Dänemark:Ein Gesetz für zweihundert Bürgerinnen

Lesezeit: 3 min

Frauen, die in Dänemark weiter Burka oder Nikab tragen, riskieren 135 Euro Strafe - und im Wiederholungsfall noch viel mehr. (Foto: Mads Claus Rasmussen/dpa)

Obwohl kaum Frauen sie tragen, sind Burkas nun in Dänemark verboten. Die Regierung will so den Rechtspopulisten gefallen.

Von Silke Bigalke, Stockholm

Das Verbot betrifft eine denkbar kleine Gruppe. Nur 150 bis 200 Frauen tragen in Dänemark eine Burka oder Nikab, wurde zuletzt geschätzt. Eine offizielle Statistik gibt es nicht. Am Mittwoch allerdings ist die Anzahl der Verhüllten im Land kurzzeitig um ein Vielfaches gestiegen. In Kopenhagen protestierten mehr als tausend Menschen gegen das Burkaverbot, auch in Aarhus gingen Demonstranten auf die Straße. Viele kamen vermummt und verschleiert, trugen Masken und falsche Bärte. Also alles, was in Dänemark seit Mittwoch nicht mehr erlaubt ist.

Auf dem Weg zur Kostümparty darf man sich weiter verhüllen, auch ein Schal bei Kälte ist okay

Zwar zielt das neue Gesetz klar auf Körper- und Geschichtsschleier muslimischer Frauen ab. Offiziell ist aber nicht von Burka-, sondern von "Bedeckungsverbot" die Rede. Andernfalls hätte es womöglich gegen die Verfassung verstoßen, die verbietet, Menschen wegen ihres Glaubens zu diskriminieren. In Dänemark ist zeitweise sogar diskutiert worden, ob nun auch Weihnachtsmannbärte illegal würden. Tatsächlich darf man sein Gesicht in der dänischen Öffentlichkeit nun weder hinter falschem Gesichtshaar noch unter Helmen, Masken oder Schals verbergen. Es sei denn, es dient einem "anerkennenswerten Zweck", etwa wenn man auf dem Weg zur Kostümparty ist oder sich den Schal bei klirrender Kälte tiefer ins Gesicht ziehen muss. Andernfalls drohen mindestens 1000 Kronen Strafe, 135 Euro, und bis zu zehn Mal so viel für Wiederholungstäterinnen. Dänemark ist nach Frankreich, Belgien und Österreich nicht das erste Land in Europa, das die Burka verbietet.

Verantwortlich dafür ist ein Rechtsruck im Land. Die Dänische Volkspartei, die sich das Verbot seit Jahren wünscht, ist heute die zweitstärkste Kraft im Parlament, jedoch nicht an der Regierung beteiligt. Sie setzt den liberalen Premier Lars Løkke Rasmussen immer öfter unter Druck. Denn längst buhlt nicht mehr er allein um die Unterstützung der Rechtspopulisten. Auch die Sozialdemokraten, die stärkste Oppositionspartei, nähern sich mit einer rigoroseren Einwanderungspolitik an die Volkspartei an. Die Sozialdemokraten stimmten Ende Mai für das Burkaverbot und sicherten ihm so eine deutliche Mehrheit. 2019 sind Wahlen und vieles könnte dann davon abhängen, wer am besten mit den Rechtspopulisten zusammenarbeitet.

Innerhalb der liberal-konservativen Regierung ist vor allem Integrationsministerin Inger Støjberg dafür zuständig, die Rechtspopulisten gewogen zu halten. Sie zählt gewissenhaft mit, wie oft sie das Ausländerrecht seit Amtsantritt verschärft hat. Schon vor mehr als einem Jahr feierte sie die 50. Regel, die Einwanderern das Leben erschwert, öffentlichkeitswirksam mit großer Torte. Kurz vor der Abstimmung über das "Bedeckungsverbot" erklärte sie den Fastenmonat Ramadan zum Sicherheitsrisiko, nannte Busfahrer und Krankenhausmitarbeiter als Beispiel. Wer fasten wolle, solle Urlaub nehmen, schrieb sie in einem Zeitungskommentar.

Der raue Ton soll abschrecken. Und wer sich nicht abschrecken lässt, soll sich anpassen. Das Burkaverbot ist nur eine von mehreren Regeln, mit denen die Regierung Integration erzwingen möchte. Kürzlich hat sie einen Plan aufgestellt, um bis 2030 alle "Ghettos" aus Dänemark verschwinden zu lassen - so nennt sie Wohnviertel mit besonders hohem Einwandereranteil. Der Plan sieht etwa höhere Strafen für Vergehen vor, wenn sie in einem dieser Viertel begangen werden. Zudem ist eine Kitapflicht vorgesehen: Kinder ab einem Jahr sollen mindestens 25 Stunden in der Woche in einer öffentlichen Tagesstätte betreut werden, um dort Dänisch und dänische Werte zu lernen.

Die Polizei wünscht sich klarere Ansagen. In manchen Teilen sei das Gesetz unpräzise

Zum Burkaverbot erklärte Justizminister Søren Pape Poulsen, dass es "unvereinbar mit dänischen Werten und respektlos gegenüber der Gemeinschaft" sei, sein Gesicht zu verbergen. Allerdings werde die Polizei Frauen nun nicht auf offener Straße dazu zwingen, ihren Schleier abzulegen, sondern sie auffordern, nach Hause zu gehen oder mit auf die Wache zu kommen. Die Polizei hat dennoch beklagt, dass die neuen Regeln unklar seien. Was gilt als öffentlicher Raum und was nicht, zählen etwa Gefängnisse dazu, und Asylzentren? Er hätte sich eine detaillierte Anleitung gewünscht, sagte Claus Oxfeldt, Chef der Polizeigewerkschaft. Wenn etwa ein japanischer Tourist mit Mundschutz herumlaufe, könne er sich nicht vorstellen, dass das verboten sei. Aber klar sei das Gesetz nicht.

Sich aus Protest zu verhüllen bleibt jedoch offenbar erlaubt. Während der Demonstration am Mittwoch hat die Polizei keine Bußgelder verteilt.

© SZ vom 03.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: