CSU:Söders Satzbaukasten

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Mit erstaunlicher Wurstigkeit hat sich die Partei von ihrem bisherigen Vorsitzenden Horst Seehofer verabschiedet und dessen Nachfolger Markus Söder ins Amt gehoben. Der nährt gleich in seiner Antrittsrede Zweifel, ob er der Richtige sein kann, um die CSU neu auszurichten.

Von Sebastian Beck

Selten zuvor hat es an der Spitze der CSU einen Machtwechsel gegeben, der so merkwürdig emotionslos verlief wie der am Samstag auf dem Parteitag in München. Die Stimmung der 900 Delegierten war so fad, dass die Antragsberatungen am Nachmittag wegen Beschlussunfähigkeit vorzeitig beendet werden mussten - die Mehrheit hatte sich bereits auf den Heimweg gemacht. Ein Aufbruch in eine neue Ära sieht anders aus.

Die allgemeine Wurstigkeit des Parteivolks hatte zwei Gründe: In Horst Seehofer dankte ein Parteivorsitzender ab, den viele schon längst loshaben wollten. Und in Bayerns Ministerpräsident Markus Söder trat ein Nachfolger an, der selbst in der eigenen Partei als eine Art unvermeidliche Notlösung gilt. Zu feiern gab es da wenig. Entsprechend fiel Söders Wahlergebnis aus. 87,4 Prozent sind weder ein Stimmungskiller noch eine Liebeserklärung. Aber 90 plus x hat Markus Söder derzeit ebenso wenig verdient wie die CSU 40 plus x in Bayern. Söder konnte seine Enttäuschung darüber nur schwer verbergen: "Wir wählen wieder im Oktober, dann werden wir uns weiterentwickeln", sagte er in den matten Applaus der Delegierten hinein.

Diese wissen nur zu genau, dass ihr neuer Parteichef zu den Verantwortlichen der Niederlage bei der Landtagswahl im Oktober gehört. Seitdem hat sich Söder abermals politisch gehäutet. Im Juni hatte er noch vom Ende des geordneten Multilateralismus geredet: "Wir müssen auch an die einheimische Bevölkerung denken, und nicht nur immer an ganz Europa."

In der Kleinen Olympiahalle dagegen klang Söder am Samstag, als sei nicht Manfred Weber, sondern er selbst der Spitzenkandidat für die Europawahl: "Wir sind die proeuropäische Partei und wollen dies auch klar sagen und zeigen." Die Frage ist nur, ob man ihm das glauben darf. Den Beweis dafür, dass er Stimmungen nicht mehr dauernd hinterherläuft, muss Söder erst noch antreten. Er übernimmt eine Partei, die in den vergangenen Jahren intellektuell und politisch verödet ist. Gerade liberale Vertreter der Kirchen und Umweltpolitiker haben der CSU den Rücken gekehrt. Deren Führungspersonal stürzte sich stattdessen mit schier manischer Besessenheit in die Flüchtlingsdebatte und fantasierte vom konservativen Aufbruch. Der CSU als Volkspartei hat das geschadet.

Das scheint Söder inzwischen verstanden zu haben. In seiner Rede gab er sich gleichermaßen moderat wie demütig: "Die bayerischen Wählerinnen und Wähler haben uns eine zweite Chance gegeben, wir sollten sie nachhaltig nutzen", sagte er. Das wiederholt Söder allerdings schon seit der Wahlniederlage im vergangenen Oktober bei jeder Gelegenheit. Seine Rede vor dem Parteitag wirkte deshalb wie aus dem Satzbaukasten, bundespolitische und internationale Themen kamen darin so gut wie überhaupt nicht vor. Damit nährte Söder Zweifel, ob ein ausgewiesener Landespolitiker und politischer Opportunist der richtige Mann ist, um der CSU eine Richtung zu geben und ihren Einfluss zu sichern.

Diesen Part wird wohl bald Weber übernehmen, der sich in München als Mastermind der CSU präsentierte. Mit seinem sympathischen Plädoyer für Europa stahl der EVP-Kandidat für das Amt des Kommissionspräsidenten seinem neu gewählten Parteichef schon mal die Show. Das könnte Söder in den nächsten Jahren noch öfter passieren.

© SZ vom 21.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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