Süddeutsche Zeitung

CSU:Vier Bayern für Berlin

Lesezeit: 4 min

Seehofer, Scheuer, Müller, Bär: Die CSU hat entschieden, wer für sie Spitzenpositionen in der neuen Bundesregierung vertreten soll. Was ist von ihnen zu erwarten?

Von Markus Balser, Michael Bauchmüller und Stefan Braun

Jetzt ist amtlich, was zuvor schon vermutet wurde: Die CSU wird drei Minister und eine Staatsministerin ins Kabinett entsenden. Für die Bayern in der Union ist das ein großer Erfolg, für die Schwesterpartei CDU ist es mit Schmerzen verbunden, weil sie das Innenministerium räumen muss.

Bemerkenswert ist aber nicht nur das. Neu ist auch, dass mit Horst Seehofer als Innen- und Heimatminister der CSU-Parteichef wieder in der Hauptstadt sein wird. Das hat es seit dem Abschied von Theo Waigel vor 20 Jahren nicht mehr gegeben.

Ob sich das alles für die Partei auszahlen wird, lässt sich freilich erst im Oktober ablesen. Dann sind in Bayern Landtagswahlen. Bis dahin müssen die Vier zeigen, was sie drauf haben.

Horst Seehofer

Das gilt zuvorderst für Horst Seehofer. Er hat in den vergangenen Tagen noch einmal getan, was er gerne tut: Er hat ein kleines Geheimnis um sich gemacht, um seine Wünsche und um seine finale Entscheidung. Nichts macht dem 68-Jährigen mehr Spaß, als die eigenen Leute wie die jenseits der CSU ein bisschen warten zu lassen. Das galt zuletzt auch für die Frage, ob er tatsächlich werden würde, was er in einer langen Verhandlungsnacht erstritten hatte: neuer Innen- und Heimatminister in der Hauptstadt.

Dahinter verbarg sich das übliche Seehofer-Schmunzeln, aber auch die Tatsache, dass sich mit dem neuen Amt Aufgaben verbinden, die nicht so recht zu Seehofer passen wollten. Vieles, ja sehr vieles in diesem Innenministerium lässt sich trotz des Namens nur noch international, vor allem europäisch lösen.

Das bedeutet: Ein Innenminister muss viel unterwegs sein und er muss im Idealfall auch in unterschiedlichen Sprachen kommunizieren. Beides aber mag Seehofer nicht besonders. Er mag nicht gerne fliegen und er mag auch nicht so gerne auf Englisch parlieren. Es gehört jedenfalls nicht zu seinen Kernkompetenzen.

Und doch wird er das Amt antreten. Und das wird nicht so sehr am Thema Sicherheit und 24 Stunden Handy-Bereitschaft liegen. Seehofer will tatsächlich als Heimatminister, der sich um darbende Regionen und abgehängte Menschen kümmert, in die Geschichte eingehen. Ob das klappt? Ob er sich dabei nicht übernimmt? Werden die nächsten zwölf Monate zeigen.

Gerd Müller

Wenn es um das große Ganze geht, sind Gerd Müller viele Mittel recht. Einmal nimmt der Entwicklungsminister einen Teebeutel, mitten in der Kabinettssitzung, legt ihn auf den großen Kabinettstisch - und erklärt den Teebeutel zu Deutschland. Der Rest des Tisches, das sei die große weite Welt, für die auch Deutschland in Zeiten der Globalisierung Verantwortung trage. Obwohl es im Verhältnis nur so klein ist.

Müller erzählt die Anekdote gerne. "Eine Welt ohne Hunger ist möglich", das ist so ein typischer Müller-Satz, oder: "Wir feiern hier nicht die letzte Party auf dem Planeten." Der 62-Jährige hat sich in der zurückliegenden Bundesregierung als permanenter Mahner etabliert, als das schlechte Gewissen der Regierung. Dass zu der üblichen Entwicklungshilfe vermehrt auch die Bekämpfung so genannter Fluchtursachen kam, hat dem Ministerium nicht geschadet. Nie war sein Etat so groß wie heute.

Müller hat dafür eine bemerkenswerte Doppelstrategie hingelegt: Einerseits musste der Weltenretter Müller Verständnis für jeden aufbringen, der aus Krisenregionen nach Deutschland kommt. Andererseits musste der CSU-Politiker Müller die Obergrenze mittragen, die seine Partei für die Aufnahme von Flüchtlingen verlangte. Den inneren Widerspruch kleidete er kunstvoll in Wortgirlanden. Er flog nie auf.

Das wird die zweite Legislaturperiode für den bayerischen Schwaben schwieriger machen. Die CSU wird von ihm verlangen, sich klarer zu positionieren, schon mit dem eigenen Parteichef am Kabinettstisch. Und Mahnungen allein werden nun auch nicht mehr reichen. In seiner ersten Amtszeit hat Müller viele große Ziele formuliert, für eine bessere Welt, für eine gerechtere Globalisierung. Viele klangen gut. Jetzt müssen den großen Worten Taten folgen.

Andreas Scheuer

Der künftige Verkehrsminister Andreas Scheuer gilt als heimlicher Gewinner des Koalitionspokers. Der 43-Jährige aus Passau in Niederbayern drohte wegen des regionalen Proporzes innerhalb der CSU bei der Vergabe der Ministerposten in Berlin schon leer auszugehen. Doch mit der Beförderung der Konkurrentin Dorothee Bär zur Staatsministerin für Digitalisierung im Kanzleramt wurde der Weg für Scheuer frei.

Sein künftiges Ministerium kennt Scheuer schon. Unter dem damaligen Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) war er bereits von 2009 bis 2013 Parlamentarischer Staatssekretär. Dann wurde er CSU-Generalsekretär in München.

Im Verkehrs- und Digitalministerium wartet auf den Politologen und Soziologen einer der schwersten Jobs in der künftigen großen Koalition. Scheuer muss vor allem den eskalierenden Streit um Fahrverbote und die drohenden Kosten für die Nachrüstung von Millionen Diesel-Autos befrieden. Zuletzt hatte er sich gegen jene Fahrverbote ausgesprochen, die das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig nun jedoch in der vergangenen Woche mit seinem Urteil in deutschen Städten ermöglichte. Im Ministerium hofft man auf einen Stimmungswandel.

Scheuer gilt als umgänglicher als sein Vorgänger Alexander Dobrindt, der das Ministerium mit einem engen Zirkel aus Vertrauten geleitet und damit selbst hochrangige Ministerialbeamte vor den Kopf gestoßen hatte. Noch-CSU-Chef Horst Seehofer fordert von Scheuer auch, das Thema Digitalisierung stärker zu besetzen. Der Ausbau von Hochgeschwindigkeitsnetzen in Deutschland gilt als eines der wichtigsten Ziele der großen Koalition. Zudem soll Scheuer die Einführung des CSU-Prestigeprojekts Pkw-Maut weiter vorantreiben, die zwar vom Bundestag beschlossen wurde, im Koalitionsvertrag aber nicht mehr auftauchte.

Dorothee Bär

Die 39-jährige Dorothee Bär ist die jüngste in diesem Quartett. Unerfahren aber ist sie keineswegs. Gefühlt arbeitet sie schon seit Ewigkeiten in der CSU; sie hat die Junge Union durchlebt und den RCDS an der Uni durchlaufen; und sie zählt zu den Frauen in der CSU, die es in Sachen Netzwerk mit den männlichen Kollegen längst aufnehmen können.

Wirklich Karriere freilich macht sie vor allem, seit Horst Seehofer in der CSU Parteichef ist. Er machte sie 2009 zur stellvertretenden Generalsekretärin und 2013 zur Staatsekretärin für Digitales im Bundesverkehrsministerium.

Ganz nach vorne also ließ auch er sie noch nicht. Jetzt aber wird sie ein Büro im Berliner Kanzleramt beziehen - als Staatsministerin für Digitales. Das Aufgabengebiet hat eine gewisse Konsequenz; dieses Thema beschäftigt sie seit langem. Einarbeitungszeit wird Bär deshalb kaum brauchen.

Allerdings sollte man von ihr eher keine nachdenklichen Beiträge oder Initiativen erwarten. Bär ist bislang stets als Online-Euphorikerin aufgetreten. Sie schwärmt gerne von "einer digitalen Gesellschaft voller Chancen und ungeahnter Möglichkeiten". Zum Ziel hat sie sich gesetzt, den Menschen im Umgang mit dem Netz mehr Kompetenz zu vermitteln. Das immerhin ist ein Anspruch, der nicht falsch ist.

Ob darüber hinaus mehr kommt? Das lässt sich schwer sagen. Sicher prognostizieren lässt sich nur, dass Bär sehr umtriebig ist und keine Ruhe geben wird. Was Seehofer gefallen dürfte.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3892982
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.