Süddeutsche Zeitung

Datenanalyse:Wie sich Europas Rechte auf Facebook vernetzen

  • Die führenden Rechtspopulisten Europas kooperieren seit Jahren immer intensiver. Mehrere Treffen belegen ihre Zusammenarbeit.
  • Eine Datenanalyse der österreichischen Tageszeitung der Standard von 250 Facebook-Seiten legt offen, wie sich die Rechten auch auf Facebook grenzübergreifend vernetzen - vor allem ihre Anhänger.
  • Viele User, die radikale Gruppierungen liken, sympathisieren auch mit der AfD.

Von Leila Al-Serori und Katharina Brunner

Die ersten Annäherungsversuche verliefen noch zaghaft. "Wir wollen uns beschnuppern", hieß es von AfD-Chefin Frauke Petry und ihrem österreichischen Kollegen Heinz-Christian Strache nach dem ersten öffentlichen Treffen. Das war im Februar vergangenen Jahres in Düsseldorf.

Zwischen den beiden führenden Rechtspopulisten im deutschsprachigen Raum blieb es nicht beim Schnuppern. Petry und FPÖ-Obmann Strache haben sich seither mehrfach ausgetauscht. Die größte Aufmerksamkeit bekam ihr "Gipfeltreffen" auf der Zugspitze im vergangenen Juni. Damals posierten sie im Schnee, das Weißbier in der Hand. Zuletzt kamen beide im März zum politischen Aschermittwoch im bayerischen Osterhofen zusammen.

Vor allem von Wien aus wird die rechte Internationale in alle Richtungen vorangetrieben. Seit Jahren bemüht sich Strache um Kontakte zu rechten Spitzenpolitikern in ganz Europa, zu Front-National-Chefin Marine Le Pen oder zum islamfeindlichen Niederländer Geert Wilders. Offiziell wurde ihre Zusammenarbeit durch die Gründung einer eigenen rechten Fraktion im Europaparlament im Jahr 2015. Dass nationalistische Parteien grenzüberschreitend tätig sind, mutet nur kurz widersprüchlich an. Denn AfD, FPÖ, Front National und Wilders' Partei für die Freiheit haben viele Gemeinsamkeiten. Sie sind sich einig in ihrer Ablehnung der Europäischen Union und einer pluralen Gesellschaft, positionieren sich klar gegen den Islam.

Diese grenzübergreifende Zusammenarbeit der Nationalisten spiegelt sich auch in ihren Aktivitäten auf Facebook wider, wo die Rechtspopulisten besonders aktiv sind. Auch hier sind die zaghaften Annäherungsversuche längst offener Kooperation gewichen. Besonders ihre Sympathisanten bewegen sich wie selbstverständlich im ganzen Spektrum rechtspopulistischer Parteien und Medien in sozialen Netzwerken.

Wie selbstverständlich, das legt eine Datenrecherche des österreichischen Standard offen, die der Süddeutschen Zeitung zur Verfügung gestellt wurde. Die Verbindungen von etwa 250 Facebook-Seiten von rechten Parteien, Gruppierungen und Medien wurden dafür erfasst und ausgewertet. Insgesamt 33 sind aus Deutschland, unter anderem die AfD-Politikerinnen Petry und Beatrix von Storch, Medien wie Compact, Junge Freiheit und RT Deutsch sowie Gruppierungen wie die "German Defence League" und die "Identitäre Bewegung Deutschlands". Im Gegensatz zur SZ-Datenrecherche "Der Facebook-Faktor" sind hier nicht die Likes für eine Facebook-Seite entscheidend, sondern ob Facebook-Nutzer auf verschiedenen Seiten aktiv waren. Die Auswertung der Verknüpfungen lässt drei zentrale Erkenntisse zu:

1. Europas Rechte vernetzen sich nicht nur auf Parteiebene

Unter den Rechten gibt es nicht nur Verbindungen innerhalb der Spitzenpolitiker, sondern auch bei ihren Facebook-Fans - vor allem im deutschsprachigen Raum. Wer auf der Facebook-Seite der Jugendorganisation der österreichischen Partei FPÖ, dem Ring Freiheitlicher Jugend, aktiv ist, ist das häufig auch bei sehr populären Politikern auf Facebook wie den AfD-Politikerinnen Frauke Petry, Beatrix von Storch, dem FPÖ-Vorsitzenden Heinz-Christian Strache oder dem Schweizer Ignaz Bearth. Ähnlich ist das beispielsweise bei der Direktdemokratischen Partei Schweiz (DPS).

2. Rechte Medien sind grenzübergreifend populär

Besonders eng ist die Verbindung zwischen den Lesern von rechten Medien. Gerade zwischen deutschen und österreichischen Facebook-Nutzern der Seiten sind die Überschneidungen mit rechtspopulistischen Größen aus der DACH-Region (Deutschland, Österreich und Schweiz) hoch.

Ein Beispiel: Die Facebook-Nutzer der islamfeindlichen Webseite Politically Incorrect sind zu fast 60 Prozent auf den Facebook-Seiten der AfD und ihrer Vorsitzenden Frauke Petry aktiv. Fast 40 Prozent liken, teilen oder kommentieren auch auf der Seite des Schweizer Rechtspopulisten Ignaz Bearth, mehr als ein Drittel beim österreichischen FPÖ-Vorsitzenden Strache.

Die prominenten Rechtspopulisten aus der DACH-Region sind auch bei Facebook-Nutzern anderer einschlägiger Webseiten und Medien beliebt, wie Gegenargument.at (Österreich), Epoch Times (Deutschland), Blaue Narzisse (Deutschland) oder der Schweizer Tageszeitung Weltwoche.

Dem österreichischen Rechtsextremismusforscher Andreas Peham zufolge offenbaren diese Verbindungen eine "Parallelwelt der Rechten - mit eigenen Kanälen, einer eigenen Wahrheit, einer eigenen Moral", wie er im Standard erklärt.

3. Viele User bei extremen Gruppierungen sympathisieren mit der AfD

Die Ländergruppen der völkischen "Identitären Bewegung" aus Deutschland und Österreich haben große Überschneidungen mit Rechtspopulisten aus den jeweils anderen Ländern: Jeweils um die 30 Prozent der Nutzer, die Beiträge gelikt, geteilt oder kommentiert haben, haben das auch mindestens einmal auf Seiten der Politiker des jeweils anderen Landes gemacht.

"Ein Prozent für unser Land" ist der Slogan einer deutschen rechten Gruppe, die sich gegen Flüchtlinge positioniert. Auch die Facebook-Fans dieser Seite liken über Deutschland hinaus einschläge Seiten und Politiker.

Häufig sind auch die Nutzer der klar rechtsextremen deutschen Kleinpartei Der Dritte Weg auf Facebook-Seiten von Rechtspopulisten unterwegs. Die Abgrenzung zu ganz rechts außen funktioniert für die AfD oder die FPÖ auf Facebook also offensichtlich nicht.

Die Daten zeigen, dass die Vernetzung der europäischen Rechten nicht nur publikumswirksam vor der Kamera passiert, sondern auch im Netz. Besonders für ihre Sympathisanten ist Facebook der Ort geworden, an dem sie sich fast unbeobachtet austauschen können - über ihre Landesgrenzen hinweg.

Info

Diese Recherche entstand in Kooperation des Standard mit Wissenschaftlern des Alexander-von-Humboldt-Instituts für Internet und Gesellschaft in Berlin im Rahmen eines von der Volkswagenstiftung geförderten Forschungsprojekts zu "Wissenschaft und Datenjournalismus".

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