80 Jahre SZDie Autorinnen und Autoren des „Streiflichts“ bleiben anonym - na ja, jedenfalls meistens

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Hier wollen wir das Geheimnis lüften: Einen legendären Text auf der Titelseite wider die Schließung der NRW-Redaktion verfasste einst Hermann Unterstöger (hier bei einer Preisverleihung im Jahr 2010), der 2025 verstorben ist. Niemand hat mehr Streiflichter verfasst  als er. 
Hier wollen wir das Geheimnis lüften: Einen legendären Text auf der Titelseite wider die Schließung der NRW-Redaktion verfasste einst Hermann Unterstöger (hier bei einer Preisverleihung im Jahr 2010), der 2025 verstorben ist. Niemand hat mehr Streiflichter verfasst  als er.  (Foto: Foto: Stephan Rumpf)

Wenn das tägliche „Streiflicht“ seit 1946 wie ein Leuchtturm über dem Meer der Nachrichten scheinen soll, hat es doch ein paar lustig blinkende Warnblinker eingebaut.

(SZ) Beinahe acht Jahrzehnte lang ist das Streiflicht nun, wie es inzwischen im Volksmund heißt, als „Leuchtturm im Sturmgebraus der täglichen Hiobsbotschaften“ tätig. Mit einer solchen Hypothek, die der täglichen Glosse einst von altväterweisen Herren auf die schmalen Schultern geladen wurde, muss man erst einmal so weit kommen. Dabei ist das Streiflicht vom Sturmgebraus keineswegs verschont geblieben. Erinnert sei nur an das Jahr 2003, als die NRW-Beilage der Süddeutschen Zeitung eingestellt und eine Reihe von Kollegen auf die Straße gesetzt wurden. Damals entschied sich die Streiflicht-Chefetage, das Streiflicht nicht in der üblichen Gestalt erscheinen zu lassen, sondern in Form und Duktus eines griechischen Lehrgedichts. Wer das Streiflicht damals verfasst hat? Es gehört sich normalerweise nicht, die Anonymität des Verfassernamens zu lüften, aber wer hätte es schon gewesen sein sollen, wenn nicht Hermann Unterstöger? Nur er wusste, wie man ein griechisches Lehrgedicht schreibt. Unterstöger wusste zudem, wie man es den Verlegern hinter die Ohren schreibt: „Eingedenk all dessen sah sich das Streiflicht heute außer Stande, aufs gewohnte, den Lesern und ihm selbst lieb gewordene Format anzuwachsen.“

Seither ist das Streiflicht wieder täglich auf das lieb gewordene Format angewachsen, vielleicht auch, weil man nur mit einer gewissen Höhe seinen Anspruch behaupten kann, ein Leuchtturm zu sein. Was die Substanz des Sturmgebrauses angeht, so kann man durchaus sagen, dass es sich inzwischen doch ziemlich zugezogen hat. Deshalb sind in den Leuchtturm auch lustig leuchtende blaue Warnblinkanlagen eingebaut worden, die immer dann angehen, wenn das Monster AfD wieder ein bisschen zu weit ans sichere Ufer schnappt. Rote gehen an, wenn Heidi Reichinnek und Gregor Gysi ihre vorletzten Gefechte in den sozialen Netzwerken tanzen. Sämtliche Warnblinker machen „palim-palim“, wenn Alice Weidel und Sahra Wagenknecht eines Tages gemeinsam mit Didi Hallervorden vor dem Reichstag stehen und „Putin on the Ritz“ singen. Also, es muss schon eine Menge passieren, ehe das Streiflicht wirklich zur multialarmistischen Leuchtturm-Hyäne wird.

Denn die gewohnte Körpertemperatur des Streiflichts liegt weit unter dem Fieber und deutlich über der Schockstarre. Es gibt selbst in der Welt des Wahnsinns und ihrer Akteure von Trump bis Kim Jong-un noch Ereignisse und Vorkommnisse, die von Bedeutung sind. Wo, wenn nicht im Streiflicht, kann die Bilanz gezogen werden, wie viele Kängurus und Wallabys durch Deutschlands Auen springen? Wer, wenn nicht der Streiflichtautor, kann die Kurve nachzeichnen, die von Adam und Evas Kollektion über die FDP hin zu Jette Nietzards Polizisten-T-Shirt reicht? Niemand natürlich. Und zu Ehren dieses Niemands und zur heimlichen Freude aller ist und bleibt das Streiflicht anonym.

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