Als David Brown, der Polizeichef von Dallas, nach der Schreckensnacht das erste Mal vor die Kamera tritt, ist es seine Aufgabe, die Bevölkerung auf den neuesten Stand zu bringen. Und das nach einer Attacke, die gezielt gegen Polizisten gerichtet war, gegen ihn, gegen alle Beamte, die im ganzen Land ihren Kopf hinhalten.
Nüchtern liefert Brown Einzelheiten über die Verhandlungen mit dem Heckenschützen, der sich zunächst im Parkhaus des "El Centro"-College verschanzte und drohte, weitere Polizisten zu töten. Doch der Mann mit der Glatze und der eckigen schwarzen Brille zeigt sich auch selbst tief erschüttert: "Wir sind verletzt", sagte er. "Es gibt keine Worte, das Grauen zu beschreiben, das unserer Stadt widerfahren ist."
Der Mann, der fünf Polizisten erschoss, ist tot. Er starb durch eine Bombe, die ein ferngesteuerter Roboter in seiner Nähe platzierte. Zurück bleibt eine geschockte Nation, die versucht, das Trauma zu bewältigen. Und Polizeichef Brown ist der Mann, der den Weg weisen könnte.
Seit 33 Jahren ist er bei der Polizei in Dallas im Einsatz, seit 2010 als Polizeichef. Brown gilt als Einzelgänger, als Mann, der sich mit niemandem gemein macht. Seit Jahren kämpft er in den eigenen Reihen gegen Rassismus und Polizeiwillkür. Brown ist unbequem, sein Einsatz bringt ihm Kritik unter Kollegen ein. Diejenigen, die ihn kennen, beschreiben ihn als strengen aber fairen Vorgesetzten. Als einen, der mit allem umgehen kann - nicht zuletzt weil ihn das Leben auf viele schmerzliche Proben gestellt hat.
1988 wurde auf der Polizeistation gemeldet, dass ein Beamter angeschossen worden sei. Brown machte sich auf den Weg. Am Tatort fand er eine Brille, die ihm bekannt vorkam. Sie gehörte seinem früheren Partner Walter Williams. Brown fuhr zu dessen Ehefrau und drei Kindern. Er war dabei, als sie erfuhren, dass Williams im Krankenhaus gestorben war. Brown hat diesen Verlust bis heute nicht überwunden. "Wenn so etwas passiert und du auch noch ganz nah dran bist, kannst du es nicht glauben", sagte er später in einem Interview.
Drei Jahre nach dem Tod von Williams töten Drogendealer Browns Bruder. Öffentlich spricht er nicht darüber. In einem Interview machte er jedoch deutlich, dass er nachvollziehen könne, was die Familien von Opfern durchmachen müssten. 2010 tötete sein Sohn, David Junior, einen jungen Mann und einen Polizisten. David Junior, der psychisch krank war und unter Drogen stand, wurde schließlich von Beamten erschossen, die zur Hilfe gerufen worden waren. David Brown besuchte die Angehörigen der Toten und entschuldigte sich für die Taten seines Sohnes. "Er ging auf diese Familien zu, als Vater eines jungen Mannes, der diesen Menschen so viel Leid bereitet hatte", erzählt einer, der bei der Begegnung dabei war.
Wie soll es weitergehen?
Wenn David Brown in diesen Tagen vor die Presse tritt, sehen die Menschen einen Mann, der den Schmerz der Angehörigen der toten Polizisten kennt - aber auch den Verlust der Familie des getöteten Schützen nachvollziehen kann.
Er steht vor schwierigen Aufgaben: Brown muss fünf Kollegen beerdigen, seinen Mitarbeitern Trost spenden - aber auch Zuversicht geben. Gleichzeitig überwacht er die Untersuchungen der Nacht von Dallas. Seine Vergangenheit macht es ihm nicht unbedingt leichter, all das zu bewältigen. Doch genau wegen seiner Erfahrung sehen einige in ihm den perfekten Krisenmanager.
"Es war nicht leicht für David Brown. Aber er ist ein Mann, der alles durchstehen kann", sagte sein früherer Betreuer der Washington Post. "Er setzt ein Beispiel für alle Polizeichefs im ganzen Land, was Widerstandsfähigkeit betrifft. Er zeigt, wie man unsere Kollegen durch diese Tragödie führt", so ein Polizeichef aus Norman.
Nach den Schüssen von Dallas wurde der Tod von Polizisten im Dienst groß thematisiert. Doch David Brown ist es wichtig, dass nun nicht nur über einen besseren Schutz der Polizei diskutiert wird. In Dallas hatten vor der Attacke Menschen friedlich gegen Polizeigewalt demonstriert, nachdem zwei Schwarze von Beamten im Dienst erschossen worden waren. Der Schütze, der am Ende der Demonstration auf Polizisten feuerte, hatte erklärt, er sei voller Hass auf weiße Polizeibeamte. "Das muss aufhören, diese Spaltung zwischen Polizisten und Bürgern", sagte Brown später während einer Pressekonferenz. Ein Appell, der an die gesamte Nation gerichtet war.
350 Beschwerden gegen Polizisten jedes Jahr
Brown, selbst Afroamerikaner, kämpft schon seit längerem gegen diese Spaltung. Als Polizeichef hat er es sich zur Aufgabe gemacht, das Misstrauen zwischen der Polizei und den Minderheiten abzubauen. Er hielt seine Beamten dazu an, weniger von der Schusswaffe Gebrauch zu machen, und tatsächlich sank laut New York Times die Zahl der Schießereien. Kommt es zu Schusswechseln, veröffentlicht Browns Polizeistelle nicht selten die Namen der beteiligten Beamten.
Brown hat in der Vergangenheit dutzende auch höherrangige Polizisten entlassen, teilweise öffentlich. Als Beamte einen Mann verprügelten und versuchten, die Tat zu vertuschen, veröffentlichte er das Videomaterial, das das Vorgehen der Polizisten dokumentierte. Ähnlich ging er auch bei einem Polizisten vor, der einen Mann in Handschellen mit Pfefferspray besprühte. In beiden Fällen hielt Brown Pressekonferenzen ab und feuerte die Polizisten.
Seinen Angaben zufolge erhält seine Dienststelle jedes Jahr 350 Beschwerden gegen Beamte, die ganz genau überprüft würden. "Brown glaubt, dass wir erst in unserem eigenen Haus aufräumen sollten, bevor wir von anderen verlangen, dass sie bei sich aufräumen", sagte ein früherer Beamter über den Polizeichef.
Browns striktes Vorgehen in den eigenen Reihen hat ihn zu einer umstrittenen Person gemacht. Mehrere Polizeivereinigungen fordern seinen Rücktritt. Doch stets hatte er die Rückendeckung des Bürgermeisters von Dallas. Brown sieht sich in seinem Kurs bestätigt: "Das ist doch ein Ehrenabzeichen", sagte er dem Dallas Observer. Es könnte ihm nützen, die schwierige Situation in Dallas zu meistern. Und damit vielleicht dem ganzen Land zu helfen.