Süddeutsche Zeitung

Dänemark:Wenn Linke rechts werden

Die Rechtspopulisten schrumpfen bei der Parlamentswahl in Dänemark stark, weil die Sozialdemokraten große Teile ihrer Agenda kopieren. Das ist billig und effektiv - vor allem aber gefährlich.

Kommentar von Kai Strittmatter, Kopenhagen

Dänemark hat gewählt, und anders als in anderen Ländern hat sich hier keine Wut gegen das "System" und die "Systemparteien" Bahn gebrochen. Die großen Gewinner sind den Wahlnachfragen zufolge die Sozialdemokraten, und die großen Verlierer die rechtspopulistische Dänische Volkspartei DF.

Dänemark also die Insel der Seligen in stürmischen Zeiten? Leider nein. Denn das Rezept, mit dem die etablierten Parteien die Volkspartei hier wieder auf Zwergenmaß stutzen ist ein gefährliches: Sie kopieren einfach große Teile ihrer Agenda. Sie machen die Rechten überflüssig, indem sie selbst in der Ausländer- und Flüchtlingspolitik nach rechts rücken. Die rechtspopulistische Dänische Volkspartei hat die Politik und die Gesellschaft in dem Land in den letzten zwei Jahrzehnten weit nach rechts gezogen, ohne dass sie jemals selbst an der Regierung gewesen wäre. In Dänemark gilt heute als normal (zum Beispiel die Verschickung eines Teils der Flüchtlinge auf eine unbewohnte Insel), was anderswo noch immer undenkbar wäre.

Die Niederlage der Rechtspopulisten am heutigen Mittwoch ist also eigentlich die Folge eines großen Triumphes: Mit ihrer immer engstirnigen, manchmal absurden und bisweilen unmenschlichen Agenda haben sie alle anderen angesteckt und Dänemark ein Stück weit nach ihrem Bilde geformt.

Die Sozialdemokraten gelobten, auch in Zukunft mit der Dänischen Volkspartei kooperieren zu wollen

Besonders zeigt sich das am Beispiel der Sozialdemokraten. Vier der fünf letzten Wahlen haben sie verloren, vor allem wohl wegen des alles beherrschenden Themas Immigration und Flüchtlinge. Unter Parteichefin Mette Frederiksen taten sie dann in ihrer Verzweiflung etwas, was keine sozialdemokratische Partei in Europa sich bislang getraut hat: Im Sozialen betonen sie wieder linke Ansätze - in der Ausländerfrage aber vollzogen sie einen starken Rechtsschwenk. Geschuldet ist das natürlich vor allem der Erkenntnis, dass man mit den Rechtspopulisten um dieselbe Klientel in der Arbeiterschaft und bei den potenziellen Globalisierungsverlierern wirbt. Die Sozialdemokraten trugen zuletzt auch noch die schärfsten gesetzlichen Einschränkungen der Regierung für Asyl und Ausländer mit, und sie gelobten, auch in Zukunft mit der Dänischen Volkspartei kooperieren zu wollen.

Und sie wurden für den Spagat belohnt: Anders als die deutschen Sozialdemokraten konnten sie ihren Stimmenanteil im Vergleich zu den letzten Wahlen wenigstens halten, und damit nun stärkste Partei werden. Frederiksen preist ihren Weg längst als Modell - sie fordert ihre europäische Genossen auf, ihr zu folgen. Der Preis dafür aber ist ein hoher: Frederiksen argumentiert rational mit der Sorge um den Wohlfahrtsstaat, ihre Partei hat jedoch auf dem Weg nach rechts nicht nur einiges an Werten und Menschlichkeit aufgegeben - sie ist dabei auch mit beiden Füßen in die Falle der Rechtspopulisten getappt. Ihre neue Politik nämlich gibt letztlich der schlichten Propaganda von Rechtsaußen recht, die die Schuld an den sich verschlechternden Arbeits- und Lebensbedingungen der Arbeiterschicht nicht bei den entfesselten Kräften des global operierenden Kapitals und der ihm zuarbeitenden Politik sucht, sondern stattdessen einen einfachen Sündenbock präsentiert: den Immigranten. Das ist so billig wie effektiv - eine Sozialdemokratie aber, die diesen Weg einschlägt, die gibt ihre Kernkompetenz auf, und damit letztlich sich selbst.

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