Süddeutsche Zeitung

Dänemark führt Grenzkontrollen wieder ein:Europas feige Freunde

Ein paar Häuschen für die Zöllner, etwas mehr Stichproben bei Reisenden und Autofahrern: Faktisch ändert sich kaum etwas, wenn Dänemark demnächst die Grenzkontrollen wieder einführt. Der symbolische Schaden für Europa ist trotzdem immens und zeigt, wie wenig Politiker dazu bereit sind, die Errungenschaften der Europäischen Einigung zu verteidigen.

Gunnar Herrmann

In der Parteizentrale der Dänischen Volkspartei haben sie die Champagnerkorken knallen lassen. Dänemark führt wieder Grenzkontrollen ein. Und die Volkspartei - nationalistisch und EU-feindlich - kann sich das auf die Fahnen schreiben. In ganz Europa hat der Vorstoß viel Aufmerksamkeit bekommen. Dabei wurde er genau so verstanden, wie die Volkspartei ihn gemeint hat: Als Generalangriff auf die Freizügigkeit.

Dabei hat die dänische Regierung im Kern nicht viel mehr getan, als Zoll und Polizei mehr Geld und neue Ausrüstung zu versprechen. An einigen Grenzübergängen werden die Zöllner Häuser bekommen. Die Beamten werden künftig besser sichtbar sein und öfter Fahrzeuge zu Stichproben herauswinken als bisher. Außerdem werden die Kennzeichen erfasst. Reisende von und nach Dänemark werden das wahrnehmen, die allermeisten jedoch nur im Vorbeifahren. Der Schaden für Europa ist trotzdem groß. Er ist vor allem symbolisch.

Die Volkspartei hat demonstriert, wie leicht man europäische Werte wie die Freizügigkeit für innenpolitisches Geschacher missbrauchen kann. Nur zu bereitwillig hat die liberalkonservative Regierung den Populisten ihren PR-Erfolg auf Kosten Europas zugestanden - um sie milde zu stimmen, für eine Rentenreform.

Auch die Opposition widersetzte sich den Kontrollen nicht - wohl um eine unbequeme Debatte zu vermeiden. Dabei sind die meisten Parteien Dänemarks pro-europäisch und würden nie auf die Idee kommen, die Freizügigkeit grundsätzlich in Frage zu stellen. Aber verteidigen wollen sie diese Errungenschaften eben auch nicht. Das Problem der EU sind nicht Gegner wie die Volkspartei. Das Problem ist, dass ihre Freunde so feige sind.

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SZ vom 12.05.2011/olkl
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