Dänemark. Wunderbares Land. So gut wie keine Bestechung, kaum Missbrauch von Macht- oder Vertrauenspositionen. Zum sechsten Mal in Folge wurde das kleine Königreich kürzlich von Transparency International zum Land mit der geringsten Korruption im öffentlichen Sektor gekürt. Insbesondere hebt der aktuelle Transparency-Jahresbericht, der weltweit 180 Länder scannt, das "gute und gesunde Geschäftsumfeld" in Dänemark lobend hervor.
Und dann das: Ein dänischer Immobilieninvestor bietet vor laufender Kamera an, Kriminellen dabei zu helfen, dreistellige Millionenbeträge in Steuerparadiesen zu parken und brüstet sich dabei mit seinen exquisiten politischen Kontakten, schließlich saß er früher mal für die Sozialdemokraten im Stadtrat von Køge. Ein erfolgreicher Anwalt gibt einem Gangster Tipps und verspricht mehrmals, in seiner Funktion als Insolvenzverwalter vor Gericht demnächst beide Augen zuzudrücken. Der Jurist war zu dem Zeitpunkt Partner in einer der angesehensten und mit 350 Mitarbeitern auch größten Kanzleien des Landes, die oftmals vom Staat oder der öffentlichen Hand bei Unternehmensinsolvenzen betraut wurde.
Aufgenommen wurden die Szenen im Büro der Anwältin Amira Smajic. Die hatte sich vor zwei Jahren an den Investigativjournalisten Mads Brügger gewandt. Sie hatte zuvor immer wieder Mitglieder der Hells Angels, der Bandidos und anderer gewalttätiger Rockerbanden verteidigt und war so immer tiefer in deren Netzwerke hineingezogen worden. Jetzt, so ihre Argumentation Brügger gegenüber, wolle sie einen Cut und sei bereit, mit ihm zusammenzuarbeiten, um zu zeigen, wie eng und intensiv die kriminelle Unterwelt und die dänische Oberschicht miteinander verbandelt sind.
Geldwäscher, bekannte Immobilienfirmen und Gangsterrocker
Brügger und ein Redaktionsteam des Senders TV 2 stellten ihr daraufhin ein rundum verkabeltes Büro zur Verfügung und bekamen so frei Haus einen Dokumentarkrimi geliefert, mit schmierigen Geschäftsleuten, die sich freimütig brüsten, mehrere ihrer Unternehmen dienten einzig und allein der Geldwäsche; mit jovialen Juristen, deren täglich Brot illegale Tricksereien zu sein scheinen; und mit wilden Gangsterrockern wie Fasar Abrar Raja, einem vielfach vorbestraften Bandidos-Mitglied. Offiziell Frührentner, der allmonatliche seine staatliche Pension einstreicht, betreibt Abrar Raja mehrere Unternehmen, die sich auf die illegale Entsorgung kontaminierter Bauabfälle spezialisiert haben.
In der Dokumentation sieht man, wie er mit dem leitenden Angestellten einer der größten Immobilienfirmen des Landes darüber verhandelt, wo man denn schwer kontaminierte Böden am besten verschwinden lassen könnte und erklärt, sein schalldichtes Büro für Folterungen genutzt zu haben. Lachend erzählt er davon, wie er eine psychiatrische Diagnose, die ihm im Rahmen eines seiner vielen Prozesse gestellt wurde, regelmäßig vor Gericht als Trumpf verwende, indem er den Idioten spiele.
Die Serie erschüttert "unseren kindlichen Glauben an Ordnung und Ehrlichkeit"
Geradezu schwindelerregend wird es, als herauskommt, dass die Anwältin Amira Smajic, die ja von sich auf den Fernsehsender zukam, um, wie sie sagte, die korrupten Machenschaften zwischen Unterwelt und High Society aufzudecken, ein Doppelspiel betreibt: Anscheinend hatte sie die ganze Zeit der Recherche über mit einem der Verbrecher eine Liebes- und Geschäftsbeziehung und betrieb heimlich ein weiteres Anwaltsbüro. Vor dem Sendetermin versuchte sie dann, die Ausstrahlung der Serie verbieten zu lassen, was ihr nicht gelang. Argumentation des Gerichts: Das, was darin zur Sprache komme, sei von großem öffentlichem Interesse.
Das kann man wohl sagen. " Den sorte svane" (Der Schwarze Schwan), die sechsteilige Serie, die seit vergangener Woche auf TV2 zu sehen ist, schlägt in Dänemark ein wie eine Bombe. Natürlich wegen des extrem schillernden Personals und der vielen munter zur Sprache gebrachten Verbrechen. Aber auch, weil sie das Selbstbild der Dänen und ihr enormes Vertrauen in öffentliche Institutionen doch einigermaßen ins Wanken bringt.
Ulla Pors Nielsen, Nachrichtendirektorin von TV 2, schrieb, "Der Schwarze Schwan" erschüttere "unseren kindlichen Glauben an Ordnung und Ehrlichkeit in der dänischen Gesellschaft." Premierministerin Mette Frederiksen empörte sich auf Instagram darüber, dass Geschäftsleute und Anwälte "sogar mit Bandenmitgliedern kollaboriert haben" und versprach, mit ihrer Regierung in den kommenden Tagen zu prüfen, wie man "noch härter gegen Banden vorgehen" könne. Justizminister Peter Hummelgaard hat bereits erweiterte Fahndungsbefugnisse für die Polizei und strengere Gesetze angekündigt. Amira Smajic ist untergetaucht und steht allem Anschein nach unter Polizeischutz. Die Geschichte hat, so scheint es, gerade erst richtig angefangen.