Dannenröder Forst:Räumfahrzeuge vorm Jahrhundertwald

Protest against the expansion of the A49 motorway in a forest near Stadtallendorf

Der besetzte Wald wird geräumt: Umweltaktivisten auf einem Baumhaus bei Stadtallendorf.

(Foto: Kai Pfaffenbauch/Reuters)

Die Grünen halten sich an die Vereinbarung mit Koalitionspartner CDU und schweigen zum Bau der A 49. Die "Danni"-Besetzer warten auf die Polizei, die von Donnerstag an den Weg freimachen soll.

Von Matthias Drobinski, Frankfurt

Alarmstufe Rot! Kommt jetzt in die Besetzung! Das Medienteam der Waldbesetzer hat professionelle Arbeit geleistet. Ein schnell geschnittener Videoclip, Musik wie im Fantasy-Epos, Menschen mit Tüchern vorm Gesicht stellen einen Dreifuß aus Baumstämmen auf, einer hakt sich oben ein als lebende Barrikade: Wird der Tripod gewaltsam geräumt, fällt er hinunter. Nächste Szene: Polizisten, die hier Cops heißen, versuchen einen Aktivisten von der Planierraupe zu lösen, an die er sich gekettet hat. Ein Heldenfilm, eine Minute und 17 Sekunden lang: Jetzt geht es um alles im Dannenröder Forst in Oberhessen, dem "Danni", der nach dem Willen der Waldbesetzer nicht von einer Autobahn durchschnitten werden soll.

Am 1. Oktober, an diesem Donnerstag, tritt der Räumungsbescheid des Vogelsbergkreises in Kraft. Bis zum 30. September sollte die "vollständige Beseitigung der baulichen Anlagen" rund um die geplante Trasse der Autobahn A49 erfolgen. Die Besetzer haben dem ein "Danke, aber nein Danke" entgegengesetzt. Vielleicht 200 harren in Baumhäusern aus, in der Absicht, um jeden Baum und überhaupt für eine bessere Welt zu kämpfen - ein buntes Volk aus Hambacher-Forst-Veteranen, autonomen Gruppen, Klimaaktivisten. Die Polizei hat die Dorfgemeinschaftshäuser der Umgebung angemietet, Räumpanzer auffahren lassen und vor zwei Wochen erste Barrikaden geräumt. Ein Jahr lang verlief die Besetzung des Waldes friedlich. Jetzt steht ihr gewaltsames Ende bevor.

Noch einmal haben in den vergangenen Tagen Gegner und Befürworter des Autobahnbaus ihre Argumente vorgebracht. Für die Befürworter ist klar: Der Bau des letzten Teilstücks der A 49 schließt eine strukturschwache Region ans Rhein-Main-Gebiet an, entlastet die verstopfte Bundesstraße 3. Alle Parlamente haben zugestimmt, alle Gerichte zugunsten des Baus entschieden, für Grundwasserschutz und Baumersatz ist gesorgt. "Seit 30 Jahren warten Gemeinden darauf, endlich vom Durchgangsverkehr entlastet zu werden", hat Ministerpräsident Volker Bouffier vergangenen Samstag auf dem CDU-Parteitag in Willingen das Ja zum Autobahnbau bekräftigt - und den grünen Koalitionspartner gelobt, der hier verlässlich zum Vereinbarten stehe. Die Grünen selbst sagen lieber nichts in diesen Tagen.

Die Gegner der A 49 ärgert das besonders: Ausgerechnet die Landtags-Grünen stehen nicht an ihrer Seite. Viele kämpfen seit Jahrzehnten gegen das Projekt, sie halten es für einen "Planungsdinosaurier", der einen jahrhundertealten Wald zerstört und ein Trinkwasserreservoir gefährdet. Und wie kann es sein, dass ausgerechnet die Projektmanagementgesellschaft DEGES, die im Auftrag der Bundesrepublik den Wald roden will, das notwendige Wassergutachten erstellen lässt? Der Umweltverband BUND Hessen hält dies für unseriös und zitiert Karl-Heinz Schäfer, den Geschäftsführer des Zweckverbands der mittelhessischen Wasserwerke: Für die Wasserversorger sei der Bau "wie eine Operation am offenen Herzen."

Helfen werden solche Argumente wohl nichts. Die DEGES will ab diesem Donnerstag Bäume fällen. Man rechne mit lang anhaltendem Widerstand, sagte eine Polizeisprecherin am Mittwoch in Gießen. Die Räumung werde wohl mehrere Wochen dauern, das Gelände sei unübersichtlich, und man wolle die Gesundheit der Demonstrierenden nicht gefährden. Der Sportplatz, wo derzeit noch ein Protestcamp steht, soll zum Landeplatz für Polizei- und Rettungshubschrauber werden.

Ein heißer Herbst für Mittelhessen. Eine Ahnung davon bekamen die Gießener vorige Woche: Über Nacht waren in der Stadt um die 200 Autos mit einem roten X zum "Abfackeln" markiert, wie es in einem auf der linksradikalen Plattform indymedia veröffentlichten Schreiben hieß. Die PR-Werte der Baumbesetzer hat das erst einmal gedrückt.

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