Brennt es in Deutschland, fangen kleine schwarze Kästchen an zu piepen. Sie rufen Feuerwehrfrauen und Feuerwehrmänner zum Einsatz. Und reißen sie aus ihrem Alltag. Denn Berufsfeuerwehren gibt es in Deutschland nur in den großen Städten, überall sonst rücken zur Katastrophenhilfe Freiwillige aus, die mit Piepsern herbeigerufen werden. Das kostet die Helfer viel Zeit: Sie stehen abrufbereit, oft auch dann, wenn sie gerade ihren Berufen nachgehen, und müssen regelmäßig in ihrer Freizeit den Ernstfall trainieren.
1,2 Millionen Jugendliche und Erwachsene sind dem Deutschen Feuerwehrverband zufolge in mehr als 22 000 freiwilligen Feuerwehren organisiert. Die Feuerwehrleute sind ein klassisches Beispiel für das Ehrenamt in Deutschland - und doch nur ein kleiner Teil derjenigen, die sich ehrenamtlich engagieren: 30 Millionen Menschen in Deutschland sind es insgesamt, das sind mehr als 43 Prozent der über 14-Jährigen. Das ergibt die Untersuchung "Deutscher Freiwilligensurvey 2014" des Deutschen Zentrums für Altersfragen. Dabei wurden Menschen befragt, ob sie sich innerhalb der vergangenen zwölf Monate ehrenamtlich engagiert haben.
Wer sich engagiert, ist meistens Mitglied in einem Verein. Mehr als 600 000 gab es von ihnen 2016, das sind 44 Prozent mehr als 1995.
Insgesamt stellen Feuerwehren und Rettungsdienste wie die Malteser, das Rote Kreuz oder das Technische Hilfswerk nur 6,7 Prozent der Mitglieder. In Sportvereinen engagieren sich die meisten Menschen:
Die Älteren engagieren sich weniger, dafür länger
Aus mehreren Umfragen lässt sich ein Bild der Deutschen zeichnen, die ein Ehrenamt ausüben: Am häufigsten sind es Menschen vor dem Rentenalter. Rund 45 bis 48 Prozent der unter 65-Jährigen engagieren sich ehrenamtlich, bei den Älteren im Vergleich dazu etwa zehn Prozent weniger:
Eine Untersuchung des Statistischen Bundesamtes aus dem Jahr 2012 zeigt aber, dass die Älteren dafür mehr Zeit in das Ehrenamt investieren. Sie verbringen damit etwa zwölf Stunden pro Monat, bei den Jüngeren sind es nur acht bis zehn Stunden.
Mit dem Alter unterscheidet sich auch die Motivation. Zwar ist "Spaß haben" der wichtigste Grund für zivilgesellschaftliches Engagement - für Junge wie für Alte. Ältere wünschen sich aber zudem vor allem Kontakt zu anderen Menschen und Generationen, während es für viele Jüngere mehr darum geht, Qualifikationen zu erwerben oder beruflich voranzukommen.
Zwei Gruppen sind deutlich weniger engagiert
Nicht alle Bevölkerungsgruppen sind gleichermaßen aktiv. Zwei Gruppen stechen durch besonders geringes Engagement besonders hervor: Menschen mit niedrigem Bildungsabschluss und mit Migrationshintergrund sind vergleichsweise wenig ehrenamtlich tätig. Migrationshintergrund bedeutet in dieser Umfrage, dass die Person nicht in Deutschland geboren ist und keine deutsche Staatsbürgerschaft besitzt.
Der zweite große Unterschied besteht bei der Bildung: Die Forscher erklären das zum Teil damit, dass Menschen mit hoher Bildung einen größeren finanziellen Spielraum haben, sich auch ohne Bezahlung zu engagieren.
Generell gilt, dass viele Vereine recht homogen, ihre Mitglieder sich also recht ähnlich sind, was Herkunft oder Bildung anbelangt. Das zeigt der Ziviz-Survey 2017 des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft: 72 Prozent aller Organisationen sagen, dass "unsere Mitglieder eine ähnliche kulturelle Herkunft" haben.
Eine flexiblere Gesellschaft verlangt nach flexiblerem Engagement
Gesellschaftliche Veränderungen machen auch vor dem Ehrenamt nicht halt. Wollen viele Menschen, gerade in den Städten, flexibel leben, muss in Folge dessen auch zivilgesellschaftliches Engagement flexibler werden. Das ist ein Problem für die klassischen Organisationen wie im Katastrophenschutz oder in Sportvereinen: Wer eine Ausbildung in einer Feuerwehr oder den Trainerschein macht, muss sich langfristig und regelmäßig binden.
Viele Vereine haben deshalb Probleme, Nachwuchs zu rekrutieren - oder Mitglieder zu finden, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen, indem sie zum Beispiel Schriftführer oder Kassenwart werden.
Generell gilt: Je jünger eine Organisation, desto eher gleicht sie einer politischen Interessenvertretung. Die Autoren der Ziviz-Umfrage leiten daraus ab: "Die Zivilgesellschaft wird politischer."
Gleichzeitig entwickeln sich immer mehr neue Formen des zivilgesellschaftlichen Engagements: Zum Beispiel spontane Selbstorganisationen auf Facebook wie nach dem Hochwasser in Passau 2013. Das Ehrenamt ist im Internet angekommen.
Ohne Computer geht heute fast nichts mehr - auch kein Ehrenamt. Oft wird in diesem Zusammenhang vom "Ehrenamt 4.0" gesprochen, in Anlehnung an das Schlagwort "Industrie 4.0", das für Innovation und große Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt steht.
Im gesellschaftlichen Engagement kann das zum Beispiel bedeuten: Websites zu bauen und zu pflegen, damit Interessierte sich auch im Netz über Projekte und aktuelle Termine informieren können; also klassische Mitgliederbetreuung und Öffentlichkeitsarbeit mit modernen Mitteln.
Digitales Engagement kann auch bedeuten, für die Gesellschaft zu programmieren. In 26 Städten und Regionen messen zum Beispiel Freiwillige, wie sehr Feinstaub die Luft belastet. Dafür basteln sie Sensoren, stellen sie an geeigneten Plätzen auf und veröffentlichen die Daten in Echtzeit auf einer Karte unter dem Portal luftdaten.info. Damit möglichst viele mitmachen, stellen die Organisatoren Einkaufslisten, Programmier- und Bauanleitungen zur Verfügung.
Ein weiteres Projekt des digitalen Ehrenamts ist Correl-Aid: Das Netzwerk von Datenanalysten und Statistikern hilft gemeinnützigen Organisationen bei Datenanalysen, die normalerweise viel Geld kosten. Inzwischen hat die Organisation 600 Mitglieder und hat beispielsweise Analysen für das Europäische Jugendparlament und den Pfadfinder- und Pfadfinderinnenbund Nord erstellt.
Ob Hilfe bei Statistiken, Mitgliedschaft im Sportverein oder Einsatz für Menschen in Not - ehrenamtliches Engagement kann verschiedenste Formen annehmen. Und nicht jede Mitgliedschaft verlangt, ein kleines schwarzes Kästchen zu tragen, das mit einem schrillen Ton den Alltag unterbricht.