Cyber-Angriff:Behörden ließen Hacker gewähren

Vor Monaten drangen Kriminelle ins zentrale Netzwerk der Bundesregierung ein. Um die Identität der Angreifer zu klären, beobachteten die Ermittler sie zunächst nur. Die Spur soll nach Russland führen.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Die Bundesregierung ist mit einem Hackerangriff konfrontiert, der trotz intensiver Maßnahmen der Sicherheitsbehörden am Donnerstagnachmittag noch nicht beendet wurde. "Es handelt sich bei dem technisch anspruchsvollen und von langer Hand geplanten Angriff auf die Kommunikationsnetze der Bundesregierung um einen ernst zu nehmenden Vorgang", erklärte Bundesinnenminister Thomas de Maizère (CDU). Die Angreifer seien von den Sicherheitsbehörden wochenlang beobachtet worden, um Erkenntnisse über ihre Ziele zu gewinnen. Diese Maßnahmen seien "noch nicht abgeschlossen".

Am Mittwochnachmittag war durch die Deutsche Presseagentur bekannt geworden, dass Unbekannte das Datennetz des Bundes angegriffen haben. Das Bundesinnenministerium bestätigte daraufhin einen Angriff auf den Informationsverbund Berlin-Bonn (IVBB). Er wird für die interne Kommunikation zwischen Bundestag, Bundesrat, Bundeskanzleramt, den Bundesministerien sowie den Sicherheitsbehörden genutzt. Bislang galt er als besonders sicher vor Cyberangriffen.

"Der Geheimnisverrat an sich ist ein beträchtlicher Schaden", sagte der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestags, Armin Schuster (CDU) am Donnerstag in Berlin. Der Angriff sei noch nicht beendet. "Wir können aber sagen, dass die Bundesregierung versucht, nach heutigem Stand den Vorgang unter Kontrolle zu halten." Der innenpolitische Sprecher, der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Stephan Mayer, sprach von einem "sehr ernst zu nehmenden Cyberangriff, der perfide vorgenommen wurde".

Nach Darstellung aus Sicherheitskreisen drangen Hacker bereits vor Monaten ins Datennetz des Bundes ein. Wie die SZ aus Sicherheitskreisen erfuhr, macht die Bundesregierung die russische Hackergruppe "Snake" verantwortlich. Eine genaue Zuordnung sei jedoch schwierig. Die Attacke habe dem Außenministerium gegolten, hieß es. Dabei seien Daten abhanden gekommen, wenn auch in eher geringem Umfang. Die Täter seien von deutschen Sicherheitsbehörden "kontrolliert" beobachtet worden, "um weitere Erkenntnisse über den Angriffsmodus" zu erhalten, erklärte de Maizière. Unerwähnt ließ der Minister, dass der erste Hinweis von einem ausländischen Nachrichtendienst kam. Ein Hinweisgeber informierte dann die Medien.

Dies sei in höchstem Maße ärgerlich, hieß es in Sicherheitskreisen. Abgeordnete des Bundestags zeigten sich verärgert, dass das Parlament nicht wie vorgeschrieben von dem Vorfall unterrichtet wurde. "Es mag gute Argumente geben, warum man die Informationen in den letzten Wochen sehr eng gehalten hat", sagte der Vize-Fraktionschef der Grünen, Konstantin von Notz. Dennoch sei es "völlig inakzeptabel", dass der Bundestag aus den Medien von dem Angriff erfahre. "Wenn man jetzt in ein besonders gut gesichertes Datennetz eindringen kann, dann sind wir bei der kritischen Infrastruktur nicht gut aufgestellt", sagte der innenpolitische Sprecher der SPD, Burkhard Lischka. Der Linken-Abgeordnete André Hahn, sprach von einem "riesigen Sicherheitsproblem" im "Kern des Staates".

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