmehr für einen achtsamen Umgang mit den Tieren sorgen. Hier wollen wir neue Maßstäbe setzen. Mein neuer Landwirtschaftsminister wird mit Vertretern von Tierschutzorganisationen und der Agrarwirtschaft eine Strategie "Tierschutz in der Nutztierhaltung 2020" entwickeln.

SZ: Mit welchen Vorgaben?

McAllister: Wir brauchen einen gesellschaftlichen Konsens, etwa beim umstrittenen Stutzen der Schnäbel bei Puten. Diese Debatte werden wir in Niedersachsen führen, gerade weil wir das führende Land in der Geflügelproduktion sind. Ein vernünftiger Landwirt ist ein Tierschützer, der quält keine Tiere.

SZ: Manche Produkte sind so billig, dass Kritiker sagen: Dafür kann man nichts Gutes und Gesundes erwarten.

McAllister: In Deutschland sind Lebensmittel tatsächlich so günstig wie in keinem anderen Land. Jeder Verbraucher kann selbst entscheiden, was ihm sein Essen wert ist. Es ist nachvollziehbar, dass Qualität unter Billigpreisen leidet. Allerdings gebe ich zu bedenken: Viele Menschen müssen jeden Cent umdrehen und günstige Lebensmittel kaufen, weil sie sich andere nicht leisten können. Sie haben einen Anspruch darauf, dass sie keine Gifte zu sich zu nehmen.

SZ: Lebensmittelskandale verlaufen stets nach dem gleichen Muster: Die Politik verspricht Änderungen. Nach ein paar Monaten ist wieder alles wie vorher.

McAllister: Das können wir uns nicht mehr leisten. Die Voraussetzungen sind gut: Bund und Länder sind sich einig. Die Vorschläge sollten nicht zerredet werden.

Interview: Jens Schneider

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