Datenschutz - Wiesbaden:Nutzung von Corona-Gästelisten umstritten

Corona
Jörg-Uwe Hahn (FDP) kommt in den Landtag von Hessen. Foto: picture alliance / dpa/Archivbild (Foto: dpa)

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Wiesbaden (dpa/lhe) - Die mögliche Nutzung von Corona-Gästelisten für strafrechtliche Ermittlungen hat in Hessen eine Datenschutz-Diskussion ausgelöst. Die Regelung zum Erfassen der Namenslisten in Restaurants oder Cafés gebe eine "strenge Zweckbindung" ausschließlich zur Nachverfolgung von Infektionen vor, hieß es von Hessens Datenschutzbeauftragten Michael Ronellenfitsch am Donnerstag. Die Verwendung der Kontakte für polizeiliche Ermittlungen sei vor diesem Hintergrund "höchst problematisch".

Am Vortag war bekannt geworden, dass die Strafverfolgungsbehörden bei einem konkreten Ermittlungsverfahren Gästelisten sicherstellen können. Voraussetzung dafür ist laut hessischem Justizministerium, dass das Dokument für ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren von Bedeutung ist. Das Vorgehen sei nach der Strafprozessordnung erlaubt.

Der Datenschutzbeauftragte sieht durch die Verwendung zu Ermittlungszwecken die Akzeptanz der Corona-Maßnahmen gefährdet: Die Vernunft und das Verantwortungsbewusstsein der hessischen Bevölkerung basiere auf der Annahme, dass es sich bei den Eingriffen in die informationelle Selbstbestimmung nur um vorübergehende Schritte handele. "Dieses Vertrauen sollte man nicht durch Zweckentfremdung der Eingriffsmaßnahmen auf das Spiel setzen." Wenn zu erwarten sei, dass man Daten zweckenfremde, bestehe die Gefahr, dass falsche Kontaktdaten angegeben würden.

"Datenschutz gilt auch zu Corona-Zeiten", erklärte der datenschutzpolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Jörg-Uwe Hahn. "Es muss sichergestellt sein, dass die Polizei nur bei Ermittlungen zu schweren Straftaten wie Mord oder Totschlag auf die Daten zugreifen kann. Bei weniger schweren Straftaten ist es unverhältnismäßig, dass die Polizei die Listen mit den persönlichen Daten von Besuchern auswertet. Das muss gesetzlich klargestellt werden", fordert Hahn.

Einem Bericht des privaten Rundfunksenders "Hit Radio FFH" zufolge hat die Polizei bereits auf Corona-Gästelisten in Lokalen zugegriffen, um diese für Ermittlungen bei Straftaten zu nutzen. Es habe laut dem hessischen Gaststättenverband Dehoga einzelne Fälle etwa in Südhessen gegeben. Dem Justizministerium lagen nach eigenen Angaben keine Erkenntnisse vor, ob und in welchem Umfang Listen bislang genutzt wurden.

Dass diese Daten sichergestellt werden können, komme "gar nicht gut bei den Gästen an", sagte Dehoga-Hauptgeschäftsführer Julius Wagner zu "FFH". Er halte das auch für rechtlich "äußerst fragwürdig". Wenn zuvor Gästen und Gastronomen gesagt werde, die Daten dienten ausschließlich der Nachverfolgung von Infektionsketten, "dann kann es jetzt im Nachgang nicht sein, dass man auf einmal auf einen "Datenschatz" zugreift, den es ohne Corona ja nie gegeben hätte".

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