Datenschutz-Skandal:Daten sind keine Bonbons

Mit einer Grundgesetzänderung ist dem Datenschutz wenig gedient, wichtiger ist mehr Kontrolle.

Heribert Prantl

Sport und Kultur in Deutschland leiden nicht daran, dass sie nicht im Grundgesetz stehen. Und auch das Problem beim Atomausstieg besteht nicht zuvorderst darin, dass dieser den Einstieg ins Grundgesetz noch nicht geschafft hat. Dem Datenschutz schließlich ist nicht schon damit geholfen, dass er in die Verfassung geschrieben wird. Dieser Verfassung wäre allerdings sehr wohl damit gedient, wenn sie nicht überfrachtet würde mit allerlei Wünschenswertem oder mit Neueinträgen, von denen die Tagespolitik glaubt, dass sie gerade wichtig sind.

Datenschutz-Skandal: Der Bundesverband der Verbraucherzentralen ist in den Besitz von sechs Millionen illegalen Datensätzen gelangt. Die gesammelten Daten sollen der Staatsanwaltschaft übergeben werden.

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen ist in den Besitz von sechs Millionen illegalen Datensätzen gelangt. Die gesammelten Daten sollen der Staatsanwaltschaft übergeben werden.

(Foto: Foto: dpa)

Wenn Verfassungspolitik zur Alltagspolitik wird, liest sich die Verfassung wie eine Einkommenssteuer-Durchführungsverordnung. Grauslige Beispiele sind die einschränkenden Neufassungen des Wohnungsgrundrechts und des Asylgrundrechts. Der neue Artikel 13 ist viermal, der neue 16 a vierzigmal so lang wie der alte 16.

Das Datenschutzgesetz stammt aus der Steinzeit

Dies zu beklagen ist keine Frage der Ästhetik, sondern der parlamentarischen Demokratie: Wenn nämlich Dinge ins Grundgesetz geschrieben werden, die ins einfache Gesetz gehören, macht man neuen politischen Mehrheiten das Leben schwer. Sie brauchen dann eine Zweidrittelmehrheit, um Details zu ändern.

Zum Datenschutz: Er hat auch dann Grundrechtsrang, wenn er nicht ausdrücklich ins Grundgesetz geschrieben wird. Das Bundesverfassungsgericht hat ihn aus den bestehenden Grundrechten abgeleitet. Es gibt also bereits ein ordentliches Fundament für den Datenschutz - nur steht darauf kein stabiles Gebäude.

Das Datenschutzgesetz ist völlig unzureichend, es stammt aus der Steinzeit der Datenverarbeitung, es sieht die wahren Probleme nicht mehr: Es konzentriert sich auf den Staat, es beachtet die Privatwirtschaft kaum. Dort aber liegt datenschutzmäßig vieles, ja fast alles im Argen. Der Staat braucht im Übrigen gar nicht mehr selber Daten zu sammeln, er greift einfach bei den Privaten zu (etwa der Telekom), er lässt sich dort die Daten geben (siehe Vorratsdatenspeicherung).

Fünf Grundprinzipien für den Datenschutz

Was also braucht der Datenschutz? Er braucht ein detailliertes neues Gesetz, das Datensammlern und -verarbeitern klare Vorgaben macht. Fünf Grundprinzipien sind fundamental wichtig. Erstens: Die Zwecke, für die Daten gesammelt werden dürfen, müssen klar bestimmt und eng gefasst werden. Zweitens: Die bisher fast beliebig mögliche Weitergabe von Daten muss eingeschränkt werden; mit Daten darf nicht herumgeworfen werden wie mit Bonbons im Karneval. Und Handelsware dürfen Daten nur ganz ausnahmsweise sein.

Drittens: Die Datenschutzbeauftragten der Betriebe brauchen mehr Kompetenzen. Viertens: Diese internen Beauftragten sind zu verpflichten, in bestimmten Fällen die staatlichen Datenschutzstellen zu informieren. Fünftens: Die staatlichen Beauftragten müssen das Recht erhalten, von sich aus präventiv, auch bei Privatfirmen, tätig zu werden.

Das alles gehört en detail in ein Gesetz - nicht ins Grundgesetz, sondern ins Datenschutzgesetz.

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