Dänemark:Neuwahlen im Königreich

Dänemark: Sie hofft auf eine "breite Regierung der Mitte": Die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen gibt vor ihrem Amtswohnsitz Marienborg bekannt, dass gewählt wird.

Sie hofft auf eine "breite Regierung der Mitte": Die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen gibt vor ihrem Amtswohnsitz Marienborg bekannt, dass gewählt wird.

(Foto: Liselotte Sabroe/Ritzau/Scanpix/AP/dpa)

Ministerpräsidentin Mette Frederiksen kommt einem Misstrauensvotum zuvor: Die Sozialdemokratin ruft Parlamentswahlen aus für den 1. November.

Von Kai Strittmatter, Stockholm

Dänemark geht vorzeitig zur Wahl, ein halbes Jahr bevor die laufende Wahlperiode eigentlich zu Ende wäre. Ministerpräsidentin Mette Frederiksen verkündete am Mittwoch in ihrem Kopenhagener Amtssitz Marienborg, sie habe Neuwahlen angesetzt für den 1. November. Frederiksen rief die bürgerlichen Parteien zur Kooperation auf und sagte, ihr Wahlziel sei "eine breite Regierung der Mitte". In Zeiten großer Krisen sei es nötig, "eine neue Regierungsform in Dänemark zu testen". Die bürgerlichen und liberalen Parteien der Opposition erteilten der Idee umgehend eine Absage, sie streben nach dreieinhalb Jahren einer sozialdemokratischen Minderheitsregierung nun eine bürgerlich-rechte Regierung für Dänemark an.

Die Ausrufung der Neuwahlen war erwartet worden und ist indirekt die Folge der aufsehenerregenden Schlachtung aller dänischen Nerze im Jahr 2020: Eine Untersuchungskommission hatte in ihrem Abschlussbericht im Juli festgestellt, dass der von der Regierung erlassene Befehl zur Schlachtung ohne Rechtsgrundlage erfolgte, also illegal war. Daraufhin hatten die Sozialliberalen, eigentlich eine wichtige Unterstützerpartei der sozialdemokratischen Minderheitsregierung, der Ministerpräsidentin ein Ultimatum gestellt: Hätte Mette Frederiksen nicht spätestens am Mittwoch Neuwahlen anberaumt, dann wäre ihre Regierung am Donnerstag per Misstrauensvotum gestürzt worden.

Wahlkampf im Schatten der Krisen: Ukraine-Krieg, Inflation, Energiefrage

Es gab auch Stimmen, die Neuwahlen zum jetzigen Zeitpunkt kritisierten als unnötige Ablenkung in einer Zeit historischer Krisen. Mette Frederiksen selbst griff das am Mittwoch auf. Sie prophezeite einen ungewöhnlichen Wahlkampf in Zeiten von Krieg und wirtschaftlicher Unsicherheit.

Beobachter erwarten, dass der Wahlkampf nun ganz im Schatten dieser Krisen stehen wird: Der Krieg in der Ukraine, die galoppierende Inflation und die Energiekrise mit den steigenden Kosten für Unternehmen und Bürger. Die Sabotage an den Nord-Stream-Pipelines traf Dänemark besonders, da auch der Pipeline-Abschnitt angegriffen wurde, der unmittelbar vor der Küste der dänischen Insel Bornholm liegt.

Die dänischen Parteien hatten sich schon den Sommer über im Wahlkampfmodus befunden, auch die Regierungserklärung der Ministerpräsidentin am Dienstag vor dem Parlament klang schon wie eine Bewerbung für eine neue Amtszeit. Dabei, so kritisiert die konservative Zeitung Berlingske, trete Mette Frederiksen mittlerweile allzu wolkig und unkonkret auf. "Der Sozialdemokratie fehlt im Moment ein politisches Projekt: Wohin geht Dänemark?"

Mette Frederiken hatte die Wahlen 2019 gewonnen mit einem Klimawandel-Wahlkampf. Nun aber setzt sie ganz offensichtlich auf die Strategie, dass turbulente Zeiten nicht nach Visionen und Experimenten verlangen, sondern nach der sicheren Hand einer erfahrenen Staatenlenkerin. Die Sozialdemokraten haben ihren Wahlkampf ganz auf ihre Chefin zugeschnitten. "Mette oder Chaos" sei die Losung, schreibt Berlingske. Der internationale Krisencocktail sei dabei "ein Geschenk für die Ministerpräsidentin".

Dänemark: Jakob Ellemann-Jensen, der Chef der dänischen Liberalen von Venstre, findet, das Land brauche jetzt eine bürgerlich-liberale Regierung.

Jakob Ellemann-Jensen, der Chef der dänischen Liberalen von Venstre, findet, das Land brauche jetzt eine bürgerlich-liberale Regierung.

(Foto: Martin SylvestRITZAU SCANPIX/RITZAU/ SCANPIX/REUTERS)

Tatsächlich sehen die Umfragen im Moment ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Auf der einen Seite steht der "rote" Block, der die Sozialdemokraten und die sie unterstützenden Sozialliberalen sowie die rot-grüne Einheitsliste umfasst. Auf der anderen Seite mit minimalem Vorsprung der "blaue" Block aus Bürgerlichen, Liberalen und Rechtspopulisten. Für die Ministerpräsidentin sind das eher gute Nachrichten, denn im Gefolge des Nerz-Untersuchungsausschusses waren ihre Umfragewerte den Sommer über erst einmal abgestürzt. Aus dem Umfrageloch hat sie sich ein Stück weit wieder hochgearbeitet.

Das Vertrauensverhältnis der Koalitionspartner wirkt beschädigt

Ein Problem für sie ist, dass seit dem Neuwahl-Ultimatum der Sozialliberalen das Vertrauensverhältnis zwischen den Sozialdemokraten und ihrem Partner beschädigt sein dürfte. Frederiksen lässt denn auch keinen Zweifel daran, dass ein möglicher Wahlsieg des rechten Lagers die Schuld der Sozialliberalen wäre. Gleichzeitig versucht Frederiksen schon seit Wochen, auf die bürgerlichen Parteien zuzugehen. Sie ahnt, dass es diesmal womöglich für eine eigene Mehrheit ihres roten Lagers nicht reichen wird - und propagiert nun eine gemeinsame Regierung der "politischen Mitte", natürlich unter ihrer Führung.

Eine Idee, die beide große Parteien des rechten Lagers, die Konservativen und die Liberalen, bislang kategorisch ablehnen. Dänemark brauche eine "bürgerlich-liberale Regierung", sagte Jakob Ellemann-Jensen, Chef der Liberalen. Jensen tritt ebenso als Ministerpräsidentenkandidat an wie Søren Pape Poulsen, Parteichef der Konservativen. Ihr gemeinsames Ziel: die Ablösung von Mette Frederiksen.

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