Trump und Macron beim D-Day-Gedenken:Wenn der Verbrüderungswille verkümmert

D-Day - Donald Trump und Emmanuel Macron 2019 in der Normandie

US-Präsident Trump und sein französisches Pendant Macron im amerikanischen Soldatenfriedhof von Colleville-sur-Mer.

(Foto: REUTERS)
  • Beim Gedenken an die Landung alliierter Truppen an der Küste der Normandie vor 75 Jahren treffen US-Präsident Trump und Frankreichs Staatschef Macron aufeinander.
  • In ihren Reden offenbaren sich die Unstimmigkeiten im Verhältnis der beiden Länder.
  • Während Macron den gemeinsamen Kampf der Alliierten im Zweiten Weltkriegs als Beginn einer neuen Friedensordnung interpretiert, sieht Trump ihn in erster Linie als Beweis amerikanischer Größe.

Von Nadia Pantel, Paris

Man muss sich umdrehen auf den Klippen von Colleville-sur-Mer, um das Grauen zu erkennen. Schaut man nach vorne, sieht man an diesem Frühlingstag nur das strahlend blaue Meer. Doch richtet man den Blick nach hinten, sieht man die 9386 weißen Marmorkreuze, die in perfekter Ordnung an den Preis erinnern, den amerikanische Soldaten vor 75 Jahren für die Freiheit Europas zahlten. Die Kreuze stehen über Omaha Beach, einem der Strände, an dem am 6. Juni 1944 die Alliierten in Frankreich ihre Invasion gegen Nazi-Deutschland starteten.

Für das 75. Jubiläum des D-Days wurde neben den Kreuzen ein riesiger roter Teppich ausgerollt. Dort sitzen unter Tausenden Würdenträgern und Veteranen mehr als 60 Ehrengäste, mit schwarzen Wolldecken vor dem Wind geschützt. Die bald 100-jährigen Männer haben als junge Soldaten hier in der Normandie das Abwehrfeuer der deutschen Wehrmacht überlebt. Dieser 6. Juni ist ihr Tag. Und es ist der Tag der französisch-amerikanischen Freundschaft. Doch genau das macht diese Feierstunde kompliziert.

Noch vor gut einem Jahr inszenierten sich der französische Präsident Emmanuel Macron und sein amerikanischer Amtskollege Donald Trump auf dem Rasen vor dem Weißen Haus in Washington als joviale Kumpel. Das Schulterklopfen und Brustkörbe-Aneinanderpressen nahm kein Ende. Die damalige Botschaft: Wir sind beide rebellische Typen, das schweißt uns jenseits aller politischen Differenzen zusammen. Zwei Spaten standen bereit, um die Männerfreundschaft zu besiegeln, Macron und Trump pflanzten gemeinsam eine Eiche. Inzwischen ist der Baum eingegangen, wie französische Medien melden.

Man darf das natürlich nicht überinterpretieren, es war wohl kein böser Wille im Spiel, sondern schlicht eine etwas zu harsche Quarantäne-Prozedur, die der Baum nicht überlebte. Doch nicht nur die Eichenblätter sind verkümmert, sondern auch Macrons und Trumps Verbrüderungswille. Frankreichs Präsident musste lernen, dass es nichts hilft, Trump mit einer Militärparade zu beeindrucken (Juli 2017) und ihn liebevoll zu tätscheln (April 2018). Männerfreundschaft ja, harmonische Partnerschaft nein, lautet das Resümee nach zwei Jahren Macron/Trump. In Fragen des Klimaschutzes, des freien Handels, des Atomabkommens mit Iran arbeiten die beiden Präsidenten offen gegeneinander.

Nun fühlt sich die Ankunft von Macron und Trump in Colleville-sur-Mer zunächst weder nach einem bedeutungsschweren Tag der Erinnerung an, noch sind die politischen Spannungen zu spüren. Beide Präsidenten strahlen, die Veteranen lachen und klatschen. Erst als Macron und Trump ihre jeweilige Rede halten, werden die grundsätzlichen Unstimmigkeiten zwischen diesen beiden Politikern wieder spürbar. Der historische Anlass wird zur Folie, vor der beide ihre Vision der Weltordnung verteidigen.

"Amerika, lieber Präsident Trump, ist niemals größer, als wenn es für die Freiheit anderer kämpft", sagt Macron. Ein klarer Wink an den amerikanischen Amtskollegen, der in den vergangenen Jahren immer wieder deutlich gezeigt hat, wie wenig er von einer multilateralen Außenpolitik hält. Macron verknüpft in seiner Rede eine Verbeugung vor der amerikanischen Armee und Nation mit der Bitte um enge Zusammenarbeit. "Im Namen meiner Nation möchte ich mich bei Ihnen bedanken", sagt Macron auf Englisch mit Blick auf die Veteranen. Und fordert gleichzeitig, man müsse sich "dem Versprechen der Normandie würdig erweisen", also ein einiges Europa in enger Partnerschaft mit den USA bewahren. Hochpolitische Worte in einer Zeit, in der Trump Großbritannien in seinem Wunsch bestärkt, die Europäische Union zu verlassen. Nach Macrons Rede steht Trump auf und drückt den Franzosen an sich. Eine große Geste, die eine kleine Geste nicht vergessen macht: Als Macron vom Kampf für die Freiheit anderer sprach, gähnte Amerikas Präsident.

"Unsere Nation wird immer einig sein"

Trump selbst zeigt sich in seiner Rede ungewohnt elegisch. Er verzichtet auf die halb fertigen Sätze und die ständigen Wortwiederholungen ("great, so great"), die zu seinen Markenzeichen geworden sind und spricht gut doppelt so lange wie sein Vorredner Macron. Trump konzentriert sich in erster Linie darauf, die militärische Schlacht des D-Days nachzuerzählen. Im Zentrum stehen dabei die Heldentaten zweier Männer, die vor 75 Jahren am Omaha Beach ihre Kameraden retteten und die nun auf der großen Bühne hinter Trump sitzen. Vielen Veteranen ist die Rührung deutlich anzusehen, die die Rede ihres Präsidenten auslöst. Während Macron den gemeinsamen Kampf der Alliierten im Zweiten Weltkriegs als Beginn einer neuen Friedensordnung interpretiert, sieht Trump ihn in erster Linie als Beweis amerikanischer Größe. Er schließt seine Rede mit den Worten: "Amerika ist heute stärker als jemals zuvor." Es werde weiterhin seinen "way of life", seine Art zu leben, verteidigen. Beschwor Macron die Einigkeit der Völker, beschwört Trump die Einigkeit der Amerikaner. "Unsere Nation wird immer einig sein", sagte Trump. "Möge Gott unsere Verbündeten segnen." Eine explizite Erwähnung Frankreichs fehlt an dieser Stelle. Doch später, vor einem gemeinsamen Mittagessen in der Präfektur von Caen wird Trump sagen, Frankreich und die USA hätten "zur Zeit eine herausragende Beziehung", die "vielleicht noch nie so gut" gewesen sei.

In der Präfektur fand das erste ausführliche Zusammentreffen der beiden Staatschefs seit Trumps Paris-Besuch im vergangenen November statt. Damals hatte Macron Staats- und Regierungschefs aus aller Welt eingeladen, um gemeinsam den 100. Jahrestag des Endes des Ersten Weltkriegs zu begehen. Trump war vor allen Dingen dadurch aufgefallen, dass er den Besuch eines amerikanischen Militärfriedhofes versäumte, weil es regnete. Seinen Frankreich-Aufenthalt begleitete der amerikanische Präsident damals mit einer Reihe schlechtgelaunter Tweets, die sich in erster Linie gegen Macron und gegen französischen Wein richteten. Sowohl das Wetter als auch Trumps Twitterlaune waren bei seinem aktuellen Besuch zunächst besser.

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