Dänemark:Rot-grüner Ehrgeiz

Dänemark - Sozialdemokratin Mette Frederiksen

Dänemark soll an die „Spitze des grünen Wandels“, kündigt Mette Frederikson an. In der Ausländerpolitik will die Sozialdemokratin weiter mit Rechten kooperieren.

(Foto: Fabian Bimmer/Reuters)

Die Sozialdemokraten werden wieder regieren, und Mette Frederiksen hat bei Klima und Sozialem viel vor. Viele fragen nun, woher das Geld kommt.

Von Kai Strittmatter, Kopenhagen

Dänemark hat wieder eine sozialdemokratische Regierung und bekommt die jüngste Regierungschefin, die es je hatte. Der 41-jährigen Parteichefin der Sozialdemokraten, Mette Frederiksen, gelang in der Nacht zum Mittwoch die Einigung mit drei kleineren linken und grünen Parteien, die sich bereit erklärten, eine sozialdemokratische Minderheitsregierung zu unterstützen. Die vier Parteien handelten eine Neuausrichtung des Landes aus, mit einem Fokus auf Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit. Das dänische Programm überholt dabei an Ehrgeiz noch die nordischen Nachbarländer wie Finnland und Norwegen, die sich ebenfalls als Klimaschützer profilieren wollen, lässt es allerdings an Details zu Vorgehen und Finanzierung noch mangeln.

Dänemark will demzufolge bis zum Jahr 2030 seine Treibhausgase um 70 Prozent vermindern, ein ehrgeiziges Ziel, das Mette Frederiksen zufolge das Land wieder "an die Spitze des grünen Wandels" weltweit katapultieren soll. In der Ausländerpolitik handelten die drei kleineren Parteien des roten Blocks - die Einheitsliste, die Sozialistische Volkspartei und die Sozialliberalen - den unter Frederiksen in dieser Frage weit nach rechts gerückten Sozialdemokraten Zugeständnisse ab. So soll etwa ein schon beschlossenes Auslieferungszentrum für verurteilte Flüchtlinge auf der unbewohnten Insel Lindholm, eines der umstrittensten Projekte der rechtskonservativen Vorgängerregierung, nun nicht gebaut werden.

Im sozialliberalen und grünen Lager stieß die Regierungsvereinbarung am Mittwoch auf Beifall. Die große Zeitung Politiken sprach von einem "visionären politischen Projekt", das Dänemark hoffentlich "in eine grünere und gerechtere Richtung" lenken werde, die linke Zeitung Information nannte es "eine historische Chance für das rot-grüne Dänemark". Keine Zeitung vergaß allerdings darauf hinzuweisen, dass die ausgehandelte 18-seitige Vereinbarung sehr vage gehalten ist. "In zentralen Passagen erinnert das Regierungsdokument eher an eine Art Gruppentherapie", schreibt Politiken und prophezeit einiges an Reibereien für die Zukunft. Zur Finanzierung der ehrgeizigen Klimaschutzziele etwa findet sich nichts Konkretes. Der scheidende Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen kritisierte in einer ersten Reaktion auf Twitter die "rot-grüne Wunschliste": "Haben sie nicht vergessen, darüber zu sprechen, wie die Rechnung bezahlt werden soll?" Mette Frederiksen nannte die Klimapolitik bei der Vorstellung des Programms "unsere schwierigste Aufgabe", die man allerdings den Kindern schuldig sei. Sie erklärte, ihre Regierung wolle die Ziele verbindlich auch als Gesetz festschreiben.

Viel Geld möchte sie auch in Erziehung und Bildung von Kindern investieren, um Armut und Ungleichheit zu bekämpfen, auch das Personal im Gesundheitswesen möchte sie aufstocken. Die vielen Sparrunden der Vorgängerregierung bei Krankenhäusern, aber auch der Versorgung alter Menschen, hatten bei den Dänen zuletzt für immer mehr Murren gesorgt. Die Dänen zahlen für ihren Wohlfahrtsstaat mit die höchsten Steuern der Welt, dafür erwarten sie eine angemessene Gegenleistung. Frederiksen kündigte an, manche Steuern wie die Erbschaftsteuer gezielt erhöhen zu wollen; zudem will sie die Zahl der Beschäftigten steigern. Ein schwieriges Unterfangen in einem Arbeitsmarkt, der schon länger über Fachkräftemangel klagt. In der Presse meldeten sich am Mittwoch mehrere Ökonomen zu Wort, die sagten, die von Frederiksen erwähnten Maßnahmen brächten bei Weitem nicht genug Geld.

Bei der Ausländer- und Immigrationspolitik kam Frederiksen ihren Verhandlungspartnern in einigen Detailpunkten entgegen: Nicht nur wird das Abschiebezentrum auf der Insel Lindholm nicht gebaut, auch sollen alle Kinder aus dem in Verruf geratenen Abschiebezentrum Sjælsmark an einen anderen Ort umgelegt werden. Außerdem will Dänemark in Zukunft wieder UN-Vereinbarungen nachkommen und die ihm zugeteilten Quotenflüchtlinge aufnehmen, was das Land zuletzt verweigerte.

Gleichzeitig machte Frederiksen klar, dass sie festhalten werde an der Kehrtwende der dänischen Sozialdemokratie, die unter ihrer Führung große Teile der Ausländerpolitik der dänischen Rechtspopulisten übernommen hatte. An dem im Frühjahr auch mit den Stimmen ihrer Sozialdemokraten beschlossenen "Paradigmenwechsel" in der dänischen Ausländerpolitik soll nicht gerüttelt werden. Der besagt, dass es oberstes Ziel ist, in Dänemark ankommende Flüchtlinge zurück in ihre Heimatländer zu schicken. Frederiksen möchte bei der Migrationspolitik auch in Zukunft weiter mit den rechten Parteien im Parlament zusammenarbeiten. Das sei nun mal "der Preis, den die rot-grünen Parteien zahlen müssen" dafür, dass sie im Gegenzug die Fortschritte in Klima- und Sozialpolitik bekämen, seufzte die Zeitung Information.

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