Das Parlamentarische Kontrollgremium:Viel Stille um zu wenig Info

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Die Entführung Khaled el-Masris durch die CIA schreckt - mit einiger Verspätung - die Hauptstadt auf. Geklärt werden muss nicht nur, was die Bundesregierung wusste, sondern auch, ob die deutschen Geheimdienste involviert waren. Das ist Sache des Parlamentarische Kontrollgremiums, das aber auf ziemlich verlorenem Posten kämpfen muss.

Bernd Oswald

Auch Wochen nachdem die Entführung des Khaled el-Masri durch die CIA als Skandal entpuppt wurde, ist noch nicht besonders viel Licht ins Dunkel gekommen. Wie kam das CIA auf el-Masri? Was wussten die deutschen Geheimdienste? Was wusste die Bundesregierung? Wann wusste sie etwas davon?

Im Zentrum der Kritik stehen Ex-Innenminister Otto Schily (SPD) und der frühere Kanzleramtschef und jetzige Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD). Im Kanzleramt werden die drei deutschen Geheimdienste Bundesnachrichtendienst (BND), Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und der Militärische Abschirmdienst (MAD) koordiniert.

Alle drei Geheimdienste und die Regierung - soweit sie diese Dienste koordiniert - werden vom Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr) kontrolliert, das der Bundestages heute neu wählt. Um in diesen Kreis zu gelangen, ist die Kanzlermehrheit notwendig, also die Mehrheit der Mitglieder des Bundestages.

Abhängig von den Informationen der Regierung

Dem Gremium gehören neun Abgeordnete aus allen Fraktionen an. Union und SPD stellen je drei Abgeordnete, die Oppositionsfraktionen FDP, Grüne und Linkspartei je einen. Die Union stellt Norbert Röttgen (CDU), Bernd Schmidbauer (CDU) und Hans-Peter Uhl (CSU) auf. Für die SPD sollen Olaf Scholz, Joachim Stünker und Fritz Rudolf Körper ins PKGr, die FDP schlägt Max Stadler vor, die Grünen Hans-Christian Ströbele und die Linkspartei Wolfgang Neskovic. Den jährlich wechselnden Vorsitz wird zunächst die Union übernehmen.

Das PKGr tagt so geheim, dass erstens niemand außer den Mitgliedern weiß, wann es tagt. Die Sitzungsräume werden kontrolliert, ob sie wanzenfrei sind. Jede Person, die diese Räume betritt - und sei es nur, um eine Tasse Kaffee zu bringen - muss sich einer Sicherheitsüberprüfung unterziehen.

Die Bundesregierung ist gesetzlich verpflichtet, das Gremium über allgemeine Tätigkeiten der Nachrichtendienste und Vorgänge von besonderer Bedeutung umfassend zu unterrichten. Das funktioniert nicht immer: "Wenn eine Sache wirklich heiß war, dann haben wir sie aus den Medien erfahren", sagte die langjährige SPD-Bundestagsabgeordnete und Ex-PKGr-Mitglied Erika Simm kürzlich der SZ.

Neun Abgeordnete kontrollieren 10.000 Geheimdienstler

Auch im Fall el-Masri wurde das PKGr mit Verspätung informiert: Im Januar 2005, sieben Monate, nachdem die Bundesregierung von den USA unterrichtet worden war. Auch hier waren die Medien deutlich schneller gewesen.

Die parlamentarischen Kontrolleure haben ihrerseits das Recht, jederzeit - auch unangemeldet - die Geheimdienste aufzusuchen und Informationen einzuholen. Das ist schön und gut, nur: die PKGr-Mitglieder haben unzählige andere Aufgaben in Fraktion, Partei, Wahlkreis, Bundestags-Ausschüssen. Viel Zeit zur Geheimdienst-Kontrolle bleibt da nicht. Auch muss man sich nach der Verhältnismäßigkeit fragen: Neun Teilzeit-Kontrolleure sollen die Arbeit von etwa 10.000 Geheimdienst-Mitarbeitern überwachen. Eine denkbar schwierige Konstellation also, weswegen es auch nicht verwundert, dass Christian Ströbele zu dem Schluss kommt, dass die PKGr ein "zahnloser Tiger" ist.

Alles, was die Abgeordneten in ihrer Eigenschaft als PKGr-Mitglieder erfahren, müssen sie für sich behalten. Verschwiegenheit ist erste Kontrolleurs-Pflicht.

Öffentliche Berichte an den Bundestag gibt es zur Halbzeit und am Ende der Legislaturperiode. Mit Zwei-Drittel-Mehrheit kann das Gremium allerdings auch beschließen, in besonders brisanten Fällen direkt öffentlich Stellung zu nehmen.

Kein Geringerer als Bundeskanzler Konrad Adenauer installierte 1956 das Parlamentarische Vertrauensmännergremium, den Vorgänger des PKGr. Seine Arbeit beruhte lediglich auf einer informellen Absprache zwischen Regierung und Fraktionen.

Erst 1978 wurde ein gesetzlicher Rahmen geschaffen. Von nun an hieß das Gremium Parlamentarische Kontrollkommission (PKK). Aufgrund der Verwechlsungsgefahr mit der 1993 in Deutschland verbotenen kurdischen Arbeiterpartei, die ebenfalls PKK heißt, wurde die Kommission 1999 in Parlamentarisches Kontrollgremium (PKGr oder PKG) umbenannt.

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