Süddeutsche Zeitung

Politische Ethik in der Union:CSU verdaut den Verlust von Tobias Zech

Die Partei prüft im Fall des mutmaßlich allzu geschäftstüchtigen Politikers noch "mögliche Interessenkollisionen" - doch der Imageschaden steht schon fest.

Von Boris Herrmann und Tobias Zick, Berlin

Wenn es so etwas wie Abgeordneten-Domino gäbe, dann wäre die Unionsfraktion im Bundestag derzeit schwer zu schlagen. In der vergangenen Woche verlor sie bereits drei Faktionsmitglieder: Georg Nüßlein (CSU) und Nikolas Löbel (CDU) wegen Maskengeschäften, Mark Hauptmann wegen seiner anrüchig wirkenden Nähe zu dem autokratischen Regime in Aserbaidschan. Und nun fällt schon das nächste Steinchen. Am Donnerstagabend legte auch der CSU-Bundestagsabgeordnete Tobias Zech, 39, sein Mandat und seine Parteiämter nieder.

Mit der Maskenaffäre der CSU um den früheren bayrischen Justizminister Alfred Sauter scheint Zechs Abschied aus dem Bundestag aber nichts zu tun zu haben. In seinem Fall geht es mal wieder um mögliche Verquickungen von Mandat und Unternehmertätigkeit. Um einen Graubereich also, der nach gegenwärtigem Erkenntnisstand strafrechtlich nicht relevant ist, aber zum Imageschaden der Union beiträgt. Für die gern vorgebrachte These, wonach es CDU und CSU lediglich mit rufschädigenden Einzelfällen zu tun haben, ist Zech jedenfalls kein Beleg.

Recherchen des Spiegel zufolge hat Zechs Firma Scaliger Strategy Consulting 2016 die damalige mazedonische Regierungspartei "Innere Mazedonische Revolutionäre Organisation - Demokratische Partei für mazedonische nationale Einheit" beraten. Dafür soll er von der VMRO-DPMNE Honorare in fünfstelliger Höhe erhalten haben. Im November 2016 hielt Zech demnach persönlich in der Hauptstadt Skopje eine Wahlkampfrede, in der zur Wahl der Partei und ihres Spitzenkandidaten Nikolai Gruevski aufrief.

In der Fraktionsspitze der Union und in der CSU-Landesgruppe in Berlin war man am Freitag noch damit beschäftigt, Zechs überraschenden Rückzug zu verdauen und die Hintergründe zu ermitteln. CSU-Generalsekretär Markus Blume hatte zunächst nur mitgeteilt, Zech habe sich an den Ethikausschuss seiner Partei mit der Bitte gewandt, "mögliche Interessenkollisionen" zu prüfen.

Diese Prüfung dauert laut Blume noch an. Er begrüßte aber, dass Zech unabhängig vom Ausgang dieser Prüfung Konsequenzen gezogen habe, um Schaden von der CSU abzuwenden. Dies sei "der einzig richtige Schritt", sagte Blume. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt betonte, dass Zech sein Mandat selbstbestimmt niedergelegt habe. "Ich nehme seine nachvollziehbare Entscheidung mit Respekt zu Kenntnis", sagte Dobrindt der Deutschen Presse-Agentur.

Ein Rückzug mit Rücksicht auf Transparenz?

Wie viele Stimmen die Wahlkampfappelle des Bayern der VMRO-DPMNE tatsächlich brachten, lässt sich schwer nachvollziehen. Klar aber ist, dass die Partei Ende 2016 überraschend eine knappe Mehrheit erzielte und mit 39,4 Prozent wieder stärkste Partei wurde. Dabei war sie zuvor von einem Skandal erschüttert worden: Der nationalkonservative Regierungschef Nikola Gruevski hatte im Januar 2016 zurücktreten müssen, nachdem der Oppositionsführer und heutige Premier Zoran Zaev Tonbandaufnahmen veröffentlicht hatte, die ihm aus Geheimdienstkreisen zugespielt worden waren. Sie zeigten, dass Gruevski jahrelang Oppositionelle, Juristen, Journalisten und Bürgerrechtsaktivisten im großen Stil hatte abhören lassen.

Im Mai 2018 verurteilte ein Gericht der mazedonischen Justiz den Ex-Premier in einem Korruptionsverfahren zu zwei Jahren Haft. Der entging er, indem er ins westliche Nachbarland Albanien flüchtete, wo er in der ungarischen Botschaft Asyl beantragte. Die albanischen Behörden, die sonst alles Erdenkliche tun, um Flüchtlinge fernzuhalten, bewilligten den Antrag im Handumdrehen, und Gruevski reiste, streckenweise in Begleitung ungarischer Diplomaten, nach Serbien und weiter nach Budapest, zu seinem langjährigen Verbündeten Viktor Orbán.

Der Sitz von Tobias Zech im Bundestag geht der Union nicht verloren, er wird nun automatisch über die CSU-Landeliste nachbesetzt. Zech selbst war erst im Mai 2020 über diese Liste für Astrid Freudenstein ins Parlament nachgerückt, nachdem diese ins Rathaus von Regensburg gewählt worden war. Ob die Tatsache, dass er nun freiwillig wieder rausrückt auch mit der neuen Transparenzoffensive der Union zu tun hat? Darüber rätselt selbst die Unionsspitze noch.

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