Das Franco-Regime und der Papst:Selig sind die Zwiespältigen

Spaniens Kirche unterstützte Franco und sieht sich doch als Opfer des Bürgerkriegs - der Papst erhebt jetzt 498 Geistliche in den Stand der Verehrung.

Javier Cáceres

Die Schritte als solche sind kaum vernehmbar, nur das Schleifen von Sohlen ist zu hören, als sich der Mann über den dunklen Flur des Salesianer-Hauses von Mohernando nähert. Die Worte des Grußes presst er etwas achtlos hervor und bittet dann an den kargen Tisch des ebenso kargen Aufenthaltsraums.

Bis eben noch habe er am Computer gesessen und ein paar Seiten ausgedruckt, die habe er mitgebracht. Er würde sie gerne vortragen, "als eine Art Präambel", wie er sagt, ehe er ansetzt: "Mein Name ist Emilio Alonso, ich bin 91 Jahre alt und ein Überlebender des Martyriums der neun Salesianer von Mohernando, das sich 1936 zutrug."

Mit dem Martyrium meint er die Tötung von neun Glaubensbrüdern durch linke Milizionäre zur Zeit des spanischen Bürgerkriegs. Zusammen mit 489 weiteren spanischen Geistlichen sollen die neun an diesem Wochenende in Rom seliggesprochen werden, es wird die größte Massenseligsprechung der Geschichte.

Und natürlich wäre er gerne dabei, sagt Alonso, doch seine Kraft reiche nicht mehr. Jedenfalls nicht mehr für den weiten Weg zum Petersplatz in Rom. Sie reicht gerade noch hierfür: Seine Sicht auf jene Tage aus den dreißiger Jahren vorzutragen, die sich bis heute nicht geändert hat.

"Ich schäme mich für das, was damals in meinem Land passiert ist", sagt Alonso, und damit meint er weder Krieg noch die faschistische Repression, die auf den Sieg der Franquisten 1939 folgte.

Sondern er meint "die Vaterlandslosigkeit dieser linken Gimpel, die auf alles losgingen, was religiös war und patriotisch." Und, so fährt er fort, aus Spanien "die Märtyrer-Nation des 20. Jahrhunderts par excellence" gemacht haben.

So lautet seit Jahren schon die Litanei der Bischofskonferenz in Madrid. Noch immer scheint die spanische Kirche ihr Land als jene "von Gott erwählte Nation" zu verstehen, als die sie 1939, nach Francos Sieg im Bürgerkrieg, von Papst Pius XII. bezeichnet wurde.

Das soll auch mit Zahlen belegt werden: Zehntausend Märtyrer wollen Spaniens Katholiken im 20. Jahrhundert in ihrem Land gezählt haben. Dem Vatikan liegen aber für diese mit Weltkriegen, Revolutionen und Totalitarismen gespickte Epoche insgesamt nur 12692 Fälle vor - weltweit.

In Valencia wird zur Zeit die "Pfarrei der seligen Märtyrer" fertiggestellt, die dortige konservative Stadtverwaltung hat ihr ein wertvolles Areal zur Verfügung gestellt. 28 Meter hoch wird sich der Glockenturm des 3300 Quadratmeter großen Tempels erheben.

Das billige Wort der Bischöfe

Das symbolisiert alles: Die sozialistische Regierung streitet mühsam darum, den Opfern des Franco-Regimes mit einem Gesetz eine Ehre zu erweisen, die oft bloß darin besteht, ihre Gebeine aus den Massengräbern zu scharren, in die sie damals von ihren franquistischen Henkern hineingeworfen wurden. Die Kirche hingegen, die seit Jahr und Tag schon den Toten dieser Zeit huldigt, errichtet ihren Märtyrern ein neues monumentales Denkmal.

Zehntausende Pilger haben für dieses Wochenende Reisen in Bussen und Flugzeugen nach Rom gebucht; nur bei Europapokal-Endspielen setzt sich eine vergleichbare Zahl an Spaniern in Bewegung. Und wie bei solchen Anlässen üblich, werden auch diesmal von der spanischen Bischofskonferenz Merchandising-Artikel angeboten - Anstecknadeln für einen Euro, T-Shirts für fünf Euro, Baseballmützen für drei Euro, Rucksäcke für sechs Euro, Regenschirme für sechs Euro fünfzig.

Nichts jedoch ist billiger als das Wort der Bischöfe: 0,03 Euro zahlt man für ein Faltblatt, in dem die Zusicherung enthalten ist, dass die Seligsprechung gegen niemanden gerichtet sei. Schon gar nicht gegen die in Spanien regierenden Sozialisten.

Doch ihr Handeln zeigt das Gegenteil. Unter den fast 500 Märtyrern, die zur Ehre der Altäre erhoben werden sollen, ist nicht ein einziger Geistlicher, der von den Franquisten gemeuchelt wurde - obwohl es diese auch gab.

Und schon gar nicht erwähnt wird, wie laut die Glocken in Spanien jahrzehntelang für die Franquisten schlugen, oder dass in den ersten Tagen nach dem Franco-Putsch "auch Priester und Geistliche zu sehen gewesen waren, die ihr Gewehr über der Schulter, die Pistolen in der Hand und den Patronengurt über der Soutane trugen", wie Julián Casanova, Historiker an der Universität Saragossa, in seinem Buch "Die Kirche Francos" schreibt.

Die Kirche sieht sich auch heute noch ausschließlich "als passives Objekt, als Opfer" in dieser Zeit, wie es der Sprecher der Bischofskonferenz sagte. Und nicht als Bürgerkriegspartei.

Auch deshalb verwendet der Klerus größte Mühen darauf, seine Toten als "Märtyrer der dreißiger Jahre" zu bezeichnen - und nicht als Opfer des Krieges von 1936 bis 1939. Dabei wurden 489 der 498 zukünftigen Seligen nach dem Putsch von Franco gegen die legitime Regierung vom 18. Juli 1936 getötet, und zwar von Linken und Republikanern. Auch bei den Märtyrern von Mohernando war dies der Fall, ausnahmslos.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, weshalb auch Neid eine Sünde ist.

Emilio Alonso kann sich noch gut erinnern, wie die linken Milizionäre am 23. Juli erstmals das damalige Salesianer-Noviziat aufsuchten, auf der Suche nach Waffen. Zwei Mal kehrten sie zurück, da waren die 90 Bewohner des Noviziats längst geflohen.

Ihnen war zwar nicht bloß Theologie und Philosophie beigebracht worden, sondern auch, dass sie sich auf den Tod im Heiligen Krieg vorbereiten sollten. Aber sie bebten vor Angst und hatten die Soutanen schon am Tag nach dem ersten Überfall ausgezogen. Vom Kirchenvorplatz in Mohernando, zehn Minuten Fußmarsch vom Noviziat entfernt, waren an jenem 23. Juli enorme schwarze Rauchsäulen aufgestiegen.

"Wir dachten, sie hätten die Kirche abgefackelt", sagt Alonso, doch das war nicht so. Die Milizionäre hatten nur Gewänder und Bilder angezündet, ebenso die Gebetbücher.

Tagelang hätten sie am Henares-Fluss ausgeharrt und dort gebetet und "trockene Messen" gefeiert, ohne Hostien und ohne Brot, ehe sie von Republikanern aufgegriffen und in das 18 Kilometer entfernte Guadalajara verschleppt wurden. "Dort sahen wir erstmals in Hosen gekleidete Frauen", erinnert sich Alonso: Sie waren für die Bewachung abgestellt worden.

Auch Neid ist eine Sünde

"Im Kerker war aber kein Platz mehr, deshalb schickten sie uns als Gefangene zurück ins Noviziat", sagt Alonso. Auf dem Weg dorthin sei Andrés Jiménez, 32, erschossen worden: "Er hatte ein Kreuz bei sich, das sie ihm nicht abgenommen hatten, und er weigerte sich, es fortzuwerfen."

Ein weiterer Salesianer, José Luis Celaya Bradiola, litt an Parkinson und verstarb in einem Gefängnis in Madrid, weil ihm seine Medizin verweigert und er wohl auch misshandelt wurde. Die sieben restlichen wurden im Oktober 1936 im Gefängnis von Guadalajara erschossen - zusammen mit 300 weiteren Gefangenen, als Antwort auf ein Bombardement der Stadt durch die Franco-Truppen.

21 Jahre alt seien die sieben allesamt gewesen, bis auf den Direktor des Noviziats, Miguel Lasaga Carazo, der damals 44 Jahre alt war. Er hatte seine Jünger nicht allein lassen wollen, als sie verhaftet worden waren, weil sie sich angeblich einer Einberufung verweigert hatten. Er selbst, sagt Alonso, sei damals gerade 20 Jahre alt gewesen, noch minderjährig, und deshalb stand er nicht auf der Liste der Verfolger. "Das war mein Glück."

Oder doch nicht? "Ja, ich verspüre Neid auf sie", sagt Emilio Alonso, und seine Stimme klingt so fest, als sei dem Geistlichen sehr wohl bewusst, dass auch der Neid eine Sünde ist.

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