Süddeutsche Zeitung

Parteien:Die CSU sucht ihr Oppositions-Gen

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Mit scharfen Angriffen auf die Ampel-Koalition machen die Christsozialen klar, wie sie sich ihre neue Rolle in Berlin vorstellen. Doch Parteichef Söder sieht auch hausgemachte Probleme.

Von Thomas Balbierer, Berlin

Das mit der Opposition, erklärten Unionspolitiker kurz nach der verlorenen Bundestagswahl fast entschuldigend, das müsse man nach 16 Regierungsjahren erst mal lernen. Es klang wie die Forderung nach einer Schonfrist für die Opposition, das gab es bislang nur für Regierungen. Behutsam tasteten sich die Konservativen also in die neue Rolle vor. Man dürfe Vorschläge nicht deswegen ablehnen, "nur weil sie von der Regierung kommen", sagte zum Beispiel Thorsten Frei (CDU), Parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag. "Konstruktive Oppositionsarbeit" - so lautete das Zauberwort der Wahlverlierer.

Doch die CDU-Parlamentarier machten ihre Pläne offenbar ohne die Fraktionskollegen von der CSU, die schon immer ein stark ausgeprägtes Oppositionsgen hatten - selbst dann, wenn sie im Bund mitregierten. Der erbitterte Widerstand der CSU gegen Angela Merkels Migrationspolitik etwa ließ die Union, und damit die Regierungskoalition aus CDU, CSU und SPD, 2018 fast zerbrechen. Bayern first, Berlin second, so hielt es die CSU schon immer.

Seit der Wahlniederlage im September kann sich die in München regierende Partei in Berlin nun ganz ihrer Oppositionsrolle in Berlin hingeben. Was sie darunter versteht, zeigte sich zum Start ihrer zweitägigen Neujahrsklausur, die zum zweiten Mal in Folge nicht vor einer Bayern-Kulisse mit Schnee, Kloster und Alpen stattfand, sondern in einer Berliner Eventlocation namens Amplifier, also Verstärker - ein Titel, den auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt für sich beanspruchen könnte.

"Links-Gelb hat einen klassischen Fehlstart hingelegt", sagte der Gastgeber zum Auftakt und warf der Regierung von Olaf Scholz (SPD) Chaos im Umgang mit aktuellen Herausforderungen vor. Bei den Krisen um "Preise, Putin, Pandemie", so Dobrindt, "schweigt der Bundeskanzler". Das Hin und Her bei der KfW-Förderung im Hausbau und die hohen Energiepreise hätten in der Bevölkerung Verunsicherung und Enttäuschung ausgelöst. Statt die Menschen finanziell zu entlasten, wie es die FDP im Wahlkampf versprochen hatte, häufe die Regierung mit ihrem Nachtragshaushalt neue Milliardenschulden an und stoppe wichtige Förderungen. "Die Ampel ist die Teuerkoalition", giftete Dobrindt.

Söder will der Bundesregierung "keine Schonfrist" geben

Kern der christsozialen Botschaft: Die Ampel gefährdet den materiellen Wohlstand der Bürger. "Es gibt keine Schonfrist für Regierungen", rechtfertigte Markus Söder die Kritik. Der Koalition unterstellte der Parteichef und Ministerpräsident von Bayern mangelnde Verlässlichkeit und eine "Sprachlosigkeit", die gar zur "Schwächung der Bindekraft in der Demokratie" führe. Weitere Angriffe überließ Söder Dobrindt und konzentrierte sich auf die strategische Ausrichtung seiner CSU - ein Feld, auf dem die Partei großen Handlungsbedarf hat, wie Söder selbst bekundete. In 16 Jahren Regierung habe man oft "das Schlimmste verhindert, aber nicht das Beste erreicht", die Partei sei zu einer "Kompromissmaschine" mutiert. Damit sei nun Schluss.

Und so fordert die CSU unter dem Motto "Aufbruch '22" Entlastungen, Zuschüsse und Erhöhungen: Das von der Ampel anvisierte Aus der EEG-Umlage müsse noch schneller kommen, die Pendlerpauschale "automatisch" mit dem Spritpreis steigen, der Strom für Unternehmen günstiger werden, der Heizkostenzuschuss für Geringverdiener deutlich angehoben und die Home-Office-Pauschale erhöht werden.

Zurück zur Partei der "sogenannten kleinen Leute"

Grundsätzlich wolle man wieder zur Partei der "sogenannten kleinen Leute" werden, kündigte Söder am Mittwoch an. Renten, Pflege, Energie - die CSU müsse die Sozialpolitik wieder für sich entdecken, sagte der Parteichef und zog etwa beim Klimaschutz klare Grenzen zur Bundesregierung: Die ökologische Wende sei zwar die "größte Herausforderung", dürfe den Mittelstand aber nicht mit immer höheren Kosten belasten. Auch beim Ausbau der Windenergie bremste Söder, man dürfe den ländlichen Raum nicht überfordern.

"Ich selbst bin kein Oppositionsführer", stellte Bayerns Ministerpräsident klar. Das sei schon Aufgabe von Dobrindt und Friedrich Merz, dem neuen Chef der CDU und künftig auch der Unionsfraktion. Er ist am Donnerstag zu Gast bei der CSU.

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