Süddeutsche Zeitung

CSU:Zweifel an Merz

Die CDU debattiert, wer sie in Zukunft führen soll. Aber wen wünscht sich die CSU? Bislang schweigt die Parteispitze, trotzdem ist klar: Friedrich Merz fliegen die Herzen in München nicht zu.

Kommentar von Robert Roßmann, Berlin

Die CDU debattiert seit Tagen darüber, wer sie in die Zukunft führen soll. Aber was will die CSU? Die Bayern haben bisher nicht einmal angedeutet, wen sie gerne an der Spitze der Schwesterpartei hätten. Das hat zwei Gründe: Zum einen würde sich im umgekehrten Fall auch die CSU jede Einmischung verbitten. Zum anderen ist die CSU auf Sicherheitsabstand zur CDU gegangen, zu groß ist die Ansteckungsgefahr.

Im Jahr 2015 - damals war er noch nicht der AfD-Bekämpfer und Bienenschützer von heute - hat Markus Söder den Bau von Zäunen an der Grenze zwischen Bayern und Österreich ins Spiel gebracht. Jetzt wäre es ihm am liebsten, wenn er Bayern von Restdeutschland abschotten könnte. Denn die Implosion der CDU gefährdet auch die CSU. In Hamburg steht die CDU in der jüngsten Umfrage bei 13 Prozent, in Thüringen bei 14. Dabei hat die Partei in beiden Bundesländern schon mit absoluter Mehrheit regiert.

In München sprechen sie längst von "Erosion" und "disruptiver Entwicklung", wenn sie über ihre Schwesterpartei reden. Im März sind Kommunalwahlen in Bayern - und schon jetzt ist der schlechte Zustand der Union ein belastendes Thema an den Wahlkampfständen. Das ist einer der Gründe, warum die Christsozialen so vehement gegen Annegret Kramp-Karrenbauers Fahrplan opponiert haben. Die scheidende CDU-Vorsitzende wollte sich Zeit lassen bei der Suche nach einem Nachfolger, doch die CSU hat sich mit ihrem Wunsch nach Eile durchgesetzt.

Die Partei weiß aus eigener Erfahrung, wie gefährlich ungeklärte Führungsfragen sind. Die jahrelange Auseinandersetzung zwischen Horst Seehofer und Markus Söder hat die CSU enorm belastet. Söder hat daraus gelernt - genauso wie er erkannt hat, dass Wackeln am rechten Rand oder ungestüme Attacken auf die Kanzlerin nichts bringen. Ja, Angela Merkel ist wegen ihrer Flüchtlingspolitik, ihrer innenpolitischen Lustlosigkeit und ihrer mangelnden Bereitschaft zu einem politischen Neustart - etwa durch eine Kabinettsumbildung - auch für viele CSU-Anhänger ein rotes Tuch. Aber sie ist in den Umfragen immer noch die beliebteste Politikerin. Wer Merkel unfein aus dem Amt drängt, riskiert den Verlust vieler Wähler.

Womit man bei Friedrich Merz wäre. Nicht einmal die größten Optimisten in der Union können sich vorstellen, dass ein CDU-Chef Merz mit Merkel zusammenarbeiten könnte, ohne dass es zu Verwerfungen kommt. Zu groß sind die Unterschiede zwischen beiden, und zu gewaltig ist das Ego des Sauerländers. Merz hat schon mit seinem Verhalten in den ersten Tagen nach Kramp-Karrenbauers Rücktrittsankündigung gezeigt, dass Mannschaftsspiel nicht seine größte Stärke ist.

Das ist einer der Gründe, warum man trotz des öffentlichen Schweigens der CSU-Spitze eine Tendenz erkennen kann: Merz scheint man sich in München bestenfalls als Teil einer Teamlösung vorstellen zu können. Das liegt auch daran, dass sie in der CSU-Spitze Zweifel an der Professionalität und Erfahrung von Merz haben. Er war noch nie Minister oder gar Ministerpräsident. In der ersten Reihe der Politik stand er nur zwei Jahre - und das ist zwei Jahrzehnte her. Die vielen Fehler, die Merz seit seiner Rückkehr gemacht hat, zeigen, dass eine Entscheidung für ihn riskant wäre. Und die Zeit, in der Söder leichtfertig ins Risiko ging, ist vorbei.

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SZ vom 15.02.2020
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