Daimler-Chef auf Grünen-Parteitag:Grüner Dialog mit dem Antichrist

Bundesparteitag der Grünen

Autoindustrie und Öko-Partei verneigen sich voreinander: Grünen-Chef Özdemir (rechts) und Daimler-Boss Zetsche.

(Foto: dpa)
  • Dieter Zetsches Einladung zum Bundsparteitag der Grünen war in der Partei sehr umstritten.
  • Grünen-Chef Özdemir schärft den Delegierten in einer umjubelten Rede ein, keine Angst vor Dialog zu haben.
  • Der Daimler-Chef erntet für seine Rede schließlich sogar Zwischenapplaus.

Von Thorsten Denkler, Münster

Der Tagungspräsident muss Cem Özdemir stoppen. "Kann einer bitte noch den Gast ankündigen", bittet er. Özdemir hat mit einem leidenschaftlichen Appell gerade erfolgreich eine kleinliche Debatte darüber beendet, ob Daimler-Chef Dieter Zetsche bei den Grünen reden darf. Der Bundesvorstand hatte ihn eingeladen, auf dem Parteitag in Münster zur Verkehrspolitik zu sprechen. Was nach dieser Einladung durch die Partei ging, kam einem Aufschrei des Entsetzens gleich. Als wäre Zetsche der Antichrist.

Doch der Bundesvorsitzende hämmert seinen Grünen ein, endlich Dialogbereitschaft zu zeigen. Weil die Energiewende ohne die Konzerne einfach nicht zu machen sei. "Ist das nicht eigentlich ein Hammerkompliment für uns Grüne, dass Zetsche zu den Grünen kommt?", fragt Özdemir in den Saal. Und erntet da noch ein paar Buhrufe.

"Angst ist kein guter Ratgeber! Wir brauchen Rückgrat!"

Dann fordert Özdemir von den Delegierten mehr Rückgrat, mehr Selbstbewusstsein, weniger Angst. "In diesem Saal wird diskutiert, wie die Zukunft der Automobilität aussieht!" Jetzt donnert der Applaus, die ersten Delegierten stehen auf. "Woher kommt diese Angst?", ruft der Vorsitzende ins Plenum. "Angst ist kein guter Ratgeber! Wir brauchen Rückgrat, sehr viel Rückgrat!"

Jetzt steht die halbe Halle. Es ist, als hätten die Grünen endlich verstanden. Verstanden, dass es besser ist, miteinander zu reden, als übereinander.

Zetsche darf also reden. Zu seiner Rede kommt er in Jeans, Jackett und mit offenem Kragen. Er könnte auch als Grüner durchgehen. Das ist er aber natürlich nicht. Er ist Auto-Mann. Trotzdem bekommt er sogar einen freundlichen Begrüßungsapplaus geschenkt. Zwar sind auch ein paar Buhrufe zu hören. Aber ohne ein Buh, das wäre auch komisch.

Eine Abordnung der Grünen Jugend zieht lautstark mit Protest-Plakaten gegen Zetsche durch die Gänge. Sie haben sich Zetsche-Schnurrbärte ins Gesicht geklebt. Der Daimler-Chef wartet einfach ab. Irgendwann sagt er dann: "Vielen Dank." Und: "Den meisten von Ihnen steht der Schnurrbart gut." Er kennt solche Proteste von Aktionärsversammlungen. Die sind auch nicht immer Friede-Freude-Eierkuchen-Veranstaltungen.

Das Eis zwischen Redner und Publikum bekommt Risse

Der Kritik an seiner Person nimmt er direkt zu Beginn seiner Rede den Wind aus den Segeln. Auf Twitter habe er gelesen: Zetsche zur Verkehrspolitik reden zu lassen - "da könnte man ja gleich Trump zum Thema Frauenpolitik reden lassen". Er erntet ein paar Lacher. Selbstironie hilft immer. Das Eis ist zwischen dem Auto-Mann und der Umweltpartei ist zwar nicht gebrochen, aber es hat ein paar Risse bekommen. Das ist deutlich mehr, als im Vorhinein zu erwarten war.

Der Daimler-Chef macht relativ schnell deutlich: In den Zielen ist er sich mit den Grünen weitgehend einig. Klimaschutz hat oberste Priorität. Weitermachen wie bisher geht nicht. E-Mobilität muss endlich ein Markterfolg werden. Die Grünen wollen den Verkauf von Neuwagen mit Verbrennungsmotoren ab 2030 verbieten. Auf eine Debatte über dieses konkrete Ziel will sich Zetsche nicht einlassen. Die einen sagten, ein solches Verbot sei 2015 schon möglich, resümiert er. Andere sagten, erst 2040. Wichtig sei ihm nur die Erkenntnis: "Der Verbrennungsmotor muss seine Abschaffung selbst finanzieren." Der Ausstieg solle möglichst ohne Steuergeld auskommen. Aber: "Wenn wir über den homöopathischen Marktanteil hinaus kommen wollen, geht das nicht über homöopathische Investitionen."

Zetsche plädiert für einen "realistischen" Rahmen. Auch dafür, Tempo zu machen. Aber wie schnell E-Autos dann tatsächlich den Markt bestimmen, das sollen doch bitte die Kunden entscheiden. Allerdings sieht er seinen Konzern in der Verantwortung, wie er sagt, "faszinierende" E-Autos auf den Markt zu bringen. Dafür sei die Zeit reif, Reichweite und Batterietechnologie stimmten.

Und gibt den Grünen noch eine versöhnliche Botschaft mit auf den Weg: "Das alte Lagerdenken zwischen angeblichen PS-Fetischisten und freudlosen Anti-Auto-Ökos wird von der Realität überholt."

Diskutierten die Grünen noch vor wenigen Stunden darüber, ob sie ihm überhaupt zuhören wollten, spenden sie Zetsche nun hin und wieder sogar Zwischenapplaus. Özdemirs aufrüttelnde Rede hat gewirkt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: