David Cameron:Der neue Blair - Premier war das Mindeste

Frisch, modern, konservativ im Kern: Der neue britische Premier Cameron. Das prädestiniert ihn für eine Koalition mit den Liberaldemokraten.

Barbara Vorsamer

"I am the heir of Blair", er sei Tony Blairs Erbe, sagt David Cameron über David Cameron. Schon bevor er am Dienstag von Queen Elizabeth II zum neuen britischen Premierminister ernannt wurde, teilte der Konservative diese Weisheit dem britischen Volk mit. Da waren seine Tories noch nicht als stärkste Partei aus der Unterhauswahl hervorgegangen.

David Cameron Premierminister Großbritannien Tory Tories, AFP

Der neue britische Premier David Cameron vor seinem Amtssitz, der Downing Street No. 10

(Foto: Foto: dpa)

Der Vorsitzende der Konservativen Partei wollte mit diesem Spruch wahrscheinlich seine Jugend und seine Modernität betonen. Er ist einige Monate jünger, als es Blair bei seinem Amtsantritt 1997 war. David Cameron ist mit 43 Jahren der jüngste britische Premierminister seit fast 200 Jahren.

Interpretiert wurde der Satz vom Erbe Blairs jedoch vielfach als hochmütiger und vorschneller Anspruch auf die Downing Street.

Ähnlich ging es dem in privilegierten Verhältnissen aufgewachsenen Politiker auch mit dem Versuch, sich als "hemdsärmeliger Dave" darzustellen. Demonstrativ fuhr Cameron mit dem Fahrrad zur Arbeit, er sei ganz nah am Leben der einfachen Leute, hieß das. Bald darauf wurde jedoch bekannt, dass ein Chauffeur dem Tory-Chef Aktentasche und Schuhe hinterherfuhr.

Seitdem muss sich Cameron fragen lassen, wie viel von seiner Liberalität und Modernität nur Fassade ist.

Zu glatt sei Cameron, lediglich ein Verkäufer und ein verwöhntes Glückskind, schimpfen seine Gegner. Doch genauso viele loben, dass der künftige Premier mehr vorzuweisen hat als einen makellosen Lebenslauf und den richtigen Stallgeruch.

In den vergangenen fünf Jahren hat Tory-Chef Cameron seiner in Bedeutungslosigkeit und alten Denkmustern erstarrten Partei wieder Leben eingehaucht. Mit Themen wie Familienförderung, Umweltschutz und Armutsbekämpfung modernisierte der vormalige bildungspolitische Sprecher seiner Fraktion die Konservativen und machte sie für die britische Mittelschicht wieder wählbar.

Den Konservatismus bekam der Sohn eines erfolgreichen Börsenmaklers in die Wiege gelegt. Aus der Familie seiner Mutter stammen Generationen von Tory-Abgeordneten. Für den Absolventen der Eliteschulen Eton und Oxford war von frühester Jugend an die Laufbahn als Politiker vorgezeichnet. Seinem Biographen James Hanning zufolge träumte Cameron sogar schon als Teenager vom Einzug in 10 Downing Street.

Ein solcher Hintergrund ist nicht nur von Vorteil. Vom Beginn seiner politischen Karriere an musste sich Cameron gegen den Vorwurf wehren, er glaube, dass ihm das Amt des Premierministers qua Geburt zustehe. Vielfach wurde er als "scheußlich privilegiert" porträtiert, als ein Berufspolitiker, der kaum Erfahrung in der realen Welt gemacht habe.

Seine politische Karriere verlief bislang ohne nennenswerte Rückschläge und Niederlagen: 1998 trat er in die Forschungsabteilung der Tories ein, 2001 wurde er Abgeordneter und 2005 zum Parteichef gewählt.

Gleichzeitig wird Cameron enorme Führungsstärke und die Fähigkeit zum Dialog nachgesagt. Hanning schrieb über den künftigen Ministerpräsidenten, er sei "geboren, um zu führen".

Wegen dieser Widersprüche ist es kein Zufall, dass die Konservativen nun gerade mit Cameron an der Spitze eine Koalition mit den Liberaldemokraten eingehen. LibDems sind inhaltlich eher mit den deutschen Grünen als mit der FDP vergleichbar - deswegen kommt die Koalition mit den Tories den Briten ähnlich exotisch vor wie vielen Deutschen Schwarz-Grün.

Eigentlich sogar noch exotischer: Die derzeit laufenden Koalitionsverhandlungen in London sind die ersten seit dem Zweiten Weltkrieg, das Vereinigte Königreich ist Alleinregierungen gewohnt.

Was die neue Regierung will

Mit der künftigen Regierung wird es noch einige weitere Neuerungen geben. Die beiden Parteien einigten sich bereits darauf, eine formelle Koalition mit LibDem-Chef Nick Clegg als stellvertretenden Premierminister zu bilden - statt einer von den Liberaldemokraten geduldeten Tory-Minderheitsregierung. Auch dass sie anders als in Großbritannien üblich die Legislaturperiode von vorneherein auf fünf Jahre festsetzen wollen, ist bereits abgemacht.

Ein Knackpunkt zwischen Tories und LibDems ist das Wahlrecht. Die Liberaldemokraten hatten eine Reform des britischen Mehrheitswahlrechts als unumstößliche Bedingung für eine Koalition genannt. Davon sind sie inzwischen abgerückt. Der Kompromiss ist nun, dass die Bürger in einem Referendum über die Zukunft des Wahlrechts abstimmen sollen und die Tories unter Cameron sich vorbehalten, sich für das bestehende System auszusprechen.

Als Alternative steht auch nicht das in Kontinentaleuropa übliche Verhältniswahlrecht, sondern das Rangfolgewahlrecht (Alternative Vote System) zur Debatte. Hier haben die Wähler die Möglichkeit, nicht nur für einen Kandidaten abzustimmen, sondern Präferenzen für mehrere Bewerber zu vergeben, wobei der Favorit eine Eins bekommt. Erhält in einem Wahlkreis kein Kandidat mehr als 50 Prozent der Einsen, werden die Stimmen für den Bewerber mit den wenigsten Einsen neu auf die verbleibenden Kandidaten verteilt. Dieses Prozedere wird so lange wiederholt, bis einer mehr als 50 Prozent der Stimmen hat.

Derzeit wird dieses System bei der Wahl zum australischen Parlament verwendet. Wahlrechtsexperten kritisieren jedoch, dass es nur wenig repräsentativer ist als das bestehende britische Mehrheitswahlrecht.

Aber David Cameron, der neue Blair der Tories, wird es schon richten.

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