Klausur in Kloster Seeon:Mist aus Bayern für die Hauptstadt

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Vor der Klausurtagung stellen sich die CSU-Politiker den demonstrierenden Landwirten, es kommt sogar so etwas wie ein Gespräch zustande. (Foto: Matthias Balk/dpa)

Eigentlich wollte die CSU über Steuerzahler, Familien und Sparer sprechen. Doch dann kamen die Bauern mit ihren Sorgen um Düngemittel, und dann Markus Söder mit seinem Vorschlag einer Umbildung des Bundeskabinetts.

Von Nico Fried und Christian Wernicke, Seeon

Es wird, Pardon, viel Scheißdreck gesagt, da draußen vor dem Kloster Seeon. Die wütenden Bauern benutzen das Wort, aber auch der eine oder andere CSUler, der sich ihnen in der oberbayerischen Kälte am Dreikönigstag stellt. Christian Schmidt zum Beispiel, einst Agrarminister in Berlin, sagt auch: "Jetzt sitzen wir in der Scheiße." Ein Landwirt berichtet, bald wüssten viele wegen der drohenden neuen Düngeverordnung nicht mehr, wohin sie ihren Scheißdreck aus der Viehhaltung bringen sollten. Da ruft ein zweiter: "Dann fahren wir ihn nach Berlin." Der Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Alexander Dobrindt, antwortet: "Da gibt's schon genug davon", und fügt hinzu, damit meine er natürlich nicht die Bundesregierung, sondern den rot-rot-grünen Senat.

Klausurtagung der CSU-Landesgruppe in Oberbayern. Für Alexander Dobrindt ist das der Termin, mit dem die CSU-Bundestagsabgeordneten, nicht zu verwechseln mit der CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag, die Politik in Deutschland "wachrütteln". Die Bauern aus der Region aber sind an diesem Tag schon lange auf den Beinen und mit Hunderten Traktoren nach Seeon im Chiemgau gefahren. 4000 Demonstranten sind es nach Angaben der Veranstalter. Und die CSU stellt sich ihnen noch vor Beginn der eigentlichen Klausurtagung über eine Stunde lang mit sieben Rednerinnen und Rednern in einer Mischung aus Prominenz und Kompetenz. Parteichef und Ministerpräsident Markus Söder nimmt für sich selbstverständlich beides in Anspruch: Seit Monaten beschäftige man sich in jeder Kabinettssitzung mit diesen Fragen. Seine Vorgänger seien alles großartige Persönlichkeiten gewesen, aber so in die Details wie er habe sich wohl noch keiner eingearbeitet, lobt der Ministerpräsident den Ministerpräsidenten.

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Für die CSU geht es um eine wichtige Wählergruppe, aber auch um ihren Ruf der Volksnähe

Es kommt dann tatsächlich fast so etwas wie ein Gespräch zustande, weil die Veranstalter und einzelne Zuhörer die Redner auch immer wieder unterbrechen und die wiederum auf die Einwürfe antworten. Für die CSU geht es hier um eine wichtige Wählergruppe, aber auch um ihren Ruf der Volksnähe. Die Politiker versprechen, noch einmal auf Veränderungen der Gülleverordnung hinzuwirken, ansonsten aber versuchen sie, die frühere Gemeinsamkeit mit den Bauern durch Identifikation gemeinsamer Gegner herzustellen: Brüssel natürlich, die Grünen, die böse Bundesumweltministerin von der SPD.

Söder sagt, am besten wäre es, wenn das Bundeslandwirtschaftsministerium wieder in bayerische Hände komme, was die Amtsinhaberin Julia Klöckner von der CDU sicher gerne hört. Mit dieser Bemerkung schlägt der CSU-Chef - vermutlich unbewusst - auch gleich einen Bogen zu dem Thema, mit dem er die Aufmerksamkeit am Wochenende per Zeitungsinterview schon auf sich gezogen hatte: das Personal der großen Koalition.

Alexander Dobrindt bemüht sich nach Kräften, noch einmal die Themen herauszustellen, mit denen die CSU sich in diesem Jahr profilieren will. Im Mittelpunkt stünden Entlastungen, Wirtschaft, Innovation und Digitalisierung. Hinzu kommen sollen zum Beispiel Verschärfungen im Asylrecht oder 100 Euro für jeden Neugeborenen als Kapitalstock für die Rente. Aus der Sitzung selbst zitieren Teilnehmer den Landesgruppenchef mit den Worten: "Wir stehen in der Vorbereitung einer Bundestagswahl - unabhängig davon, wann sie stattfindet." Die Leistung im Jahr 2020 entscheide in jedem Fall maßgeblich über den Erfolg der CSU. Es gehe um Steuerzahler, Familien und Sparer.

Söder fordert eine Umbildung des Kabinetts, Horst Seehofer reagiert mit allerlei Scherzen

Doch mit seiner Forderung, wie im Fußball auch die Regierungsmannschaft zur Halbzeit der Legislaturperiode zu erneuern und zu verjüngen, hat Markus Söder diese Themen quasi ins Abseits gekickt. Söder sagt in seinem Statement vor der Klausur, er erlebe in einigen Staaten Aufbruchstimmung, und nennt als erstes Österreich, wo sich gerade eine Regierung aus Konservativen und Grünen gebildet hat. Ihm gehe es darum, so der CSU-Chef, dass auch die große Koalition nicht nur die Zeit bis zu den nächsten Wahlen absitze, sondern Perspektiven für mehr als ein Jahr entwickle. Die Wirtschaft werde schwächer, in der Technologieentwicklung müsse man besser werden. Eine Debatte über Zukunftsantworten wolle er führen. Weil man aber "Faszination" entwickeln wolle auch für die Zeit nach der großen Koalition und für Regierungen mit anderen Parteien, gehören für ihn Personalfragen in den nächsten Monaten dazu: "Das, was die Regierung ist, ist auch die Mannschaft für die Zeit danach", sagt Söder. Wen er in der aktuellen Ausgabe des Kabinetts nicht so faszinierend findet, hat Söder vor allem auf Seiten der Schwesterpartei zu erkennen gegeben: Wirtschaftsminister Peter Altmaier und Bildungsministerin Anja Karliczek. Für den angeschlagensten aller Ressortchefs, Verkehrsminister Andreas Scheuer, hat er dagegen eine Bestandsgarantie abgegeben, zumindest bis zum Votum des Maut-Untersuchungsausschusses.

Weil Horst Seehofer das älteste Kabinettsmitglied ist und zudem Söders langjähriger Widersacher, fiel das Augenmerk auch auf den Bundesinnenminister. Der reagierte am Montag beim Deutschen Beamtenbund in Köln mit humoristischer Gelassenheit: "In meinem Alter müssen Sie täglich nach dem Aufstehen prüfen, ob Sie noch im Amt sind." Wie sehr ihn die Sache möglicherweise doch beschäftigt, zeigte sich daran, dass er immer wieder darauf anspielte, zum Beispiel, als er die Hoffnung äußerte, im Herbst wieder die Tarifverhandlungen zu führen. Vor Journalisten führte er noch mahnend das Beispiel der SPD und ihrer Selbstbeschäftigung an. "Wir sollten jetzt als Union dem nicht nacheifern", so Seehofer, der später auch noch in Seeon erwartet wurde. Dort wird derweil in Söders Umgebung beschwichtigt, Seehofer sei gar nicht gemeint gewesen.

Ob er mit Angela Merkel und Annegret Kramp-Karrenbauer eigentlich über dieses Thema gesprochen habe, wird Söder von den Journalisten gefragt. Der will sich erst um die Antwort drücken: "Warum ist das für Sie entscheidend?" Dann aber sagt er doch: "Wir waren da im Gespräch." Pause. "Aber nicht vorher." Es müsse aber zwischen CDU und CSU auch nicht jeder Vorstoß "zur Genehmigung vorgelegt werden", so Söder. "Das wäre ja absurd." Am Mittwoch wird Kramp-Karrenbauer übrigens in Kloster Seeon erwartet.

© SZ vom 07.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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