Süddeutsche Zeitung

Solidaritätskonzert im Dannenröder Forst:Oh Danny Boy

Lesezeit: 2 Min.

Der Pianist Igor Levit gibt im Dannenröder Forst ein Solidaritätskonzert für die Menschen, die gegen den Bau der A 49 kämpfen - und wählt traurige Lieder.

Von Matthias Drobinski, Frankfurt

Früh am Morgen haben sie ein weiß bezogenes Podest gebaut und ein schwarz glänzendes Klavier daraufgestellt. Mitten im Wald, direkt an den stacheldrahtbewehrten Zaun, der die nun kahle Schneise durch den Dannenröder Wald bewacht, auf der einmal die Autobahn A 49 verlaufen und Nord- mit Südhessen verbinden soll. Im Netz hat es gleich eine kleine Deutungsschlacht um den Lkw gegeben, der das Musikinstrument angeliefert hat: Erst gegen Autobahnen protestieren und dann den Lastwagen kommen lassen, haben die Befürworter des Baus gelästert. Da sieht man mal, wie wenig man die neue Autobahn braucht, haben die Gegner dagegengehalten.

Um halb zehn Uhr jedenfalls ist Igor Levit da, der Pianist. Luisa Neubauer, die "Fridays for Future"-Aktivistin, hat ihn in den Dannenröder Wald geladen, wo gerade ziemlich viele Polizisten die letzten Baumhäuser räumen, damit das letzte Stück Wald für die geplante Autobahn gerodet werden kann. Greenpeace hat die Aktion logistisch unterstützt. 18 Funklautsprecher übertragen das Solidaritätskonzert des Starpianisten so, dass die Frauen und Männer auf den Bäumen zuhören können. Und die Polizistinnen und Polizisten auch, wenn sie mögen.

Der Wind, der an diesem Morgen durch den Wald fegt, knattert in den Mikrofonen, der Regen hat gerade aufgehört. "Auch wenn der letzte Baum gefallen ist, werden die großen Fragen im Raum stehen bleiben", sagt Luisa Neubauer. Und dass der Widerstand im oberhessischen Wald dazu beigetragen habe, die Debatte über das Verhältnis von intakter Natur und betonierter Infrastruktur in die breite Öffentlichkeit zu bringen. Es klingt nach Abschied und Trost, was sie sagt, auch wenn alle Protestgruppen rund um den Wald betonen, dass ihr Widerstand gegen das Projekt auch nach der Rodung weitergehen werde.

Statt kämpferischer Lieder gibt es leise Töne

Igor Levit trägt Schal und weiße Wollmütze, die bloßen Finger wärmt er in der Hosentasche. Beim Proben habe er "das Gefühl gehabt, einen Schwanengesang zu spielen", sagt er, trotzdem sei er "dankbar, glücklich, froh, hier zu sein", aller Trauer zum Trotz. Er setzt sich ans Klavier, der irische Song "Danny Boy" weht durch den Wald, es ist ein leises, trauriges Lied vom Abschied, vom Sterben, der Erinnerung an den geliebten Danny. "Danni", so haben die Aktivistinnen und Aktivisten den besetzten Wald genannt.

Eine gute Stunde spielt Levit, gefilmt von zahlreichen Kameras. Zwischendurch wärmt er die Hände auf und sagt, dass er eigentlich vorhatte, eher optimistisch-kämpferische Lieder vom Zusammenhalt und der Solidarität zu spielen, er habe sich aber umentschieden. Es wird ein Konzert der leisen Töne. Mit einem Stück des amerikanischen Jazz-Komponisten Fred Hersch, das der extra für Igor Levit geschrieben habe, wie der Pianist stolz verkündet: "Trees", eine Hymne an die Bäume.

Hinten im Wald hört man die Motorsägen. Und sieht die Hebebühnen, mit denen die Polizei die letzten Baumhäuser räumt.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen für 0,99 € zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5137520
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.