Dalai Lama in Brüssel:EU verärgert China

Der Auftritt des Dalai Lama vor dem EU-Parlament in Brüssel und das Treffen mit Nicolas Sarkozy sorgen in China für harsche Kritik. Peking hofft, der französische Präsident treffe die "richtige Wahl".

Cerstin Gammelin

Das bevorstehende Treffen des Dalai Lama mit dem französischen Präsidenten und EU-Ratsvorsitzenden Nicolas Sarkozy belastet das Verhältnis zu China.

Dalai Lama in Brüssel: "Ein wahrer Freund weist auch auf die Fehler seines Freundes hin": Der Dalai Lama im EU-Parlament in Brüssel.

"Ein wahrer Freund weist auch auf die Fehler seines Freundes hin": Der Dalai Lama im EU-Parlament in Brüssel.

(Foto: Foto: AP)

Peking lege großen Wert auf eine strategische Partnerschaft und den Handel mit Frankreich, sagte Außenminister Liu Jianchao in Peking. Handelsbeziehungen setzten aber "gute bilaterale Beziehungen" voraus. Er hoffe, dass Frankreich die "richtige Wahl" treffen werde. Ungeachtet der Kritik haben die Europäer an der Einladung des Dalai Lama am Donnerstag in das EU-Parlament nach Brüssel festgehalten.

Sarkozy plant zudem, am Samstag in Danzig bei einem Treffen von Friedensnobelpreisträgern mit dem geistlichen Oberhaupt der Tibeter zu sprechen. Aus Protest dagegen hatte Peking bereits einen für vergangenen Montag in Lyon geplanten EU-China-Gipfel abgesagt. Der Dalai Lama erklärte, das Treffen mit Sarkozy sei eine "große Ehre". "Ich habe mich schon mit der sehr attraktiven Frau des Präsidenten getroffen, jetzt freue ich mich, ihren Mann kennenzulernen".

Der Dalai Lama rief im EU-Parlament China auf, seine Menschenrechtspolitik zu überdenken. Dies sei auch im Interesse der chinesischen Regierung, sagte das geistliche Oberhaupt der Tibeter. "Die Volksrepublik China hat den Ehrgeiz, eine Supermacht zu werden. Sie verdient das", sagte der Dalai Lama. "Aber ein wichtiger Faktor dafür fehlt ihr: die moralische Autorität". Von der EU erwarte er einen kritischen Dialog mit China. "Ein wahrer Freund weist auch auf die Fehler seines Freundes hin", sagte der 73-Jährige.

Deutlich mehr Gäste als Abgeordnete interessierten sich für den Auftritt des Dalai Lama in Brüssel. Vor dem nur zu gut einem Drittel besetzten Plenum, aber überfüllten Zuschauertribünen erklärte der Dalai Lama, er sei "kein Heiliger, sondern nur ein Mensch unter sechs Milliarden Menschen, die alle glücklich sein wollen". Er bekräftigte, Tibet nicht von China separieren zu wollen. "Wir wollen bei China bleiben, aber wir wollen eine echte Autonomie bekommen und unsere eigenen Interessen verwirklichen", sagte er. Behauptungen der chinesischen Regierung, wonach er Tibet abspalten wolle, seien Propaganda.

Der Dalai Lama räumte ein, dass es auch militante Anhänger unter den Tibetern gebe. Alle organisierten Gruppen seien jedoch "auf den mittleren Weg, den Weg der Gewaltfreiheit" eingeschwenkt. Tibetische Jugendorganisationen seien nicht mit Terroristen durchsetzt. "Ich trete hier mit einem Mandat der Tibeter für Gewaltverzicht auf. Die Mehrheit steht hinter mir", erklärte der Dalai Lama.

EU-Parlamentspräsident Hans-Gert Pöttering bekräftigte, dass Brüssel die territoriale Integrität der Volksrepublik China voll anerkenne, sich jedoch für die kulturelle und religiöse Autonomie Tibets einsetze. Um ihre Solidarität zu symbolisieren, hatten EU-Parlamentarier den Besuchstag des Dalai Lama als Fastentag ausgerufen. Mehr als 500 Abgeordnete, Privatpersonen und Bedienstete der EU folgten dem Aufruf, verzichteten ab Mitternacht auf Nahrungsmittel und trugen weiße Seidenschals. Unter ihnen waren 35 Deutsche.

Der Friedensnobelpreisträger schloss sich dem Fasten an. Er warnte zugleich davor, hinter jedem seiner Schritte politische Strategien zu vermuten. "Ich habe keine politische Agenda", betonte er. Er treffe Staatschefs und andere Persönlichkeiten vor allem deshalb, um "verzerrte Informationen wieder gerade zu rücken, aber nicht aus politischem Kalkül".

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