Malta:Geständnis als Geschäftsvorschlag

Malta: Tausende Demonstranten verlangten 2019 in Maltas Hauptstadt Valletta, die Wahrheit über den Mord an der Investigativ-Journalistin Daphne Caruana Galizia aufzuklären.

Tausende Demonstranten verlangten 2019 in Maltas Hauptstadt Valletta, die Wahrheit über den Mord an der Investigativ-Journalistin Daphne Caruana Galizia aufzuklären.

(Foto: Guglielmo Mangiapane/Reuters)

Die Mörder der Investigativ-Journalistin Daphne Caruana Galizia geben die Tat nach fast fünf Jahren zu. Für Hinweise auf Drahtzieher fordern die beiden Brüder einen Straferlass.

Von Andrea Bachstein

Bereut da ein mutmaßlicher Auftragsmörder? Aber nur, dass er zu billig getötet hat? Hätte er gewusst, wen er da umbringen sollte und welche Folgen die Tat haben würde, hätte er zehn Millionen Euro verlangt, nicht nur 150 000 Euro, sagte George Degiorgio. Sein Opfer war Daphne Caruana Galizia, die maltesische Enthüllungsjournalistin, deren Recherchen einigen Mächtigen des Inselstaats nach deren Geschmack viel zu nahe gekommen waren.

George Degiorgio und sein Bruder Alfred, Berufskriminelle, haben Daphne Caruana Galizia am 16. Oktober 2017 in Bidnija, unweit des Hauses ihrer Familie, mit einer Autobombe das Leben genommen. Das darf man nun, bald fünf Jahre danach, auch vor ihrer Verurteilung sagen, denn George Degiorgio hat die Beteiligung an dem Mord einem Reuters-Journalisten eingestanden in einem Interview, das am Dienstagabend bekannt wurde.

Sie würden sich schuldig bekennen im Prozess in Valletta, kündigte Degiorgio an, der wie sein Bruder die Tat so lange bestritten hatte. Was die beiden wollen, ist ein Deal mit Maltas Justiz: Strafmilderung im Tausch für Informationen über weitere Beteiligte am Komplott. Er und sein Bruder, sagte er Reuters, wollten für den Mord an der 53-jährigen Journalistin "nicht alleine untergehen". Als Lohn für ihr Wissen hatten die Brüder schon erfolglos versucht, Begnadigung durch den Präsidenten zu erhalten.

Sie wurden im Dezember 2017 festgenommen, wie ein dritter Mann. Dieser Vincent Muscat gestand seine Beteiligung an dem Attentat bereits, wurde Anfang 2021 zu 15 Jahren Haft verurteilt. Dass es in dem Fall mächtige Hintermänner gab, daran zweifelten Caruana Galizias Familie und viele andere nie. Aber es gab in Malta zunächst auch etliche Versuche, die Ermittlungen zu behindern.

Caruana Galizias Recherchen über Korruption, Offshore-Firmen und Geldwäsche wiesen bis in Maltas Regierungskreise. Ihre Ermordung machte weltweit Schlagzeilen und erschütterte den Inselstaat. Zigtausende gingen auf die Straßen und verlangten die Wahrheit über die Tat. Wegen Verbindungen zu möglichen Auftraggebern traten im November 2019 Tourismusminister Konrad Mizzi, Wirtschaftsminister Chris Cardona und Keith Schembri zurück, Stabschef des Premiers Joseph Muscat, der wenig später seinen Rückzug ankündigte. Behörden mussten zugeben, dass Verdächtige vor ihrer Festnahme offenbar gewarnt worden waren, unter anderem musste der Vize-Polizeichef des Landes gehen.

Sie würden alles preisgeben, auch über andere Morde, Bomben und Verbrechen

Kurz vor den Ministerrücktritten war einer der reichsten Geschäftsmänner Maltas, Yorgen Fenech, verhaftet worden, er wollte gerade mit seiner Yacht flüchten. Ein als Kronzeuge fungierender Taxifahrer hatte ausgesagt, er habe als Mittelsmann von Fenech den Lohn für die Mörder erhalten. Fenech bestritt das und beschuldigte Schembri, rechte Hand des Regierungschefs, als Auftraggeber. Fenech ist in U-Haft und angeklagt der Beteiligung am Mord an Caruana Galizia und der Bildung einer kriminellen Vereinigung. Auch auf Schembri könnte ein Prozess zukommen.

Und Malta könnten weitere Erschütterungen bevorstehen. Sie seien bereit, alles preiszugeben, auch über andere Morde, Bomben und Verbrechen wie die Beteiligung zweier Ex-Minister an einem bewaffneten Raubüberfall, kündigten die Degiorgios Reuters und Malta Today an - wenn sich das günstig auf ihre Strafe auswirke. Bei anderen hat das funktioniert: Der Mittelsmann und der zu 15 Jahren verurteilte Vincent Muscat, der auch in einem anderen Mord auspackte, wurden begnadigt. Den Mord an Daphne Caruana Galizia nannte George Degiorgio übrigens "Business as usual".

Die Arbeit der mutigen Journalistin wird weitergeführt im "Daphne Project", an dem Investigativ-Journalisten aus mehreren Ländern beteiligt sind, auch der Süddeutschen Zeitung.

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People hold up photos of assassinated anti-corruption journalist Daphne Caruana Galizia and torches on mobile phones during a vigil to mark eleven months since her murder in a car bomb, in Valletta

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