Dänemark:Aufruf zur Gewalt

Dänemark: Die verwackelten Aufnahmen von der Hetzpredigt in Aarhus werden in einer Dokumentarreihe ausgestrahlt.

Die verwackelten Aufnahmen von der Hetzpredigt in Aarhus werden in einer Dokumentarreihe ausgestrahlt.

(Foto: TV2)

Ein Imam in Aarhus schockiert das Land: Heimlich gedrehte Videoaufnahmen zeigen, wie er von drastischen Strafen für Frauen und Kinder spricht.

Von Silke Bigalke, Stockholm

Die Aufnahmen sind verwackelt. Frauen mit Kopftuch sitzen auf dem Boden, ein Mädchen hüpft durchs Bild. Eine Männerstimme erklärt den Frauen, dass sie Kinder schlagen sollen, wenn sie nicht beten wollen und älter sind als zehn Jahre. Man dürfe sie nicht gegen die Wand schlagen, ihre Knochen brechen oder sie mit dem Messer verletzen. "Schlagt sie als Erziehung und als Lehre." Der Sprecher ist nicht zu sehen.

Eine andere Szene: Ein Mann sitzt vor einer Tafel, wieder sind die Zuhörer Frauen und Kinder. Frauen, die Ehebruch begehen, sollen gesteinigt werden, erklärt er. Es sei denn, sie sind noch Jungfrau, dann sei die Strafe Auspeitschen. Auch wer einen Muslim tötet, soll getötet werden. Wer seine Religion verlässt, muss ebenfalls sterben. Er fügt dann noch hinzu, dass das in Dänemark nicht umgesetzt würde.

Die Aufnahmen stammen aus der Grimhøj-Moschee im dänischen Aarhus, sind heimlich entstanden und gehören zur vierteiligen Dokumentation "Moscheen hinter dem Schleier" des dänischen Senders TV2. Der erste Teil ist bereits ausgestrahlt worden, seither diskutiert das Land. Die Polizei will untersuchen, ob die Aufnahmen auf Straftaten hinweisen; Kinder zu schlagen ist in Dänemark verboten. Der Imam, der von Steinigung spricht, heißt Abu Bilal Ismail und stand bereits wegen des Verdachts auf Volksverhetzung vor Gericht, nachdem er im Sommer 2014 in einer Berliner Moschee für die Vernichtung der Juden gebetet hatte.

"Ich habe die größte Lust, die Grimhøj Moschee dem Erdboden gleichzumachen", sagte Integrationsministerin Inger Støjberg von der liberalen Regierungspartei Venstre nun nach der Ausstrahlung. Doch dann würden diese Leute nur an einem anderen Ort predigen, fügte sie hinzu. Auch Mette Frederiksen, Parteichefin der Sozialdemokraten, der wichtigsten Oppositionspartei, forderte die Schließung. "Einige der Kinder, die hier aufwachsen, leben beinahe schizophren", sagt sie. In der Schule lernten sie Demokratie, zu Hause hörten sie das Gegenteil. Sie möchte Imame, die Gewalt predigen, an der Grenzen abweisen können.

"Man könnte Parallelen zu dem ziehen, was Silvester in Köln passiert ist", sagt Mehmet Ümit Necef, Nahost-Forscher an der Süddänischen Universität. Man müsse jedoch unterscheiden zwischen strafbaren Aufrufen zu Gewalt und Äußerungen, die zwar abstoßend, aber nicht illegal seien. "Ich finde es besorgniserregend, wenn Politiker rasche Lösungen finden wollen und damit unsere Meinungs- und Religionsfreiheit gefährden."

Ein Sprecher der Moschee sagt, Steinigung von Ehebrecherinnen gehöre zur Scharia

Dänemark hat ein schwieriges Verhältnis zu seinen Muslimen. Eine weit verbreite Angst davor, der Islam könnte die dänische Kultur verfremden, hat dazu geführt, dass die rechtspopulistische Dänische Volkspartei bei der Wahl 2015 mehr als jede fünfte Stimme holte und die liberale Regierung die Flüchtlings- und Einwanderungsgesetze stetig verschärft hat. Für Dänemarks Muslime gelten dieselben Freiheiten wie für alle. Sie einzuschränken ist in dem Land besonders schwierig. Darauf beruft sich der Sprecher der Grimhøj-Moschee, Oussama El-Saadi, wenn er der Nachrichtenagentur Ritzau zu den Videos sagt, die Politiker sollten sich nicht einmischen. "Es kann nicht sein, dass man uns sagt, dass wir das hier nicht lehren dürfen." Steinigung von Ehebrecherinnen gehöre zur Scharia.

In Aarhus hatten Politiker und Polizei versucht, die Grimhøj-Moschee in ein Projekt einzubinden, bei dem Rückkehrer aus Syrien resozialisiert werden sollen. Von den 30 mutmaßlichen Dschihadisten, die bis Ende 2013 aus Aarhus aufgebrochen waren, standen laut Polizei 22 in Verbindung zur Grimhøj-Moschee. Mit dem Rehabilitationsprogramm galt Aarhus als Vorreiterin. Die Enthüllungen von TV2 wollte die Polizei nicht kommentieren.

"Der größere Teil der Menschen wird nach den Videos sagen, diese Leute hätten erst gar nicht nach Dänemark kommen sollen", sagt Jens Peter Frølund Thomsen, Politikwissenschaftler an der Universität Aarhus. "Etwa 50 Prozent der dänischen Bevölkerung sind gegen Einwanderung von Muslimen und empfinden sie als Bedrohung. Sie werden sich nun in ihren Sorgen bestätigt fühlen."

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