Süddeutsche Zeitung

Dänemark:"Ich bin nicht Polizist geworden, um Flüchtlingen ihr Eigentum zu rauben!"

  • Dänemark will Flüchtlinge an den Kosten ihrer Verpflegung und Unterbringung beteiligen und plant, Asylsuchenden Wertgegenstände zu nehmen.
  • Das Vorhaben hat weltweit für Negativ-Schlagzeilen gesorgt.
  • Jetzt hat ein dänischer Polizist seinem Ärger über die Pläne der Regierung auf Facebook Luft gemacht.

Von Matthias Fiedler und Gunnar Herrmann

Flüchtlinge sollen an Kosten beteiligt werden

Die Pläne der dänischen Regierung, ins Land erstmals einreisenden Flüchtlingen Wertgegenstände abzunehmen, haben weltweit für Negativ-Schlagzeilen gesorgt. Dänemark will so Flüchtlinge an den Kosten ihrer Verpflegung und Unterbringung beteiligen.

Zu dem Vorhaben melden sich nun auch kritische Stimmen aus Reihen der dänischen Polizei. Jacob Nielsen, der sich als Polizist aus Kopenhagen vorstellt, erklärte auf Facebook: "Ich bin nicht Polizist geworden, um Flüchtlingen ihr Eigentum zu rauben!" Über 20 000 Mal wurde der Beitrag inzwischen geteilt. In Dänemark hat er eine gewaltige Debatte ausgelöst, auch die größte Nachrichtenagentur des Landes, Ritzau, hat darüber berichtet. Allerdings konnte bislang niemand die Identität Nielsens zweifelsfrei belegen. Es sprechen jedoch viele Indizien dafür, dass er tatsächlich Polizist ist. So danken dem Beamten in den Kommentaren unter dem Beitrag beispielsweise neben Freunden auch Polizei-Kollegen und zollen seinen Worten Respekt.

Nielsen erklärte, er habe 13 Jahre lang loyal wechselnden Regierungen gedient, auch im Bezug auf Gesetze und Regeln, mit denen er nicht einverstanden ist. "Ich habe Brandbomben, Steine, Glasflaschen und vieles mehr ertragen - für Angelegenheiten, die nicht die meinen waren (...)." Er sei Polizist geworden, weil er wisse, dass Gerechtigkeit etwas ist, für das man hart arbeiten muss, und weil jemand diejenigen schützen muss, die sich nicht selbst wehren können.

Großeltern würden sich im Grabe umdrehen

Er nehme Menschen oft Sachen weg - weil sie illegal sind, oder gestohlen wurden oder weil sie dafür benutzt werden, anderen zu schaden, aber er nehme niemals Menschen ihre Kleidung weg oder durchsuche ihren Mund, um ihnen ihren eigenen Ring zu entwenden.

"Stellt sich die Regierung vor, dass ich an der Grenze stehe und das Gold aus dem Mund jener herauspule, die versuchen, das Letzte zu schützen, was sie haben?", fragt Nielsen.

Seine Großeltern, die im dänischen Widerstand gegen die deutschen Besatzer waren, schreibt Nielsen, würden sich im Grabe umdrehen, wenn sie wüssten, "wem ich zu ähneln beginne".

Nielsen erklärte weiter, während der Staat ihn und seine Kollegen gegen ihren Willen zwinge, den Ankommenden ihre Wertgegenstände abzunehmen, könnten Verbrecher unbemerkt ihr Werk verrichten. Die Aufgaben eines Polizisten seien der Schutz von Bürgern und Demokratie und nicht das Plündern von Flüchtlingen.

Die dänische Regierung hatte im November in einem 34-Punkte Plan neue Regeln für Flüchtlinge beschlossen. Mitgebrachte Wertgegenstände mit einem Wert ab 3000 Kronen (400 Euro) sollen in die Staatskasse wandern, damit ihre Unterkunft, Sprachkurse, Gesundheitsleistungen und Berufsbildung bezahlt werden können, sagte Integrationsministerin Inger Støjberg. Eheringe, Uhren und Gegenstände mit "sentimentalem Wert" seien davon nicht betroffen, sagte sie.

Auch Claus Oxfeldt, Chef der Polizeigewerkschaft, hatte erklärt, man könne von Polizeibeamten nicht erwarten, dass sie den Wert von Schmuck oder Bekleidungsstücken sicher einschätzen können. "Wir sind nicht im Stande zu beurteilen, ob ein Ring 1000, 5000 oder 10 000 Kronen wert ist", sagte Oxfeldt.

Integrationsministerin Støjberg widersprach ihm umgehend: "Ich glaube schon, dass die meisten schätzen können, ob etwas 1000 oder 20 000 Kronen wert ist." Wenn man Zweifel habe, "kann man den Schmuck ja schätzen lassen oder ihn nicht beschlagnahmen."

Gesetzesvorschlag soll im Januar beschlossen werden

Støjberg verteidigte die geplanten Maßnahmen und entgegnete Kritikern, sie stelle Asylbewerber lediglich dänischen Arbeitslosen gleich, die nur Sozialleistungen erhielten, wenn sie allen Besitz verkauften, der mehr wert als 10 000 Kronen sei - umgerechnet 1340 Euro.

Es wird erwartet, dass die rechtsliberale Minderheitsregierung den Gesetzvorschlag im Januar mit Hilfe der ausländerfeindlichen Volkspartei im Parlament beschließt. In Dänemark haben in diesem Jahr mehr als 9000 Menschen Asyl beantragt. Die Regierung hat die Sozialleistungen für Flüchtlinge bereits um bis zu 50 Prozent gekürzt.

Als Grund für die erneute Verschärfung der dänischen Flüchtlingspolitik gibt die Regierung den Kurswechsel der schwedischen Regierung an. Das Nachbarland hatte kürzlich Grenzkontrollen und strengere Regeln für Asylsuchende eingeführt. Zum 4. Januar sollen Passkontrollen in Kraft treten - die schwedische Bahngesellschaft SJ hatte am Montag bekanntgegeben, sie werde deshalb die Schnellzugverbindungen zwischen Stockholm und Kopenhagen einstellen und Passagiere künftig nur noch bis ins südschwedische Malmö befördern.

Die Furcht des dänischen Ministerpräsidenten

Wegen der verschärften schwedischen Asylpolitik befürchtet der liberale dänische Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen, sein Land könnte zur Endhaltestelle für Flüchtlinge werden, die eigentlich nach Schweden, Norwegen oder Finnland weiterziehen möchten.

Erst Mitte Dezember hat das dänische Parlament daher beschlossen, das Problem notfalls an Deutschland weiterzugeben - indem es Dänemarks Grenzen im Süden kontrolliert. Auch die dänische Regelung verpflichtet Betreiber von Bussen und Bahnen, Pässe zu überprüfen, wenn die Regierung dies verlangt. Er wolle nicht die schwedische Einwanderungspolitik übernehmen, so Rasmussen, er sei von der Sorge um Dänemark getrieben. "Wir müssen alles tun, was vernünftig ist, um die Zahl der Asylsuchenden so gering wie möglich zu halten."

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