CSU:Armer Tropf aus Bayern

Seehofer und Herrmann zur Flüchtlingspolitik

Das Problem Horst Seehofers: Wenn die Maut nicht kommt, ist die CSU blamiert.

(Foto: dpa)

Die Maut scheint gescheitert zu sein - und damit die CSU. Das könnte zur Gefahr für die Koalition werden. In delikater Lage gilt für die Seehofer-Partei: Bayern first.

Kommentar von Nico Fried

Für die CSU ist es in der großen Koalition bisher nicht gut gelaufen. Sie ist die einzige der drei Parteien, die mit Hans-Peter Friedrich einen Minister durch Rücktritt verloren hat. Was der CSU politisch besonders wichtig ist, lehnt die SPD in der Regel offen ab. Und die CDU nicht selten heimlich.

Nur aus Koalitionsräson machen sie dann alle mit - und am Ende trifft man sich vor Gericht: entweder in Karlsruhe, wo derzeit schon das Betreuungsgeld auf der Kippe steht, oder vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg, wo in einigen Monaten über die Pkw-Maut verhandelt werden könnte. Die politische Steigerung von dumm gelaufen heißt in dieser Hinsicht CSU.

Dabei oszilliert der Umstand, dass ausgerechnet die CSU der arme Tropf in der Regierung ist, irgendwo zwischen Ironie und Ungerechtigkeit. Denn durch entscheidende Zugeständnisse Horst Seehofers beim Mindestlohn und im Staatsbürgerschaftsrecht ist diese Koalition 2013 überhaupt erst zustande gekommen.

Die CDU behielt das Kanzleramt, was für die Vorsitzende Angela Merkel das wichtigste war. SPD und CSU verhielten sich staatstragend, aber während die Sozialdemokraten dafür von der Rente mit 63 bis zur Frauenquote einige Gegenleistungen bekamen, ging die CSU mit drei mäßig bedeutenden Ressorts vom Verhandlungstisch - und mit einem Maut-Projekt, das außer ihr nie jemand wollte und bis heute keiner will. Das war ein Fehler, der noch teuer werden kann, nicht nur für die CSU.

Problem: thematischer Minimalismus

Dass Spott und Häme stets besonders groß sind, wenn etwas schiefläuft, hat auch damit zu tun, dass die CSU immer besonders laut ist, wenn sie etwas durchsetzen will. Darüber können sich Seehofer und sein Minister Alexander Dobrindt also nicht beschweren. So forderten sie einst im Wahlkampf laut die Maut, weil der Jubel in Sälen und Bierzelten stets noch lauter zurückschallte.

Mit diesem thematischen Minimalismus hat die CSU einerseits den Grundstein für ihren Wahlsieg, andererseits auch für ihre Probleme danach gelegt: Wohl und Wehe im Bund hängen von einem einzigen Projekt ab. Wenn die Maut nicht kommt, ist die CSU blamiert. In Berlin hat sie sonst nichts.

Gekränkter Seehofer kann gefährlich werden

Ja und? Manch einer wird kaum sagen können, was er für überflüssiger hält: Die Maut oder die CSU. Aber so einfach ist es dann doch nicht, allein schon, weil das Regieren in Berlin bedeutend schwieriger wird. Je schwächer die CSU, desto gefährlicher.

Kerngeschäft: Bayern first

Denn eine CSU, die sich im Bund lächerlich macht oder auch nur findet, dass sie lächerlich gemacht wird, zieht sich traditionell aufs Kerngeschäft zurück: Bayern first. Eingedenk der Probleme, die zu lösen sind, ist das keine gute Nachricht.

Als Seehofer 2008 Partei- und Regierungschef wurde, übernahm er die CSU in einer vergleichbaren Situation. Seine Vorgänger Günther Beckstein und Erwin Huber waren rechtschaffene Leute, aber politische Leichtgewichte. Das machte es für Angela Merkel einfach. Damals konnte die Kanzlerin sogar ungestraft auf einem Parteitag der CSU ihren Widerstand gegen deren Forderungen nach Steuererleichterungen formulieren. Die Schwesterpartei war berechenbar.

Die CSU muss aber unberechenbar sein, damit man sie ernst nimmt - so denkt Seehofer immer schon. 2008 griff er nach seiner Machtübernahme an, forderte dies, blockierte jenes. Das half ihm in Bayern, legte die Koalition in Berlin aber zeitweise lahm.

Ähnliches steht nun auch zu befürchten. Zumal es gerade für Seehofer wieder ein delikater Zeitpunkt ist. So wie er sich damals als der Neue beweisen musste, so geht es heute um seinen politischen Abgang: Verlässt er die Bühne mit Macht - oder als Schwächling?

Christsoziale Konspirationstheorien

Noch größer als diese Diskrepanz sind nur die Interessenunterschiede, die zwischen Bayern und dem Bund bestehen und noch entstehen können, wenn Flüchtlinge versorgt, Stromtrassen gebaut und Finanzbeziehungen geregelt werden müssen. Übrigens müsste auch mal etwas Vernünftiges für Straßen und Gleise getan werden - die CSU, der bisher beim Machen so wenig gelingt, hat beim Blockieren eine große Auswahl.

Angela Merkel hat sich stets mit derselben Vehemenz zur Maut bekannt, wie ein Veganer den volkswirtschaftlichen Nutzen des Fleischerhandwerks verteidigt. Um des lieben Friedens und ihrer Macht Willen hat sie mitgemacht, wie so oft bei innenpolitischen Streitthemen. Nun hängt sie mit drin.

Je länger auf Deutschlands Straßen niemand zahlen muss, desto teurer wird es für ihre Regierung, weil die CSU für den Ansehensverlust Kompensation verlangen wird. Manche christsoziale Konspirationstheorie, wonach die Kanzlerin selbst hinter dem Verfahren aus Brüssel stecke, lässt schon erahnen, dass der christsoziale Beifahrer demnächst auf mautfreier Straße plötzlich als Geisterfahrer vor ihr auftauchen könnte.

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